Wie der Übertourismus Japan vor Herausforderungen stellt.

2013 hatte sich Japan ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Im Jahr 2020 sollten 20 Millionen ausländische Besucher nach Japan kommen.

Dieses Ziel wurde bereits 2016 erreicht und daraufhin angepasst. Jetzt sollten es bis 2020 doppelt so viele Personen, 40 Millionen, werden. Tatsächlich kamen im Jahr vor der Pandemie etwa 32 Millionen, und es war schon richtig voll. Natürlich vor allem an den Touristen-Orten. So stand ich 2017 vormittags mit meinen Eltern in Asakusa beim berühmten Sensoji-Temple (浅草寺 Sensō-ji) und beschloss, dass wir wieder nach Hause fahren würden, weil es einfach vollkommen überrannt war und man nicht einmal ordentlich laufen konnte.

Da Japan im März 2020 die Tore für Touristen schloss, hatte sich das Ziel von den 40 Millionen Besuchern damit natürlich auch erledigt. Während der Pandemie erlebte ich Kyoto in einer Stille und Schönheit, die in der Zeit vor der Pandemie nicht möglich gewesen wäre.

Mehr: Kyoto: Der lange Weg zum Kiyomizu-Tempel.

Nun sind die Touristen, auch dank des unglaublich schwachen Yen, wieder zurück und es sind mehr als je zuvor. Die Zusammensetzung der Touristen hat sich verändert: Wo früher vor allem viele Chinesen im Land waren, ist es jetzt durchmischter, mit mehr Besuchern aus Amerika, Europa und Südostasien.

Die gestiegenen Touristenzahlen haben jedoch auch Schattenseiten, die die japanische Regierung nun versucht zu bekämpfen.

So gibt es in Yamanashi ein beliebtes Fotomotiv von einem Lawson-24-Stunden-Laden vor dem Berg Fuji. Weil die Touristen den Ort regelrecht überrannt haben und wiederholt auf das Dach eines Klinikgebäudes gestiegen sind, um das perfekte Bild zu bekommen, hat der Ort nun eine große Plane errichtet, um das Fotomotiv zu verbergen.

In Kyoto sind Teile des traditionellen Geisha-Distrikts Gion nur noch für Anwohner und Kunden zu betreten, weil Touristen die Geisha regelmäßig belästigt haben. Das ging von belästigendem Verhalten beim Versuch ein besonders tolles Foto zu schießen bis zu Leuten, die an den Kimono oder dem Haarschmuck gezerrt haben.

Außerdem wird die Anzahl der Menschen, die den Fuji besteigen wollen, in Zukunft begrenzt werden. Es sind einfach zu viele Menschen, die zu viel Müll hinterlassen oder zu schnell aufsteigen und dadurch ihre Gesundheit gefährden.

Ein großes Problem ist sowieso, dass der Touristenansturm auf einige wenige Orte beschränkt, während andere von der gestiegenen Popularität Japans kaum etwas mitbekommen. Deswegen empfehle ich auch immer weniger beliebte Reiseziele!

Mehr: Abseits der goldenen Route: Meine Lieblingsorte in Japan.

Natürlich benehmen sich die meisten Besucher in Japan. Ich weiß, dass viele sich unglaubliche Sorgen machen, ob sie nicht in irgendein Fettnäpfchen treten. Aber es gibt einfach auch viele, für die Japan scheinbar kein echtes Land mit echten Menschen ist, sondern ein Anime-Themenpark, in dem man sich nicht an gesellschaftliche Normen halten muss. Bin ja nicht zuhause. Und wenn es so schlimm wäre, würden die Japaner ja sicher irgendwas sagen. Eben nicht: Japaner sind darauf konditioniert, jeder Konfrontation aus dem Weg zu gehen. So funktioniert das Zusammenleben hier eben – Aber auch nur, weil sich fast jeder daran hält. Wenn sich dann jemand respektlos verhält, wissen viele Japaner oft nicht, wie sie damit umgehen sollen, und ignorieren die Situation einfach. Das heißt nicht, dass sie sie gutheißen oder es sie nicht stört. Jemand, der in Japan aufgewachsen ist oder seit langem hier lebt, würde wahrscheinlich die subtilen Zeichen des Unwohlseins bemerken. Ausländer eben meist nicht. Das hat nichts mit gut oder schlecht zu tun, sondern einfach mit anderer Sozialisierung.

Ich glaube nicht, dass einer meiner Leser (fantastische Lichtgestalten, die ihr alle seid) Regeln in Japan absichtlich verletzen würde. Einen ganz einfachen Verhaltenstipp habe ich aber: Haltet euch einfach an Schilder und orientiert euch daran, was die Japaner machen. Und wenn ein ausländischer Tourist Mist macht, weist ihn darauf hin.

Auf dass uns nicht noch mehr Touristengegenden oder schöne Fotomotive verloren gehen, das wäre nämlich wirklich schade.

5 Gedanken zu „Wie der Übertourismus Japan vor Herausforderungen stellt.

  1. Midori sagt:

    Vielem, wovon Du schreibst, stimme ich zu, möchte allerdings auch einmal meinen Gegeneindruck darstellen. Vor knapp drei Wochen habe ich Kyoto besucht, kurz zuvor Südkorea. Ich spreche besser Koreanisch als Jaoanisch und habe beide Länder mehrfach besucht. In Seoul war ich zunächst darüber erschrocken, dass die japanischen Touristen sich wie außer Rand und Band benahmen. In Myeongdong wurden teilweise auch die Ellenbogen benutzt, von Etikette und Sozialverhalten war da nicht viel zu bemerken.
    Als ich von Busan nach Osakaflog, stellte ich im Flugzeug fest, dass die nicht erkälteten Japaner Masken trugen, während den japanischen Triefnasen es völlig egal war, wo sie ihre Bakterien hinschleudern. Da nutzte man auch schon mal den Ärmel, um sich des Problems zu entledigen.
    Zu meinem Entsetzen musste ich dann feststellen, dass nach meiner Ankunft im Flughafen Osaka nach dem Toilettengang den Japanerinnen mehrheitlich und offensichtlich das Händewaschen unbekannt war, was mich durchaus entsetzte.
    Um auf einen der im Beitrag beschriebenen Punkte näher einzugehen, insbesondere zum Thema Umgangsformen und Höflichkeitsapekte fiel mir zudem auf, dass etliche Japaner es offensichtlich nicht für nötig halten, sich im Falle von Unannehmlcihkeiten bei Ausländern zu entschuldigen, wie z.B. mir junge Eltern mit ihrem Buggy zweimal in die Hacken fuhren und sich nicht entschuldigten.
    Es gab auf meiner Reise viele schöne Momente und erinnerungswürdige Begegnungen und einige wenige Male auch tatsächliches Interesse an meiner Person als Reisender und Neugier, warum ich nach Japan gereist bin, was mich wirklich gefreut hat, doch diese Begegnungen haben tatsächlich wie im Beitrag beschrieben nur in ruhigen Momenten auf dem Land stattgefunden.

    • Claudia sagt:

      Ich würde nie behaupten, dass Japaner die perfekten Umgangsformen haben. Was du beschrieben hast, dass z.B. viele nach dem Toilettengang ihre Hände nicht waschen, war während Corona ein echtes Problem.
      Aber nur, weil sich einige Japaner im Ausland wie Rowdies benehmen, heißt das ja nicht, dass ausländische Touristen in Japan dasselbe machen sollten. 🙂

  2. Sari sagt:

    Ich finde erschreckend das so zu lesen, dass Dinge verhangen und Bereiche gesperrt werden müssen, weil der Alltag hier durch den Tourismus so negativ beeinflusst wird. So schade. Ich gestehe, es gibt so vieles was ich auch gerne sehen würde und natürlich möchte man schöne Erinnerungen schaffen, aber sicherlich nicht auf Kosten der Menschen, die all das ihr zu Hause nennen. Dieser Beitrag ist wirklich sehr wertvoll und wichtig heute <3

  3. Sheila Salmoiraghi sagt:

    Das erste mal war ich vor 15Jahren in Japan. Ich wohnte damals in Shinjuku und wurde oftmals neugierig gefragt warum ich denn Japanisch spreche und woher ich komme. Auch wurde ich immer sehr nett beraten wenn ich was suchte. Jetzt ist dem leider nicht mehr so. Ich gebe manchmal sogar lieber auf als mich zu erkundigen, da ich tatsächlich genervt bedient werde, da sie vom Übertourismus genug haben. Als ich letztens mit einer Kollegin nach Japanan in die Ferien ging haben wir geschaut welche Orte wir durchfahren, was für Sehenswürdigkeiten es dort gab, und sind spontan ausgestiegen und haben vor Ort ein Hotel gebucht. Wir haben wunderbare Orte entdeckt und wurden auch wieder freundlicher behandelt. Ich verstehe dass es für viele Touristen beängstigend ist ein fremdes Land spontan zu erkundigen. Aber ich kann es sehr empfehlen. Die meisten Ortsschilder sind mittlerweilen auch auf Romanji angeschrieben, einzig die Busse hinken noch hinterher.

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