Osaka zwischen Tempeln und Amüsiermeile.

Osaka ist die zweitbevölkerungsreichste Stadt Japans, seit einigen Jahren auch auf dem Schirm vieler Touristen und ich hatte es dennoch in meinen vielen Jahren in Japan noch nicht dorthin geschafft. Bis ich Ende Oktober mit einer Freundin zwei viel zu kurze Tage lang die Stadt unsicher gemacht habe. 🙂

Genau genommen war ich schon einmal in Osaka gewesen. Damals hatte sich die deutsche Botschaft aus Tokyo nach Osaka verkrümelt, weil sie Angst vor Strahlung nach dem großen Erdbeben in Nordjapan hatte. Ich brauchte nach meiner Heirat aber Dokumente von der Botschaft und fuhr deswegen nach Osaka. Da mein Mann kein großer Osaka-Fan ist (es besteht eine gewisse Rivalität zwischen Tokyo und Osaka), fuhren wir aber statt Osaka zu erkunden lieber nach Nara. Zum Glück hat mich meine Freundin gefragt, ob ich nicht Lust auf Osaka hätte, sonst hätte das wahrscheinlich auch die nächsten zehn Jahre nicht geklappt

Mit dem Shinkansen dauert es von Tokyo bis Osaka nur zweieinhalb Stunden, am Fuji und Kyoto vorbei. Der Bahnhof Shin-Osaka liegt ein klein wenig außerhalb, aber die Stadt ist hervorragend mit der Bahn zu erkunden. Das liegt auch daran, dass die meisten touristisch interessanten Orten auf einer einzigen Bahnlinie liegen: Der Midōsuji Line (御堂筋線 Midōsuji-sen). Übrigens: In Osaka (und den meisten anderen Orten Japans) kann man die Suica- oder Pasmo-Bahnkarten aus Tokyo verwenden.

Die Erkundungstour begann für uns am Bahnhof Tennōji (天王寺). Nachdem wir unsere Koffer verstaut hatten, liefen wir ein paar Minuten, am Tennōji-Park (天王寺公園 Tennōji-Kōen) vorbei, um einen der ältesten japanischen Tempel zu besuchen.

Der Shitennō-Tempel (四天王寺 Shitennō-ji) oder Tempel der vier Himmelskönige besteht seit dem Jahr 593, er wird in einem der ältesten japanischen Geschichtsbücher erwähnt.

Ein Großteil der Gebäude wurde durch verschiedene Naturkatastrophen und Feuer zerstört und wieder aufgebaut, und nach der weitgehenden Zerstörung im zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude zwar im alten Stil aber aus Beton wiedererrichtet.

Einige Bestandteile des Tempels sind aber älter, eines der Tempeltore wurde 1294 errichtet. Die schiere Größe der Anlage und die einzelnen Gebäude erinnerten mich sehr an den Tōdai-Tempel (東大寺 Tōdai-ji) in Nara. An einem Wochentag muss man hier auf jeden Fall keine Angst haben, von anderen Besuchern erdrückt zu werden.

Mehr: Nara: Die ganzen typischen Sehenswürdigkeiten.

Den äußeren Teil des Tempels kann man kostenlos besuchen, wer den inneren Tempel sehen will, muss 300¥ Eintritt zahlen. Dafür kann er dann aber auch wunderschöne historische Wandmalereien und goldene Buddha-Figuren bestaunen.

Zu der Tempelanlage, der übrigens allen japanischen Buddhismus-Strömungen zählt, gehört übrigens auch eine Mädchen-Mittel- und Oberschule.

Auf unserem Weg hatten wir einen kleinen grünen Schrein gesehen, den ich mir näher ansehen wollte. Der Horikoshi-Schrein (堀越神社 Horikoshi-Jinja) ist um ein vielfaches kleiner als der Shintennō-Tempel und auch die Atmosphäre ist eine ganz andere.

Der Horikoshi-Schrein ist (laut Google) dafür bekannt, dass er Wünsche erfüllt. Da ich mir eigentlich ständig wünsche, einer Katze über den Weg zu laufen, würde ich das komplett unterschreiben. Auf dem Schreingelände leben mehrere Straßenkatzen. 🙂

Ein kurzer Abstecher durch den Tennōji-Park führte uns zu einem weiteren Tempel, dem Isshin-Tempel (一心寺 Isshin-ji).

Der Isshin-Tempel ist für seine Knochen-Buddhas bekannt. Das sind Abbildungen Buddhas, aus einer Mischung aus zerbrochenen Knochen (Asche) und Ton hergestellt. Sechs dieser Figuren wurden im Krieg zerstört, aber seitdem wurden bereits sieben neue erstellt – Jede beinhaltet Asche von etwa 150.000 Menschen.

Einerseits wirkt das auf mich etwas bizarr, andererseits war der Tempel auch dafür bekannt, die Urnen von Menschen anzunehmen, die um deren Gräber sich keiner kümmern konnte oder wollte. Inzwischen ist diese Praxis wohl eingeschränkt worden.

Wir fanden die Atmosphäre im Isshin-Tempel irgendwie gruselig. Fragt mich nicht, warum, aber wir hielten uns dort nicht lange auf.

Sowieso war unser Ziel ein anderes gewesen: Shinsekai (新世界) rief unsere Namen! 😀

Das Gelände, ursprünglich Reisfelder, wurde für 1903 eine nationale Expo verwendet und danach als neuer Touristenort weitergenutzt. Kurzzeitig befand sich dort auch Vergnügungspark und kurz darauf wurde der erste Tsūtenkaku-Turm (通天閣) erbaut. Nach einem Feuer während des zweiten Weltkriegs wurde der Turm, statt wieder aufgebaut zu werden, als Quelle für Stahl für die Rüstungsindustrie verwendet. Erst auf Bestrebungen der Einwohner nach dem Krieg wurde ein neuer Turm gebaut, größer als der alte.

Shinsekai gilt als eine der ärmsten Nachbarschaften Japans. Für Japaner ist die Gegend auch der Inbegriff der Kriminalität. Ich musste meinem Mann hoch und heilig versprechen, nur tagsüber dorthin zu gehen.

Generell ist Osaka ein wenig mehr wie Berlin als Tokyo. Vor allem die Bahnhöfe haben mich an die deutsche Hauptstadt erinnert. Es ist alles ein wenig weitläufiger, dafür aber auch dreckiger. Die Menschen sind herzlicher und wirkten beseelter als in Tokyo (was nicht schwer ist), die Kehrseite dieser größeren Freiheit ist dann eben auch, dass die Stadt nicht überall so geleckt aussieht, wie Tokyo.

Generell gelten die Menschen in Osaka als lustiger, bissiger und vor allem nicht so zugeknöpft wie die Tokyoter. Ihr Dialekt ist der Standard-Humor-Dialekt in Japan. Jemand hatte mich gefragt, ob ich da Probleme mit dem Verständnis hätte, aber der Dialekt ist auch in den Medien immer dermaßen präsent, dass ich da gar keine Probleme hatte. 🙂

Als ich meinem Mann erzählte, dass ich die Leute in Osaka super angenehm fand, war er sehr verwirrt. Das passte nicht zu seinem Vorurteil, dass die Menschen dort einen sofort doof anmachen würde, wenn sie wüssten, dass man aus Tokyo kommt. Dabei hat er natürlich total vergessen, dass niemand auf Anhieb sieht, dass ich aus Tokyo komme. Meine Freundin stammt ursprünglich aus Hiroshima.

Ein klein wenig unnützes Wissen, bevor dieser Artikel schon wieder vorbei ist: In Shinsekai trifft man häufig auf goldene Statuen von dämlich grinsenden Kobolden. Das ist Billiken, eine ursprünglich aus Amerika stammende Figur und “Gott der Dinge, wie sie sein sollten”. Es soll Glück bringen, seine Fußsohlen zu reiben. 🙂


Beim nächsten Mal geht’s um ein weiteres Wahrzeichen Osakas und wie uns das sehr wechselhafte Wetter auf Trab hielt. 🙂

Ein Gedanke zu „Osaka zwischen Tempeln und Amüsiermeile.

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