Vor inzwischen fast einer Woche stiegen wir um halb sieben Uhr morgens in den Shinkansen und fuhren dreieinhalb Stunden nach Okayama. Innerhalb Japans ist für mich die Grenze des per Bahn zu Erreichenden im Süden bei Yamaguchi (südlich von Hiroshima) und im Norden bei Aomori, wo wir im Winter waren. Alles innerhalb dieser Grenzen kann mit der Bahn umweltfreundlich und vor allem auch für meinen Körper viel verträglicher erreicht werden ohne zu viel Zeit zu opfern. Ich bin kein großer Fan von Flügen.
[irp posts=”9419″ name=”Okayama: Kurashiki.”]
Von Okayama fuhren wir mit dem Bus nach Uno und stiegen in die Fähre nach Naoshima (直島). Naoshima ist auch bei ausländischen Touristen sehr beliebt, mit uns an Bord waren vor allem viele Franzosen.
Nach einer recht kurzen Fahrt auf Naoshima angekommen, besorgten wir uns sofort Fahrräder. Meine Schwiegereltern waren schon einmal auf Naoshima gewesen und hatten uns dringend geraten, Fahrräder mit Elektromotor auszuleihen. Teils geht es auf der Insel ziemlich steil bergauf, da hilft ein wenig Unterstützung.
Naoshima ist nicht nur eine schöne Insel am Seto-Inlandsee, sie ist die Kunstinsel Japans. Für Fans des japanischen Architekten Tadao Ando (安藤 忠雄) gibt es nicht ein, nicht zwei, nicht drei, sondern ganze vier Museen bzw. Kunstinstallationen, die von ihm entworfen wurden. Wir haben uns so einiges angesehen, obwohl wir sicher auch noch einmal hinfahren könnten.
Da wären zum Beispiel die Häuser des Art House Projects (家プロジェクト). Verschiedene Künstler haben sich sieben Gebäuden angenommen und sich in ihnen künstlerisch entfaltet. Weil wir zwei Kombitickets für sechs von sieben gekauft hatten, sahen wir uns natürlich auch genau diese sechs an. Man muss es ja auch nicht übertreiben. 😉
Besonders gut gefallen hat uns das Haisha (はいしゃ Zahnarzt), eine ehemalige Zahnarztpraxis, die jetzt eine Installation über Träume enthält; das Ishibashi (石橋), in dem ehemals eine reiche Familie gelebt hat, und in dem jetzt Bilder ausgestellt sind; und der Minamidera (南寺) von Tadao Ando, in dem in einer Installation von James Turrell mit dem Sehsinn gespielt wird.
Leider darf man in den meisten Häusern nicht fotografieren, aber ich wollte euch trotzdem ein paar Fotos zeigen. Die Verbindung zwischen der Umgebung, also den umliegenden Häusern und der Natur, und der Kunst fand ich überall sehr gut gelungen. Insgesamt sind die Installationen alle sehr unaufgeregt. Da es nicht übermäßig voll war, konnten wir uns auch alles in Ruhe ansehen und auf uns wirken lassen.
Erstaunlicherweise passt auch die moderne, dunkle Architektur der Gebäude, die nicht von vornherein bestanden, ausgesprochen gut zu dieser Insel.
Das populärste Motiv ist ohne Frage dieser gelbe Kürbis der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama (草間 彌生). Er steht in der Nähe eines der großen Museen auf der Insel, dem Benesse House Museum. Dieses selbst ist eine typische Tadao-Ando-Betonkonstruktion, in ihm sind verschiedenste Bilder und Objekte ausgestellt. Am schönsten gefiel mir das Große Bild “Yellow and Black Boats” der Künstlerin Jennifer Bartlett. Es befindet sich direkt vor einer großen Glaswand und einem kleinen Außenbereich. Wenn man sich in diesen begibt und die Landschaft betrachtet, sieht man etwas entfernt einen Strand mit zwei Boten, die wie auf dem Bild angeordnet sind.
Die Museumsanlage beeinhaltet nicht nur das Museum an sich, sondern auch ein Hotel und weitere sich im Außenbereich befindende Kunstwerke.
Vor unserer Weiterreise von Naoshima wollten wir noch ein anderes Museum besuchen, wir fuhren also mit unseren Fahrrädern bergauf und bergab, bis wir das Chichu Art Museum (地中美術館) erreichten. Auch dieses ist von Tadao Ando entworfen und hat eigenhändig die Meinung meines Mannes zu Ando geändert. Während er Ando sonst immer Betonfetischismus vorgeworfen hatte, schlug ihn dieses Gebäude in seinen Bann. Leider darf man, sobald man das Gelände betritt, keine Fotos mehr machen, aber die gibt es auf der oeben verlinkten Website. Das Gebäude befindet sich großteils unter der Erde, deswegen auch der Name: Chichū bedeutet “in der Erde”.
Das Gebäude beherbergt drei Ausstellungen: In einem Raum, den man nur mit Hausschuhen betreten darf werden sechs der Teichbilder von Claude Monet (wenn man in Japan lebt könnte man fast denken, dass Monet ausschließlich Bilder vom Seerosenteich gemalt hätte) gezeigt.
In einem weiteren, sehr viel größeren Raum, befindet sich die Installation Time/Timeless/No Time von Walter de Maria. Mit der mich sehr an eine Kirche erinnernden Atmosphäre konnte ich mich leider nicht so richtig anfreunden.
Die dritte Ausstellung zeigt Werke von James Turrell, dem Künstler vom Minamidera. Eines sieht aus wie ein großes blaues Viereck an der Wand, zu dem eine schwarze Treppe führt. Zusammen mit jemandem vom Museum kann man diese Treppe hinaufgehen und in das Viereck steigen. Klingt sehr unspektakulär, war aber eine meiner liebsten Installationen auf der ganzen Insel.
Wir fuhren zurück zum Hafen, mit Karacho die Hügel hinunter, den kühlen Wind auf der Haut. Auf der Fähre nach Takamatsu war es dann aber schon so kühl, dass wir uns unter Deck versteckten. Ein langer Tag mit vielen Eindrücken ging so mit dem Tuckern des Fährmotors fast zuende.
Naoshima ist eine wunderschöne Insel mit viel Natur und viel Kunst. Wenn man beidem nicht allzu abgeneigt ist, kann man dort sicher auch mehr als einen Tag verbringen. 🙂
Oh, das klingt toll, danke für diesen Bericht! Das kommt sofort mit auf meine Wunschreiseliste! 🙂
Wenn das Design stimmt, finde ich Betongebäude äußerst ansprechend.
Das hübscheste was ich bisher gesehen habe war, als sie spezielles Holz für die Verschalung benutzt haben, das einen Abdruck der Maserung in ihm hinterließ. Auf jeden Fall ist Beton meist interessanter als diese furchtbaren 0815 Plastikhäuser. Vor allem die Fassaden von Hebel finde ich grausam!