Bonsai, Karaoke, Tsunami: Es gibt einige Worte im Deutschen, die aus dem Japanischen kommen. Zwei, bei denen es die wenigsten wissen, sind Bonze und Rikscha. Während der Bonze sich von dem Wort für Mönch, Bōzu (坊主) ableitet, ist Rikscha ein Teil des Wortes Jinrikisha (人力車). Das Wort bedeutet wortwörtlich Mensch-Kraft-Gefährt.
Die Rikscha in ihrer heutigen Form gibt es seit den 1870er Jahren. Sie verbreitete sich nach der Öffnung des Landes (von 1639 bis 1854 hatte sich Japan bis auf wenige Ausnahmen vom Ausland abgeschottet), weil die traditionellen Transportkörbe (Kago 駕籠) für Ausländer zu klein waren. Es gibt Unklarheiten darüber, ob die moderne Rikscha von Amerikanern oder Japanern erfunden wurde.
1871 gab es in Tokyo bereits 40.000 Rikschas. Sie waren wendiger und schneller als die Transportkörbe und günstiger als Kutschen und damit ein beliebtes Transportmittel innerhalb der Städte. Für Interessierte empfehle ich den Film “Zakuro-Zaka no Adauchi” (柘榴坂の仇討), in dem ein Rikschafahrer eine der Hauptrollen spielt.
Mehr: Filmzeit: Rache auf dem Granatapfelhügel.
Die Zahlen der Rikschas gingen zurück, je weiter sich der Individualverkehr ausbreitete. Außerdem wurde 1927 die erste U-Bahnstrecke des Landes eröffnet, was es den Tokyotern einfacher machte, sich durch die Stadt zu bewegen.
Heute nutzt niemand mehr Rikschas als Taxi-Ersatz, sie sind eigentlich ausschließlich an touristischen Orten aufzufinden. In Tokyo warten die meisten in Asakusa auf Kunden.
Letztens hatte ein Kumpel von mir Geburtstag und wir beschlossen, zur Feier des Tages mal Rikscha zu fahren. Einfach, weil wir es beide noch nie vorher getan hatten. Das Fazit vorweg: Es hat wirklich Spaß gemacht. 🙂
An der Kaminarimon-Dōri (雷門通り), der großen Straße vor dem Sensōji-Tempel (浅草寺) muss man eigentlich nur kurz stehen, um von einem Rikscha-Fahrer angesprochen zu werden. Wenn nicht, steht aber auch jeden Meter einer. Die Preise scheinen überall gleich zu sein: Für eine 30-minütige Fahrt haben wir zu zweit 10,000 ¥ (ca. 64 €) bezahlt. Es gibt verschiedene Routen, wir haben uns durch das alte Vergnüngungsviertel westlich vom Schrein fahren lassen.
Unser Rikscha-Fahrer (auf Japanisch Shafu 俥夫) ist bereits seit über 20 Jahren im Geschäft und hat uns sicher durch den Verkehr bugsiert. Die Rikschas fahren auf ganz normalen Straßen, was mich erst etwas mulmig gemacht hat. Die Form der Gefährte hat sich seit damals kaum verändert, nur die Räder sind jetzt luftbereift. Es war erstaunlich bequem, wenn auch ziemlich eng. Wer etwas breiter gebaut ist, kann sich wahrscheinlich keine Rikscha teilen.
Nun war unser Ziel natürlich nicht, einfach durch Asakusa gefahren zu werden. Unser Fahrer war eine absolute Quelle des Wissens über den Bezirk, das er auch fleißig mit uns geteilt hat.
Asakusa war die erste richtige Amüsiermeile des Landes. Neben dem ersten Kino Japans stand dort damals auch das höchste Haus des Landes – mit dem ersten Fahrstuhl. Den ältesten Freizeitpark Japans gibt es noch immer. Die älteste Bar ist auch noch immer in Betrieb. Das legendäre Theater, in dem Beat Takeshi seine ersten Schritte machte, und das im Film “Asakusa Kid” eine große Rolle spielt, steht auch noch. Zu jedem Ort wurden uns Ankdoten erzählt. Wie z.B. das der erste Fahrstuhl des Landes auch ziemlich viel kaputt war, weswegen alle Treppen steigen mussten. Um das angenehmer zu gestalten, wurden Bilder hübscher Frauen in die Gänge gehangen und man konnte seine Stimme für die Schönste abgeben. Der Beginn der Miss-Wahlen in Japan?
An allen wichtigen Orten wurde kurz angehalten um Fotos zu machen. Apropos Fotos: Seit die sozialen Medien so verbreitet sind kommen wohl auch mehr junge Japaner nach Asakusa. Tatsächlich waren viele unterwegs, auch im Kimono, den man dort an jeder Ecke leihen kann.
Da Asakusa auch bei ausländischen Touristen ein beliebtes Ausflugsziel ist, gibt es auch einige Rikscha-Fahrer, die Englisch sprechen. Einfach nachfragen! 🙂
Die 30 Minuten Fahrt waren einerseits wie im Flug vorbei, aber irgendwie auch genau die richtige Länge. Es ist natürlich ein ziemlich kostspieliger Spaß (obwohl, bei dem Kurs des Yens im Moment…), aber ich würde dasselbe auch noch einmal woanders machen. In der Nähe Tokyos kann man auch Yokohama, Kamakura und Kawagoe von einer Rikscha aus erleben.
Mehr: Ein Abend in Yokohama.
Mehr: Kurz raus: Kamakura.
Mehr: In Kawagoe.
Übrigens bei weitem kein Geheimtipp aber trotzdem einer Erwähnung wert ist die Aussichtsplattform im 8. Stock der Touristeninformation vor dem Kaminarimon. Von dort hat man einen guten Blick über das Viertel. 🙂
Ich glaube, der Filmlink oben tuts nicht 😉
Spannende Sache jedenfalls mit der Rikscha, ich weiß aber nicht, ob ich mich das trauen würde als Tourist…
Danke für den Hinweis, habe den Link ausgetauscht. 🙂
Wenn nicht als Tourist, wer dann?!