Ich: Opfer der Manga-Industrie.

Es gibt einen Manga, von dem ich vier Ausgaben habe.

Nicht etwa verschiedene Bände. Es ist alles derselbe Band. Einer ist sogar noch eingeschweißt. Dabei kaufe ich normalerweise doch wenn dann nur digital.

Ich bin Opfer der japanischen Extra-Industrie geworden.

Viele Manga werden mit einem Extra oder einer Prämie verkauft. Auf Japanisch heißt das Tokuten (特典).

Es gibt verschiedene Arten von Extras. Meist sind es eine bis mehrere Seiten zusätzlicher Manga, manchmal sind es Postkarten, manchmal Spezialdrucke. Manchmal gibt es nur eine Version, in der ein Extra enthalten ist. Meist gibt es aber mehrere. Zur Illustration ein ganz zufälliges Beispiel, das absolut nichts mit den vier Ausgaben, die ich gekauft habe, zu tun hat:

Zum Manga “Aien Catharsis” (逢縁カタルシス) der Künstlerin Ōshima Kamome gab es bei der Mangaladen-Kette Animate eine Broschüre mit vier Seiten Manga dazu. Beim Online Shop Horin Love Books gab es auch vier Seiten Manga dazu – aber einen anderen. Auch beim Online Shop Comicomi Studio bekam man vier Seiten Manga extra – wieder einen anderen. Bei Toranoana gab es eine Seite dazu. Bei Mangaten, die oft Events mit Künstlern veranstalten, konnte man ein Shikishi mit einer Illustration kaufen – Wenn man bei der Verlosung Glück hatte. Shikishi sind viereckige Pappen, die u.a. für Autogramme verwendet werden. In der Digital-Version bekommt man eine Seite extra – oder zwei, wenn man ihn bei der Website des Magazins, in dem der Manga ursprünglich erschien, kauft.

Das bedeutet, dass man, wenn man alles haben wollen würde, den Manga sechs mal kaufen müsste. Seht ihr, ich verfüge doch über Selbstbeherrschung! Zwei habe ich nicht gekauft. Obwohl ich zugeben muss, dass ich schon gern wüsste, was bei der Toranoana-Version dabei war.

Nach Deutschland schaffen es diese Extras nicht, es wird, soweit ich das in Erfahrung bringen konnte, die reguläre Papier-Version übersetzt. Das ist einerseits natürlich für alle deutschen Fans schade, andererseits bleiben die Extras so etwas Besonderes. 🙂

Bei diesem einen Manga gibt es sogar noch ein Extra: Wenn man einen Coupon vom Manga-Umschlag ausschneidet und an den Verlag sendet, bekommt man im Herbst eine weitere Illustration zugeschickt. Bis dahin werde ich es sicher vergessen haben, aber ich freue mich schon darauf.

Ach, und weil ich diesen Manga so toll fand, dass ich viel zu viel Geld für ihn ausgegeben habe, ein kleines Review!

逢縁カタルシス

Aien Catharsis

Von Ōshima Kamome

In Japan bei Core Magazine erschienen

Es gibt nur einen Band

In Osaka stellt der Drogist Inami einen neuen Fahrer aus Tokyo an, der durch das große Erdbeben 1923 seine Arbeit verloren hat. Die direkte Art seines Fahrers Kondō ist ihm gleich sympathisch und die beiden freunden sich langsam an. Eines Tages liest Inami Kondōs Tagebuch und erfährt so von Kondōs Gefühlen ihm gegenüber. Doch als er Kondō beichtet, sein Tagebuch gelesen zu haben, ist der eigenartig unberührt – Vielleicht hat Inami ja doch alles falsch verstanden?

Die 1920er sind eine unglaublich spannende Zeit in der japanischen Geschichte. Der westliche Einfluss kommt beim normalen Volk an (Japan schottete sich bis 1854 vom Rest der Welt ab) und die Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Das Land wird demokratisch, Frauen beginnen zu arbeiten, und die rauschenden 20er bringen ungeahnte Freiheiten.

Vor diesem Hintergrund erzählt Ōshima Kamome in unaufgeregten wunderschönen Bildern von einer Männerfreundschaft die – natürlich – mehr wird. Wir befinden uns schließlich in der Welt von Boys’ Love. Es gibt Stellen zum Schmunzeln und welche zum Schmelzen. Für mich bisher der schönste Manga des Jahres und ich hoffe, dass Ōshima und ihr Verlag den vielen Bitten nach einer Fortsetzung nachkommen.

Ich kaufe auch wieder vier Exemplare.

Mehr: Drei Mangas mit Boys’ Love drin.

5 Gedanken zu „Ich: Opfer der Manga-Industrie.

  1. Jet001 sagt:

    In Österreich (Deutschland) gibt es bei den Erstausgaben der Mangas oft auch Extras, wie Sticker, Postkarten, Extrahefte, oder Diaramas. Einmal hatte ich eine Plexiglasfigur dabei.

  2. Jet001 sagt:

    Kaufe aber bei einem kleinen Händler, vielleicht ist es bei großen Ketten anders. Auch sind in den Mangas selber oft Bonuseiten am Ende, aber ob die in der japanischen Version auch schon vorhanden waren kann ich nicht sagen.

    • Claudia sagt:

      Diese Extra-Seiten sind immer da. Manga erscheinen erst als einzelne Kapitel in Magazinen, die Bonusseiten am Ende werden extra für die Mangabände gezeichnet. Wenn ich drüber nachdenke, gibt es auch in Japan immer mal Extras für die Erstausgaben, wahrscheinlich sind es dann die, die übernommen werden. Die händlerspezifischen Extras bleiben wahrscheinlich in Japan.

  3. Rumpelstilzchen sagt:

    大正デモクラシーZeit. Ein sehr spannender Zeitabschnitt. Vielleicht sogar demokratischer als das heutige Japan?

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