In Deutschland werden historisch wertvolle Gebäude oftmals am ursprünglichen Standort erhalten. In Japan wird da ein wenig rabiater vorgegangen, außer Tempeln und Palästen wird hier wenig für die Ewigkeit gebaut. Dennoch gibt es natürlich auch hier ein Interesse daran, Architekturgeschichte zu bewahren.
In diesem Sinne werden im Süden Tokyos im Edo-Tokyo Open Air Architectural Museum 30 ganze Gebäude, die nach dort verfrachtet wurden, ausgestellt.
Mehr: Das Edo-Tokyo Open Air Architectural Museum.
Doch das geht noch größer, man muss nur eineinhalb Stunden mit dem Shinkansen von Tokyo nach Nagoya fahren.
Im Meiji-Mura (明治村), mit Bus und Bahn etwa eine Stunde vom Bahnhof Nagoya entfernt in der Stadt Inuyama, stehen ganze 61 historische Gebäude auf einem riesigen Gelände. Das ist dermaßen weitläufig, dass sich der Kauf eines Tickets mit Tagesfahrkarte für die verschiedenen Fahrzeuge im Museum lohnt. Neben einem Bus, der einen schnell von A nach B bringt, kann man dann auch mit echten historischen Dampfloks und Straßenbahnen fahren.
Wir waren anfangs ein wenig orientierungslos ob der schieren Ausmaße des Museums. Gehen wir zuerst zum alten Regierungsgebäude der Präfektur Mie oder zu einer der zwei kompletten Kirchen? Altes Krankenhaus des Roten Kreuzes oder altes Gefängnis oder altes Postamt (komplett mit funktionierendem Postschalter)? Oder vielleicht doch das alte Wohnhaus von gleich zweien der bekanntesten japanischen Autoren, Natsume Sōseki (夏目漱石) und Mori Ōgai (森鴎外)?
Die Auswahl ist einfach überwältigend.
In den Gebäuden befinden sich meist viele Info-Tafeln (auf Japanisch), die historischen Kontext geben.
Wenn man Lust hat, kann man sich auch einen historischen Kimono anziehen und Fotos machen lassen oder an einem Rätselspiel mit über den Museumspark verteilten Hinweisen teilnehmen. Langweilig wird es auf jeden Fall nicht.
Wir kamen erst am Morgen unseres Besuchs überhaupt auf die Idee nach Nagoya zu fahren, und waren entsprechend unvorbereitet und auch ein wenig unter Zeitdruck, weswegen wir längst nicht alles sehen konnten.
Meinem Mann, der übrigens Architektur studiert hat, war besonders der ausgestellte Teil des alten Kaiserlichen Hotels von Frank Lloyd Wright, das einst in Tokyo stand, wichtig. Weil es nicht auf genug Gäste ausgelegt war, wurde es 1968 abgerissen. Zum Glück hatten sich damals viele Leute dafür engagiert, zumindest Teile zu erhalten, und so kann man jetzt die Lobby des Hotels in Inuyama bestaunen.
Ich fand einfach die gesamte Atmosphäre sehr schön. Das Museum liegt mitten im Grünen an einem Hang. Mit ein wenig mehr Zeit, und wäre es nicht so schrecklich heiß gewesen, hätten wir dort sicher stundenlang einfach entspannt spazieren können.
Diesmal war unser Sohn nicht dabei, aber ich denke, das Architekturmuseum ist auch für Kinder spannend. Nicht nur wegen der Dampfloks und Straßenbahnen, sondern auch, weil es draußen ist und man so viel rennen und laut sein darf, wie man möchte. Auch für Eltern durchaus entspannend. 😉
Nagoya hat den Ruf eher langweilig zu sein und viele Japanbesucher fahren auf ihrem Weg nach Kyoto nur mit dem Shinkansen durch. Ein wenig Recherche zeigt aber, dass die Stadt vor allem für Familien mit Kindern viel zu bieten hat. Wir fahren auf jeden Fall im Dezember noch einmal hin, zu dritt! 🙂
Sehr schöm! Nächstes Besuchsziel für mich schon klar. Überall steht, dass das Hotel von F.L.Wright abgerissen wurde, nirgens konnte ich bisher lessen, dass man immerhin die Lobby noch sehen kann.
Wie eine Zeitreise durch Architekturgeschichte! Dein Beitrag über das Meiji-Mura bringt Geschichte im Maßstab 1:1 zum Leben. Diese historischen Bauten sind wirklich ein Schatz. Danke für die faszinierende Reise in die Vergangenheit!