Von der Arbeitswelt meines Mannes.

(Dieser Beitrag ist nicht für alle in Japan arbeitenden gültig, sondern bezieht sich nur auf die Erfahrungen meines Mannes.)

Mein Mann hasst seine Arbeit. Jedes Mal, wenn wieder etwas schief läuft, wenn er sich wieder unglaubliche Überstunden gefallen lassen muss, wenn einfach nicht genug Leute da sind für die ganze Arbeit, fragt er mich, ob wir nicht einfach nach Deutschland ziehen könnten.

Bei ihm ist das immer eine Welle: Wenn ein neues Projekt beginnt ist erstmal alles gut, er kommt früh nach Hause und hat sogar das ganze Wochenende frei. Das läuft so lang gut, bis es nicht mehr gut läuft. Dann arbeitet er plötzlich von einem Tag auf den anderen 14 Stunden am Tag und kommt abends total geschafft nach Hause oder übernachtet gleich in einem Hotel. Wochenenden gibt es dann entweder gar nicht mehr, oder er hat nur einen Tag in der Woche frei.

An normales Familienleben ist dann eigentlich nicht mehr zu denken. Wir versuchen natürlich so viel Zeit wie möglich miteinander zu verbringen, aber letztendlich sind diese Tage und Wochen einsam. Es ist wie damals, als ich keine Arbeit hatte, und den ganzen Tag nur damit verbracht habe, auf ihn zu warten.

Derzeit heißt es, dass wir vielleicht doch nicht nach Kagoshima fahren können, weil es auf der Baustelle zu langsam voran geht. Das heißt, dass mein Mann seit Neujahr keinen Urlaub mehr hatte. Klar, mal hier einen Tag frei und mal dort, aber keinen, in dem man sich wirklich erholen könnte. Die Reise nach Kagoshima wäre eigentlich sein Sommerurlaub. Sommerurlaub im Oktober, oder vielleicht auch gar nicht. Dann wird getrickst, so getan als hätte er Urlaub gemacht und die gearbeiteten Tage als Überstunden abgerechnet, damit es bloß keinen Stress von der Gewerkschaft gibt.

Selbst bei mir auf Arbeit wird mit den Japanern ganz anders umgesprungen als mit den Ausländern. Wenn wir freinehmen wollen oder müssen, gibt es damit meist kein Problem. Wahrscheinlich auch, weil Nicht-Japaner im Notfall auch einfach freimachen würden. Wenn die japanischen Mitarbeiter freinehmen wollen, ist das nur selten möglich, obwohl natürlich auch sie einen Urlaubsanspruch haben.

Das geht mir, gelinde gesagt, komplett auf den Zeiger. Ich hoffe natürlich, dass es vor allem bei meinem Mann besser wird, er will jetzt aber vorsorglich Deutsch lernen. Das wäre auch nicht ganz schlecht wenn wir in Japan bleiben, schließlich möchten wir irgendwann ein Kind haben, das zweisprachig erzogen werden soll. Aber ohne mehr Freizeit für meinen Mann wird das erstmal auch nichts mit einem Kind und so befinden wir uns derzeit in einem Schwebezustand. Warten wir, dass sich etwas ändert? Siedeln wir über? Eigentlich habe ich keine Lust auf Deutschland… Also doch mal über die Gründung der Republik Teutschland nachdenken.

0 Gedanken zu „Von der Arbeitswelt meines Mannes.

  1. Anika sagt:

    Wenn ihr Teutschland gegründet habt, wir wären sicher eure ersten Bürger ^_-
    Ich lebe in Japan in meiner heilen Arbeitswelt, aber das “normale” japanische Arbeitsleben geht mir jetzt schon auf den Zeiger.. Dabei habe ich damit noch gar nicht soo lange was zu tun.

  2. anjifrosch sagt:

    Oh mann. Deshalb will ich auch gar nicht, dass mein Mann einen Salaryman job macht – sondern dass es mit unserer Selbstständigkeit klappt. Ich hab keine Lust das zukünftige Kinder ihren Vater nicht kennen 🙁

    • Claudia sagt:

      Wir müssen sehen was wir ändern können, damit das nicht passiert. Mein Mann will nämlich auch, dass er zukünftige Kinder auch unter der Woche mal zu Gesicht bekommt.

  3. zoomingjapan sagt:

    Kann auch bestätigen, dass die ausländischen Mitarbeiter mehr Vorteile auf der Arbeit haben. Normalerweise würde man das ja andersherum erwarten.
    Bei meinem letzten Job war es eine Selbstverständlichkeit, dass alle japanischen Mitarbeiter 6 Tage die Woche arbeiten und täglich Überstunden machen, während wir ein Wochenende hatten und ganz normal 8h am Tag gearbeitet haben.

    Ich befürchte, solange dein Mann nicht den Job wechselt oder ihr noch drastischere Maßnahmen angeht, wird sich da nichts ändern! 🙁

  4. Lio sagt:

    Genau wegen dieses miesen “Arbeitssystems” möchte mein Freund nie wieder zurück nach Japan. Er wünscht sich sehnlichst Kinder und will dann auch genügend Zeit haben, die er mit seiner Familie verbringen kann. Er weiß, dass es ihm in Japan wahrscheinlich nicht möglich wäre, pünktlich Feierabend zu machen und freie Wochenenden zu bekommen.
    Mit Engelszungen habe ich auf ihn einreden müssen, dass hier in Deutschland keiner von ihm erwartet, am Wochenende zur Arbeit zu erscheinen. Es hat ihn viel Überwindung gekostet, aber dann hat er sich irgendwann daran gewöhnt. Für ihn ist es ganz wichtig geworden, Samstag und Sonntag wirklich als Erholung und Ausgleich zu seinem sehr stressigen Job zu sehen und die Zeit zu genießen.
    Für einen Umzug nach Deutschland spräche meiner Meinung nach die Unterstützung, die man hier als Familie (Elterngeld, Kindergeld, Elternzeit für beide Partner), und gerade auch als Schwangere oder frischgebackene Mutter bekommt (medizinische Vor/Nachsorge, persönliche Hebamme, Kurse, wird ja alles von der KK übernommen. Und man denke nur mal an die Rechte als berufstätige Mutter oder wenn man wieder in den Job einsteigen will…).

    • Claudia sagt:

      Spricht dein Freund Deutsch? Bei uns ist das Problem, dass mein Mann wirklich keinen Funken Deutsch spricht. Außerdem habe ich irgendwie riesige Angst, dass wir plötzlich total abstürzen und am Existenzminimum leben… Es würde sicher alles irgendwie werden, aber der Punkt an dem ich auch “Jetzt reicht’s!” sage, ist noch nicht ganz erreicht.

      • Lio sagt:

        Mein Freund spricht sehr gut Englisch, und da er als Naturwissenschaftler arbeitet, ist das im Job völlig ausreichend. Sein Deutsch ist eher “gebrochen”, reicht aber für den Alltag aus (Dinge einkaufen, bestellen im Restaurant, auf die Ämter gehen usw…). Wenn dein Mann noch gar keine Deutschkenntnisse hat, ist das natürlich schwer. Da wäre an einen Umzug nur zu denken, wenn einer von euch beiden in Deutschland einen Job fest in Aussicht hat…ich kann deine Bedenken gut verstehen. Ich würde ohne Sicherheiten auch nicht einfach in ein anderes Land ziehen. Und einen Job aufzugeben, so ungern man ihn macht, ist immer ein Risiko.

        • Claudia sagt:

          Hach, da hat er einen Vorteil. Mein Mann spricht zwar Englisch, aber sehr gut ist anders. Deutsch wie gesagt gar nicht und ich habe nicht die großen Jobaussichten. Deswegen heißt’s im Moment abwarten…

  5. Cori-chan sagt:

    Bei uns ist das so das mein Verlobter eine höhere Position in seinem Job hat so das er Gott sei Dank…nicht diese Überstunden leisten muss wie ein Angestellter etc. Er muss zwar auch viel arbeiten und auch mal auf Geschäftsreise aber Wochenende hat er immer frei. Als ich das erste mal bei ihm war hat er sich sogar 3 Wochen am Stück frei nehmen können und ein bisschen was von zu Hause arbeiten können. Das geht natürlich auch nicht immer und war auch eine Ausnahme aber er kann sich sowas schon mal eher rausnehmen o. später ins Geschäft kommen wie ein “normaler Salaryman. Da er aber gerade dabei ist einen neuen Job zu suchen und sich bei einer der größten IT Firmen in Japan beworben hat, kann sich das dann auch ändern, sollte er den Job bekommen. Unter der Woche haben wir auch nicht viel Zeit aber die wenigen Stunden nutzt man dann auch viel intensiver.

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