Zwischen Valentinstag und dem White Day, der in Japan am 14. März begangen wird, gab es bei JR East ganz besondere Tickets: Man konnte an einem Wochentag ihr gesamtes Streckennetz für 10.000 ¥ (ca. 62€) nutzen. Inklusive Shinkansen.
Eine Freundin von mir ist letztes Jahr zurück zu ihrer Familie nach Niigata gezogen. Normalerweise kostet die Fahrt für bereits eine Strecke über 10.000 ¥, deswegen habe ich diesmal die Chance genutzt!
Niigata liegt auf der Nordseite Japans, am japanischen Meer, und ist sehr schneereich. Vor meinem Besuch hatte es längere Zeit nicht mehr geschneit, und als hätte ich mich irgendwo beschwert, schüttelte am Tag meines Besuchs Frau Holle mit ganz besonderem Elan an ihren Bettdecken.
Als der Shinkansen aus einem Tunnel kam, war plötzlich alles um mich herum weiß. Damit der Shinkansen nicht eingeschneit wird, wird er entlang der Strecke mit warmem Wasser besprüht. Es fühlt sich ein wenig an, als wäre man in einer Shinkansen-Waschanlage. In Niigata werden auch Straßen und andere Orte mit Wasser schneefrei gehalten, wenn man nicht aufpasst, bekommt man nasse Füße.
Zwei Stunden, nachdem ich mich in Tokyo in den Shinkansen gesetzt hatte, kam ich in Niigata an, sammelte meine Freundin ein und wir fuhren noch einmal 40 Minuten nach Murakami.
Murakami ist eine kleine Stadt, zu der ehemals auch eine Burg gehörte. Da sie in diversen Kriegen nicht Kriegsschauplatz war, sind einige alte Häuser noch sehr gut erhalten, die Burg selbst wurde aber im Vorfeld der Meiji-Restaurierung niedergebrannt und später abgerissen.
Ursprünglich bestand Murakami aus zwei Städtchen, Murakami-Motomachi, wo damals die Samurai und andere Angestellte der Burg lebten, und Murakami-Machi, wo das einfache Volk lebte. Ein alter Mann erzählte uns, dass die Rivalität zwischen beiden Teilen noch sehr lange fortbestand. Beziehungen untereinander waren noch bis nach dem Krieg nicht gern gesehen.
Besonders bekannt ist Murakami für seinen Lachs. Es gibt Aufzeichnungen darüber, dass Lachse aus der Stadt als Steuer an den Kaiserhof in Kyoto gesendet wurden. Die Lachse brachten Murakami Wohlstand und ließen die Menschen die langen Winter besser überstehen. Um die Fische haltbar zu machen, werden sie mit Salz eingerieben und im kalten Wind getrocknet. Und um nichts unnötig wegzuwerfen, haben sich die Menschen in Murakami etwa 100 verschiedene Gerichte einfallen lassen.
Das alles kann man sich bei Kikkawa angucken und natürlich auch essen. Ich war besonders vom Lachs-Schinken angetan.
千年鮭きっかわ 井筒屋 Sen’nenzake Kikkawa Izutsuya
新潟県村上市小町1−12 Komachi 1-12, Murakami, Niigata
11:00 – 15:00 geöffnet, dienstags Ruhetag
Einige hundert Meter neben dem Restaurant befindet sich der Verarbeitungsort des Lachses, sowie ein Laden, in dem man die fertigen Produkte kaufen kann. Die Lachse hängen zum Trocknen von der Decke. Ein Anblick, an den man sich in Murakami fast gewöhnt.
In vielen Läden und an anderen Orten standen riesige Hinamatsuri-Aufsteller für das Mädchenfest, das traditionell am 3.3. begangen wird. In Tokyo sind diese Aufsteller meist ziemlich klein, in Murakami waren sie sehr ausladend und nahmen ganze Räume in Anspruch.
Mehr: Der japanische Kalender: Yayoi.
Nach dem Essen sahen wir uns einige alte Häuser an. Teilweise muss man bei ihnen Eintritt zahlen, viele sind aber auch kostenlos besuchbar. Sie werden von Freiwilligen beaufsichtigt, weswegen es stark schwanken kann, wie viele Informationen man bekommt. In einem Haus wurden wir quasi allein gelassen, in einem anderen wurden uns fast beide Ohren abgekaut.
Auf ausländische Besucher wurde aber nirgendwo Rücksicht genommen, alles war ausschließlich auf Japanisch beschriftet.
Ich würde auch jedem raten, zumindest im Winter warme Hausschuhe mitzunehmen. Diese alten Häuser sind verdammt kalt.
Generell ist Niigata im Winter vor allem für Wintersportenthusiasten zu empfehlen. Alle anderen warten dann vielleicht doch lieber, bis die Temperaturen ein wenig angenehmer geworden sind. Dann sind die Tickets aber natürlich nicht mehr so günstig.
Wir wärmten uns in einem Teehaus aus, bevor die Mutter meiner Freundin uns freundlicherweise abholte und wieder in die Stadt Niigata fuhr.
Insgesamt ein wirklich schöner Ausflug in eine der weniger besuchten Regionen Japans. Wenn die Bahnbetreiber sich entscheiden, wieder günstige Tickets zu verkaufen, würde ich auf jeden Fall wieder in einen Ort dieser Größe fahren. 🙂
“Als der Shinkansen aus einem Tunnel kam, war plötzlich alles um mich herum weiß.” Dieser Satz erinnerte mich an den Roman”Schneeland 雪国” von KAWABATA, Yasunari (erster Literaturnobelpreisträger Japans) und Deine Berichte sind genauso beeindruckend wie der Roman. Und Du machst tolle Bilder. Rücksicht auf ausländische Touristen in Niigata ist natürlich so eine Sache, Niigata ist doch nicht Kyoto oder Miyajima. Dennoch, zum Beispiel in USAmerika, auch in den Touristenhochburgen wie Freiheitsstatue etc., werden keine Rücksicht auf Touristen genommen. Alles nur auf US-Englisch. Vielen Dank für Deinen Bericht.