Sumō in Ryōgoku.

Inzwischen ist es fast zehn Jahre her, dass ich das erste Mal nach Japan gezogen bin. Dennoch hatte ich es bis vor einigen Wochen nicht geschafft, den Nationalsport Japans mal live zu sehen. Nein, nicht Baseball, sondern Sumō. Dafür ging es nach Ryōgoku (両国), was zum Glück von mir zuhause nur etwa 20 Minuten entfernt ist. Dort traf ich mich mit einer japanischen Freundin, die auch noch nie ein Sumotournier gesehen hatte.

Der Sumo ist ein Ringkampf, der in Japan eine sehr lange Geschichte hat. Es gibt den Sport schon seit 2000 Jahren, so steht es zumindest im Nihonshoki (日本書紀), dem zweitältesten Geschichtswerk Japans.

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Die grundlegenden Regeln sind leicht erklärt: Zwei Sumoringer oder Rikishi (力士) treffen in einem Ring aufeinander, und versuchen einander aus dem Ring zu befördern. Wer zuerst den Ring verlässt oder mit einem anderen Körperteil als den Füßen den Boden berührt, hat verloren. Wenn jemandem die Kleidung herunterfallen sollte, verliert er auch. Natürlich gibt es noch viel mehr zu wissen, aber vor meinem Besuch hatte ich davon nicht auch nur die geringste Ahnung. Erst nach unserem Sumo-Besuch habe ich mir ein Buch aus der Bibliothek ausgeliehen, das Sumo einfach erklärt (大相撲の解倍図鑑 Ōzumō no Kaibōzukan).

Am Eingang kontrollieren Oyakata (親方), ehemalige Sumoringer, die Tickets

Die Tickets hatte ich bereits weit im Vorfeld gekauft. Bevor der richtige Ticketverkauf losgeht, kann man nämlich an einer Lotterie teilnehmen. Dort gibt man drei Daten an, an denen man gern Tickets hätte und bekommt dann Tickets für eines dafür. So muss man sich nicht am Tag des offiziellen Ticketverkaufsstarts stressen. Leider kann man an diesem System scheinbar aus dem Ausland nicht teilnehmen, es lohnt sich also direkt beim Verkaufsstart vor dem Bildschirm zu sitzen. Mehr Infos findet ihr auf der Website der Sumovereinigung.

Zwar finden bereits ab dem Morgen Sumowettkämpfe statt, aber je später es wird, umso höher ist das Level der Ringer. Meine Freundin und ich waren ab zwei Uhr in Ryōgoku und sahen somit ab den Ringern des Jūryō-Levels (十両) zu. Jūryō ist der erste Rank, der richtig vergütet wird.

Bevor es losgeht, werden alle Ringer aufgerufen und stellen sich im Kreis auf. Das ist einerseits, um sie dem Publikum vorzustellen und andererseits, um böse Geister zu vertreiben. Für diese Zeremonie, das Dohyōiri (土俵入り), tragen alle Kämpfer eine Schürze mit Dekoration, den Keshōmawashi (化粧廻し). Dieser Keshōmawashi soll die Kämpfer näher vorstellen, ob nun durch Hinweise auf die Herkunft, besuchte Schulen oder anderes. Manchmal ist es auch einfach Werbung.

Dann geht es auch schon los.

Dieses Foto entstand um ca. 16 Uhr, als es wirklich voll wurde

Wir saßen im zweiten Stock, was rein entfernungstechnisch fürs Zusehen zwar in Ordnung, für Fotos aber nicht ideal ist. Aber wozu habe ich ein Teleobjektiv? 😉

Sumo hat Verquickungen mit der japanischen Religion Shintō, in der man sich mit Wasser reinigt und mit Salz böse Geister vertreibt. Wenn die Sumoringer in den Ring steigen, waschen sie sich also erst einmal den Mund aus und werfen dann Salz in den Ring. Vor dem eigentlichen Ringen findet so einiges an Vorgeplänkel statt.

Dann nehmen beide eine hockende Position ein, Sumoringer sind erstaunlich gelenkig, platzieren ihre Fäuste jeweils hinter der weißen Linie, und sobald alle vier Fäuste auf dem Boden sind, geht es los.

Der Herr in dem lustigen Hut ist übrigens der Kampfrichter, der Gyōji (行司). Er achtet aber nicht nur auf die Füße der Sumoringer, sondern auch darauf, dass die zeremonielle Form eingehalten wird. Ihm zur Seite stehen fünf Schiedsrichter, auf dem Bild unten seht ihr zwei von ihnen in schwarzer Kleidung.

Die Kämpfe sind oft nur wenige Sekunden lang und sehr aufregend. Man muss nicht viel über Sumo wissen, um an ihnen Spaß zu haben und mitzufiebern. Teilweise wird es auch richtig spektakulär. Da fliegen dann Sumos vom Ring in die Zuschauer in den ersten Reihen oder plötzlich verkehrt sich eine Situation komplett. Je weiter oben in der Rangordnung die antretenden Sumoringer sind, umso mehr Anfeurungsrufe hört man auch vor dem Beginn des Wettkampfes aus dem Publikum.

Wir hatten das Glück, dass meine Freundin einen älteren Herrn neben sich sitzen hatte, der uns viel erklärt hat. Es gibt aber auch eine japanische und eine englische Erklärung, die man sich per Radio (wird dort ausgeliehen) anhören kann.

Zwar sind die Sumos übergewichtig, aber vor allem bei denen, die etwas schlanker sind (heißt um die 150kg), sieht man sofort, dass unter dem Fett große Muskeln liegen. Ein schwerer Körper mit kurzen Beinen ist für den Sport einfach ideal, aber in den letzten Jahren geht wohl das Gewicht der Sportler immer weiter nach oben, was natürlich auch Krankheiten und Verletzungen nach sich zieht. Um dieses Gewicht zu erreichen und zu halten wird jeden Tag ordentlich gegessen und nach dem Mittagessen Mittagschlaf gehalten. Für mich etwas erstaunlich war, wie groß viele Sumoringer sind! Die meisten sind zwischen 180 und 190cm groß, in einem Land in dem der durchschnittliche Mann nur 170cm misst.

Gewicht und Größe sind aber natürlich nicht die einzigen Schlüssel zum Sieg. Es gewinnen durchaus auch die kleineren oder leichteren Sumokämpfer.

Vor den höherrangingen Kämpfen werden Flaggen mit Werbung um den Ring herum getragen. Der Gewinner des nachfolgenden Kampfes erhält pro Werbeflagge 30.000¥ (ca. 240€) direkt und 26.700¥ (ca. 210€) werden ihm nachdem er in den Ruhestand geht ausgezahlt. Bei den wirklich großen Kämpfen werden teils 30 oder mehr Werbeflaggen gezeigt, das macht dann etwa 13.500€ für den Gewinner.

Hier wird angezeigt wer verloren und gewonnen hat, und wer gerade dran ist

Ganz zum Schluss kommen die oder der Yokozuna (横綱), das ist der höchste Rang im Sumo, in den Ring. Dieses Jahr hat der Yokozuna Hakuhō (白鵬) insgesamt viermal, aber zuerst gegen den relativen Neuling Abi (阿炎) verloren, was auch von den Medien groß aufgegriffen wurde. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass in letzter Zeit mehr über Sumo berichtet wird, aber vielleicht ist das auch nur, weil ich mehr Zeitung lese und mich in den letzten Tagen mehr für Sumo interessiert habe. 😀

Um 18 Uhr war der Spaß dann vorbei, wir aßen etwas und gingen dann nach Hause.

Würdet ihr euch gern einmal Sumo ansehen? Welchen Sport guckt ihr gerne?

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4 Gedanken zu „Sumō in Ryōgoku.

  1. Abigail sagt:

    Hallöchen,

    so ein Sumoringkampf live zu erleben, stelle ich mir sehr interessant vor. Kann mir auf jeden Fall vorstellen, dass es ein sehr interessantes und tolles Erlebnis war. Und das jemand neben euch saß, der Ahnung hatte, hat das ganze bestimmt noch viel spannender gemacht.
    Ich habe mal ein paar Jahre lang Karate gemacht und dort haben wir auch ein bisschen über Sumoringen gelernt, was ich sehr interessant fand.

    Viele Grüße
    Abigail

  2. Claudia sagt:

    Ich finde es ja super spannend, dass ihr beim Karate auch über Sumo geredet habt. Die Sportarten sind ja dann doch etwas anders. 🙂
    Ohne den Erklär-Japaner neben uns hätten wir auch viel weniger verstanden als sowieso. 🙂

  3. Anne sagt:

    Im Juli wäre ich auch gern live dabei gewesen! Immer wieder toll wenn sich erst am Finaltag Senshuraku entscheidet wer gewinnt. Yokozuna Kakuryu war super GENKI im Juli. Du hattest das grosse Glück den DAI Yokozuna Hakuho beim Erledigen von Chiyotairiu zu bestaunen, zumindest ist er auf deinem Foto.
    Ich poste regelmässig über Sumo auf deutsch unter Japanfieber auf Instagramm. Lieber Gruss

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