Wie es der japanische Fernverkehr besser macht als die DB.

Vor einigen Wochen sah ich auf meinem Instagram-Feed eine Nachricht, die mich nur mit dem Kopf schütteln ließ: Nur 2% der Bahnen im Fernverkehr in Deutschland verspäten sich um mehr als eine Stunde! Nur zwei Prozent!

Nun sind japanische Bahnen auch nicht immer pünktlich, vor allem im Nahverkehr muss man wegen der hohen Nutzerzahlen und der engen Taktung vor allem am Morgen schon mal etwas mehr Zeit einplanen. Im Fernverkehr trifft das Klischee von der pünktlichen japanischen Bahn aber absolut zu.

Japanische Pünktlichkeit

Erst einmal zur Einordnung: Der japanische Shinkansen ist in etwa mit dem deutschen ICE vergleichbar. Der Shinkansen verspätet sich im Durchschnitt um 0,2 Minuten, oder zwölf Sekunden. Nur 67,6% der ICEs sind pünktlich – und “pünktlich” heißt bei der Deutschen Bahn “unter sechs Minuten Verspätung”.

Dabei fahren die Shinkansen auf den geschäftigsten Strecken, z.B. zwischen Tokyo und Osaka zu Hauptverkehrszeiten alle drei Minuten und sind allein daher schon sehr störungsanfällig. Wie schaffen sie es, die Verspätungen so gering zu halten?

Das Streckennetz

Shinkansen fahren auf ihren eigenen Strecken. Störungen im restlichen Verkehr machen ihnen deswegen gar nichts aus.

Die Shinkansenstrecken sind über lange Abschnitte auch so weit abgeschirmt und abgesichert, dass sich nichts und niemand auf die Strecke verlaufen kann um bei Höchstgeschwindigkeiten von 320 km/h einen Unfall und somit Verspätungen zu verursachen.

Insgesamt ist das Schienennetz in Japan um etwa 11.000 km oder fast 30% kürzer als in Deutschland. Japan ist ein recht schlankes aber langes Land, was das Streckennetz simpler gestaltet. Statt, wie in Deutschland, ein Netz spannen zu müssen, reicht ein langer Strang mit einigen wenigen Abzweigungen aus um die bevölkerungsreichsten Regionen abzudecken.

Die gestrichelten Linien sind noch nicht fertiggestellt (Quelle)

Die Instandhaltung

Oft stöhnen Ausländer darüber, dass in Japan nachts keine Bahnen mehr fahren. Wer die letzte Bahn verpasst hat, muss entweder die Zeit bis zu ersten Bahn irgendwie rumkriegen oder in den sauren Apfel beißen und ein Taxi zahlen.

Diese Zeit, in der nachts nichts fährt, nutzden die Streckenbetreiber, um die Strecken zu überprüfen und gegebenenfalls zu reparieren. Während es in Deutschland unglaublich viele Baustellen gibt, weil erst saniert wird, wenn es wirklich nicht mehr anders geht, werden die Strecken in Japan kontinuierlich ausgebessert.

Die Kosten

Der Fairness halber muss man aber zugeben, dass eine Fahrt mit dem Shinkansen sehr teuer ist. Für die 515 km zwischen Tokyo und Shin-Osaka blättert man 14.720¥ (derzeit etwa 90€) hin. Ohne den Shinkansen kostet die Strecke noch immer etwa 9.000¥ (ca. 55€), statt zweieinhalb Stunden dauert es dann aber über neun. Am günstigsten sind Fernbusse, nach Osaka geht es ab etwa 4.000¥ (ca. 25€). Da mir mein Rücken aber lieb ist und ich inzwischen mehr Geld als Zeit habe, ist der Shinkansen für mich immer die erste Wahl.


Natürlich ist auch der Shinkansen nicht perfekt, bei Starkregen saß ich auch schon einmal 80 Minuten in einem fest. Aber für gewöhnlich kann ich mich voll und ganz auf den Shinkansen verlassen.

Beim Nahverkehr sieht das durchaus anders aus. Aber immer noch nicht so schlimm wie in Deutschland. 😀

Mehr: Tokyoter Berufsverkehr und das Märchen von der sich nie verspätenden Bahn.

4 Gedanken zu „Wie es der japanische Fernverkehr besser macht als die DB.

  1. Franja sagt:

    Naja, es macht den Vergleich noch lächerlicher, wenn man bedenkt, dass bei den ICEs nur die tatsächlichen Verspätungen gezählt werden. Fällt ein Zug aus oder überspringt einen Bahnhof, kehrt zu früh wieder um, zählt das nicht in die Statistik. Sie winden sich und beschönigen ihre Zahlen wo immer es auch geht.
    Und preislich tut sich trotzdem nichts, wenn man den ICE zum Vollpreis betrachtet. Da ist man auch mit 60 bis 80 € dabei, je nachdem welche Strecke man fahren will. Es kommt nur günstiger, wenn man noch das Sparpreiskontingent ausschöpfen kann.

    Ich für meinen Teil fahre gerne mit dem 49€ mit dem Nahverkehr, auch längere Strecken. Die gleichen Probleme aber dafür (weil ich das Ticket so wie so habe) quasi umsonst. 😀

    Liebe Grüße nach Japan

  2. Holger Drechsler sagt:

    Danke für diesen Blogeintrag. Zu dem Kommentator oben muß ich noch hinzufügen, dass es des inzwischen des öfteren bei der Bahn so gemanagt wird, dass bei einer erheblichen Verspätung der Zug einfach irgendwo zwischendurch an einem Bahnhof endet und gleich wieder zurück fährt, damit dieser Zug wenigstens bei der Rückfahrt pünktlich ist. Die anderen Zielbahnhöfe werden dann einfach gestrichen. Das zeigt uns auch, dass zu wenig rollendes Material vorhanden ist. Hier muss ich noch mal einen meiner schönsten ICE Ansagen zum Besten geben. ” Unser Zug verspätet sich noch um einige Minuten weil der Zug, der unseren Lokführer bringt, ebenfalls Verspätung hat.” Und das zeigt wiederum mit welchen Personalschwierigkeiten die Bahn zu kämpfen hat.”

  3. Rumpelstilzchen sagt:

    Gestern, stand der Zug einfach so 15 Minuten zwischen zwei Bahnhöfen. “Ohne Ansage”. Das ist hier ganz normal, leider.

  4. Gundi sagt:

    Oh ja, ich hatte mal vor, äh 30 Jahren im Shinkansen eine Verspätung auf der Strecke von Tokyo nach Nagasaki von sagenhaften zwei Minuten mit gefüllt stundenlangen Entschuldigungen. Das fanden wir schon damals sensationell, inzwischen erlebe ich bei uns nur noch resignatives Schulterzucken. Reservieren habe ich mir nahezu abgewöhnt weil man einfach den früheren Zug nimmt, der entsprechend Verspätung hat oder halt irgendeinen, der gerade kommt.
    Nur die Nachtzüge fahren nach meinen Eindruck ziemlich verlässlich jedenfalls zwischen Wien und Hamburg (meine Tochter lebt in Wien, daher nutzen wir alle häufiger die Nachtzüge ).
    Leider ein ziemliches Desaster und angesichts der Erfordernisse wirklich schlimm.

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