Das Aussterben (m)einer Jugendkultur.

Da auch weiterhin nichts Spannendes geschieht, schreibe ich heute wieder etwas aus meinem Alltag. 🙂

Ich gehe jeden Morgen um etwa dieselbe Zeit zur Arbeit. An manchen Tagen begegnet mir dann eine Gothic Lolita. Sie wohnt näher am Fluss als wir, sonst würde sie nicht diesen Weg zum Bahnhof wählen, aber sonst weiß ich nichts von ihr. Nur, dass sie noch immer Gothic Lolita trägt.

Warum “noch immer”? Weil diese Jugendmode sich, zumindest in Japan, im Aussterben befindet. Dieses Jahr wurde das Magazin “Gothic & Lolita Bible” eingestellt, und auf der Straße sehe ich immer weniger Mädchen oder Frauen, die diese Mode tragen. Natürlich, es gibt sie noch, aber ich habe das Gefühl, dass wenige junge neue Leute hinzukommen, die den Rüschen und der Spitze fröhnen. Die Gothic Lolita aus meinem Viertel ist auch nicht mehr ganz so jung, sie geht wahrscheinlich so zur Arbeit.

Als ich 2008 das erste Mal nach Japan kam, sah ich immer wieder Lolitas auf der Straße, und neben den Läden in Harajuku (原宿) gab es auch in Shinjuku (新宿) ein Marui-Kaufhaus nur für die Mode. Irgendwann zog es um, weiter weg von der Bahnstation, und die Anzahl der Läden darin verringerte sich. Die Lolita in meiner Nachbarschaft ist oft wochen- und monatelang die einzige, die ich sehe.

Ich finde das natürlich schade. Die Mode, die auch für mich lange Zeit recht wichtig war, über die ich wirklich gute Freundinnen kennengelernt habe, versinkt in den Annalen der Geschichte. Nicht, dass ich dem etwas entgegensetzen würde – ich trage die Kleidung seit Jahren nicht mehr.

Letztendlich hat sicher jeder einmal das Verschwinden von etwas erlebt, das ihm früher wichtig war. Jugendkultur ist nun einmal für die Jugend, und während es natürlich jedem freisteht, der Jugendkultur auch im Erwachsenenleben zu fröhnen, sucht die neue Jugend nach neuen Dingen. Das ist er dann, der Kreis des Lebens, oder halt der Jugendmode.

Dennoch freue ich mich jedes Mal, wenn ich diese Frau morgens sehe. Die zieht das durch. 🙂

6 Gedanken zu „Das Aussterben (m)einer Jugendkultur.

  1. A sagt:

    Dass die Lolita Mode ausstirbt, kann ich so nicht bestätigen. Die Bible wurde eingstellt aber daraus ist digitaler Content von Kera und Jabberwocky enstanden. Ebenso gab es dadurch Platz für neue Magazine wie die melt.
    Auch sieht man noch immer viele Lolitas auf dem artism oder alamode market. Generell sind artism events von Lolitas stark frequentiert.
    Orte wie Harajuku oder Shinjuku sind meiner Meinung nach weniger stark frequentiert, da der Tourismus diese Orte kaputt macht (“Gehet hin und fotografiert komisch aussehende Menschen”), Gentrifizierung in Ura Harajuku und Cat Street.
    Auch international geht die Mode noch stark und auch den japanischen Lolitas wird klar, dass sie sich international öffnen müssen.

    Ich gebe dir Recht allerdings, dass es es weniger Nachwuchs gibt und dass die jetzige Generation älter wird, aber ingesamt sehe ich einen Wandel, kein Aussterben.

    • Claudia sagt:

      Dass die Lolis aus Harajuku und Shinjuku entfleucht sind, hat weniger etwas mit den Touristen zu tun, und mehr damit, dass es jetzt weniger Orte zum Sitzen und Quatschen gibt. Früher war das viel einfacher möglich. Stattdessen gibt es wohl Treffen in Cafés, etc.

      Ich frage mich halt auch, wie eine Mode, der in Japan der Nachwuchs ausgeht, sich langfristig über Wasser halten soll. Vielleicht sind die, die jetzt bereits Lolita tragen, dem kompletten Austritt eher abgeneigt, aber einen Anstieg gibt es wenn dann nur im Ausland. h.Naoto hat alle Läden in Japan geschlossen, Swimmer folgt, und insgesamt klingt das alles gar nicht positiv.

  2. Dommie sagt:

    Gibt ja generell kaum richtig huebsche Lolitas mehr.
    Was man so sieht, sind Ommas, die denken sie koennten sich mit ihren Spitzenroecken noch jung halten, oder Maedels, denen es einfach gar nicht steht.

  3. Yoko-chan sagt:

    Ich finde es auch schade, dass man inzwischen nur noch recht selten Lolita in Japan sieht. Ich freue mich immer wieder, wenn ich mal einer über den Weg laufe.
    Selbst habe ich einige Loli-Kleider, trage sie aber mehr casual ohne das ganze Drumherum gern zu Konzerten oder anderen Veranstaltungen. Auch wenn man damit immer wieder Blicke auf sich zieht…

  4. kia sagt:

    Die Mode ist nicht am aussterben sondern es hat sich einfach nur alles mehr nach Westen verschoben. International gibt es immer mehr event’s und Shops nur zu diesen Thema. Die chinesische community ist mittlerweile riesig.
    Ich kenne auch einige japanische lolitas die immer noch sehr aktiv sind. Man trifft sich halt nur einfach nicht mehr im Touristen überfüllten Harajuku sondern in anderen Ecken der Stadt. Teure Cafés werden Brücken vorgezogen.
    Und das es keinen Nachwuchs gibt kann ich auch nicht bestätigen. Lolita ist einfach teuer, wo die meisten halt einfach erst anfangen wenn sie einen festen Job haben.
    Die community in Berlin, in der du früher auch mal warst, ist zu immer noch sehr aktiv 😉 (ich glaube auch wir gehören neben dem candy Day zu den aktivsten coms in Deutschland ;))

    • Claudia sagt:

      Ich habe das ungenau ausgedrückt: In Japan werden es tatsächlich immer weniger. Ob die in Europa oder anderswo aktiver werden, kann ich nicht einschätzen, weil ich da nicht mehr auf dem Laufenden bin. 🙂
      Früher gab es hier viel Nachwuchs, also wirklich 16-17-Jährige mit den Sachen. Erlebte mehrmals mit, wie Mama mit Tochter bei Angelic Pretty und Konsorten ein halbes Vermögen ließ.
      Ich glaube da spielt vieles mit hinein, nicht zuletzt, dass es auch für Japaner im Vergleich zu normalen Klamotten immer teurer wird, und dass auch andere Moderichtungen immer mainstreamiger werden.

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