Bocchan hat, wie alle internationalen Spione, die etwas auf sich halten, zwei Pässe: Einen deutschen und einen japanischen.
Wie das bei Kindern, die mit doppelter Staatsangehörigkeit geboren werden, funktioniert, lest ihr hier. 🙂
Sowohl in Japan als auch in Deutschland wird die Staatsbürgerschaft vererbt. Das nennt sich auf Latein “Ius Sanguinis” (Blutrecht) oder auf Deutsch einfach “Abstammungprinzip”.
In Deutschland gibt es zusätzlich unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, dass ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsbürgerschaft erhält. In Japan ist das nicht möglich.
Geburt eines Deutschen im Ausland
Deutschland ist mit seinen Regelungen bezüglich der Staatsbürgerschaft eines im Ausland geborenen Kindes recht lax. Sofern ein deutscher Elternteil in Deutschland zur Welt gekommen ist, erhält das Kind automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. Da muss nichts beantragt werden.
Wenn der deutsche Elternteil nach dem 1.1.2000 selbst im Ausland geboren wurde, muss die Geburt innerhalb eines Jahres bei der zuständigen Botschaft oder dem zuständigen Konsulat angezeigt werden.
Wir haben zusätzlich eine deutsche Geburtsurkunde beantragt, das ist aber nicht zwingend nötig. Einen deutschen Pass kann man auch auf Grundlage einer mit Apostille versehenen beeidigten Übersetzung des japanischen Familienregisters und einer Abschrift aus dem Geburtenregister des deutschen Elternteils bekommen.
Geburt eines Japaners im Ausland
Japan ist ein wenig strenger, hier muss innerhalb von drei Monaten nach der Geburt neben der Geburtsanzeige eine “Benachrichtigung über den Vorbehalt der Staatsbürgerschaft” (国籍留保の届出 Kokuseki Ryūho no Todokeide) abgegeben werden. Wenn man dies nicht tut, verfällt sämtlicher Anspruch auf die Staatsbürgerschaft, falls das Kind gleichzeitig mit der Geburt noch eine weitere Staatsbürgerschaft erwirbt.
Wäre Bocchan im Ausland zur Welt gekommen, hätten wir das machen müssen. So ist mein Mann einfach in unseren Rathaus-Außenposten (auch wenn wir nicht in Tokyo leben hat unsere Stadt fast 500.000 Einwohner) gelaufen und hat Bocchan in sein Familienregister eintragen lassen.
Das Familienregister (戸籍 Koseki) ist Nachweis über die Staatsbürgerschaft. Das erklärt auch, warum ich nur als Fußnote im Familienregister meines Mannes stehe: Hätte ich einen richtigen Eintrag im Register, wäre ich damit automatisch japanische Staatsbürgerin. Im Familienregister steht für jedes japanische Mitglied der Familie, wann es wo zu welchen Eltern geboren wurde. Hochzeiten und Scheidungen sind auch aufgeführt. Somit funktioniert es als Nachweis für sämtliche Personenstandsangelegenheiten. Ganz praktisch, wenn dieses System nicht gleichzeitig auch solche Probleme mit sich bringen würde.
Mehr: Nur ein Nachname pro Familie, bitte.
Doppelte Staatsbürgerschaft – Für immer?
Sowohl Japan als auch Deutschland sind keine großen Fans von doppelter Staatsangehörigkeit. In Deutschland wird es akzeptiert, wenn ein Kind mit deutscher Staatsbürgerschaft geboren wurde und noch eine weitere besitzt.
Früher gab es da eine Optionspflicht, bei der sich das Kind zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden musste, inzwischen gilt das nicht mehr.
Japan hat diese Optionspflicht noch, setzt sie aber praktisch nicht durch. Ich kenne nicht nur einen Halbjapaner, der seit Jahren und Jahrzehnten vor der Entscheidung drückt. Es gibt da nämlich ein Schlupfloch im japanischen Staatsbürgerschaftsgesetz: Man wird letztlich nur verpflichtet, sich darum zu bemühen, die andere Staatsbürgerschaft abzulegen. Wie sehr man sich bemüht ist jedem selbst überlassen.
Theoretisch muss man sich also entscheiden – praktisch sieht die Sache ein wenig anders aus.
Für Leute, die die japanische Staatsbürgerschaft später im Leben angenommen haben, gilt das übrigens nicht! Wenn man hier die andere Staatsbürgerschaft nicht ablegt, führt das im Ernstfall dazu, dass einem die japanische Staatsbürgerschaft wieder aberkannt wird – und dann steht man auf einmal ohne Aufenthaltserlaubnis da.
Mehr: Kann man eigentlich Japaner werden?
Mit zwei Pässen reisen
Mit beiden Pässen Grenzen zu übertreten ist eigentlich ganz einfach. Wenn man nach Deutschland oder in ein Schengen-Land fliegt, zeigt man den japanischen Behörden bei der Ausreise den japanischen Pass und den europäischen Behörden bei der Einreise den deutschen Pass. Bei der Rückreise dann das gleiche Spiel: Jede Seite bekommt jeweils nur “ihren eigenen” Pass zu sehen.
Für alle anderen Länder kann man es sich aussuchen. Für China brauchen Japaner z.B. kein Visum, Deutsche aber schon. Es würde sich also anbieten, mit dem japanischen Pass einzureisen.
Uns war es sehr wichtig, dass Bocchan beide Pässe hat. Es vervielfacht einfach die Möglichkeiten, die er im späteren Leben haben wird. Vor allem der EU-Pass bietet enorme Freiheit, was die Wahl des Wohnorts angeht. Wer würde das für sein Kind nicht wollen? 🙂
Ich habe vor ein paar Jahren erfahren, dass ich eigentlich eine doppelte Staatsbürgerschaft haben kann, nachträglich habe ich dann meinen ausländsichen Pass beantragt und reise genau wie du im Beitrag beschrieben hast. Das jeweilige Land bekommt nur den passenden Ausweis zu sehen. Mein Mann hat lustigerweise auch eine doppelte Staatsbürgerschaft, was bedeuten würde, wenn wir ein Kind bekommen dass es durch ein paar abstruse Regelungen der jeweiligen Länder 3 Staatsbürgerschaften annehmen könnte. Da wir beide Deutsche sind und in Deutschland leben würde es eben den deutschen Pass bekommen, durch mich als Mutter würde es meine zweite “by blood” bekommen und durch meinen Mann als Vater seine, asiatische Länder sind da ja irgendwie ein bisschen eigen.
Ich würde das für mein Kind beantragen, ich finde es eröffnet so viele Möglichkeiten.
…vor allem spiegelt Bocchans Pass-Situation seine tatsächiche Lebenswirklichkeit auch am realistischsten wider.