Raus, die Welt entdecken: Jedes Jahr bewerben sich junge Deutsche um ein Working-Holiday-Visum. Das Programm ist leicht erklärt, wenn man bestimmte Voraussetzungen erfüllt bekommt man ein Aufenthalts- und Arbeitsvisum für gewöhnlich ein Jahr für Australien, Neuseeland, Kanada, Japan, Südkorea, Hongkong oder Taiwan.
Es ist ein unglaublich gutes Programm, das es jungen Leuten recht hürdenlos ermöglicht andere Länder jenseits eines Urlaubs kennenzulernen. 🙂
Es gibt sicher tausende verschiedene Gründe, warum sich jemand für ein Auslandsjahr entscheidet. Ich war einfach mit der Schule fertig und wusste nicht, was ich machen wollte. Außerdem war ich in Japan vernarrt. 🙂 Also sparte ich das benötigte Geld zusammen, bekam den Flug von meinen Eltern zum 18. Geburtstag geschenkt und landete am 30. Juli 2008 in Narita. In der schönsten Sommerhitze. Siehe: Wann ihr nicht nach Japan fliegen solltet.
Ausgangssituation, Claudia, Ende Juli 2008: JLPT N5, das ist der einfachste, knapp bestanden; noch nie allein gelebt; war noch nie in Japan; kenne zwei Leute in Tokyo; 2000€ in der Tasche. Eine Bleibe hatte ich mir vorher über’s Internet beschafft. Ich war also nicht unbedingt fantastisch ausgerüstet, Yoko von Lost in Japan hatte mehr Plan. 😉
Irgendwie hat es letztendlich trotzdem alles geklappt. Der größte Erfolg des Jahres war natürlich, dass ich meinen Mann kennengelernt habe. Es gab aber auch so einiges an Rückschlägen. Ich habe mal die Erfahrungen zusammengetragen, die für andere vielleicht hilfreich sein könnten. 😀 Lernt von meinen Fehlern!
In welche Stadt?
Gebt es zu, ihr wollt eh alle nach Tokyo oder Osaka. Vorteile: Es sind Tokyo und Osaka, es ist ständig was los, es gibt schon viele Ausländer. Nachteile: Es ist teuer, überfüllt und unübersichtlich. Ich komme aus Berlin, und sorry, aber im Vergleich zu Tokyo ist das ein Dorf.
Ich denke es spricht viel für kleinere Städte, wie Kobe, Nara oder Nagasaki. In Tokyo ist man einfach unglaublich anonym. Nun habe ich mich natürlich damals trotzdem für Tokyo entschieden und arbeite noch immer dort. Was ich sagen will ist, dass es andere Städte außer Tokyo und Osaka gibt, und dass sie es sicher wert sind, in die Auswahl miteinbezogen zu werden.
Unterkunft
Meine Unterkunft hatte ich mir im Internet rausgesucht und die Kaution aus Deutschland überwiesen. Für Ausländer ohne langfristiges Visum bleibt meist nur ein Guest House oder Share House, ein eben solches hatte ich mir ausgeguckt.
Das Positive zuerst: Es war wirklich nah am Bahnhof und lag praktisch auf der Chūō Line (中央線), ich hatte also einen guten Anschluss an die Stadt. Das Negative: Das Haus war unglaublich alt. Die Toilette auf demselben Stockwerk musste ich mir mit sechs anderen Leuten teilen. Die total verdreckte Dusche war nur zu erreichen indem man die Treppe hinunterging, das Haus verließ und im Erdgeschoss wieder hineinging. Es gab Kakerlaken*. Die Küche war dreckig, weil niemand aufräumte. Nach einem halben Jahr zogen Leute ein, die bis mitternachts Party machten. Das ganze kostete pro Monat etwa 64,000Yen (heute fast 460€) für 8qm. Hier ist ein Link zum Haus, damit ihr nie auf die Idee kommt, dort zu wohnen.
* Das an sich ist in Japan nicht komplett ungewöhnlich, auch wenn wir in unserer neuen Wohnung noch keine gesichtet haben.
Es gibt wirklich tolle Guest Houses. Schaut im Internet herum und googlet, ob es Erfahrungsberichte gibt. Je besser die Lage umso teurer wird es natürlich, aber da muss jeder mit sich selbst einen Kompromiss finden. 🙂 Innerstädtisch zu wohnen können sich auch viele Japaner nicht leisten, die durchschnittliche Pendelzeit in Tokyo beträgt 58 Minuten.
Job
Es ist in Japan nicht wirklich super schwer einen Job zu finden**. Es gibt Angebote extra für Working Holiday-Teilnehmer, wie z.B. das Job Board. Auf dem Gaijinpot-Job-Portal gibt es auch einiges, obwohl das meiste für Englischlehrer ist. Ansonsten kann man immer zu Hello Work gehen – und es muss wirklich nicht das für Ausländer in z.B. Shinjuku sein, die haben dieselben Jobs wie überall anders.
** Außer ihr sucht etwas Gutbezahltes oder etwas, was euch ein weiterführendes Visum ermöglicht ohne dass ihr jemandem eine Sprache beibringen müsst.
Ich habe zuerst in einem deutschen Restaurant gearbeitet (720Yen (5,16€)/Stunde). Das Problem dort war, neben des schlechten Verdienstes, dass das Gehalt unglaublich schwankte. Je nachdem wie viele Schichten ich bekam konnte ich mir überlegen was ich den Monat esse. Bei meinem zweiten Job, Zimmermädchen in einem Hotel, war das angenehmer. Die in Deutschland bei solchen Jobs verbreitete (und illegale) Akkordarbeit gab es nicht, ich bekam 950Yen (6,80€) die Stunde und ich hatte jeden Tag feste Arbeitszeiten.
Dennoch waren natürlich keine großen Sprünge möglich. Man kann nicht wirklich viel von Japan sehen, wenn man kein Geld hat. Nehmt euch also genug Geld mit, wenn ihr reisen wollt. Oder findet einen gutbezahlten Job. Übrigens: Es ist illegal mit dem Working Holiday Visum in Bars, Spielhallen oder Clubs zu arbeiten. Ich weiß, dass immer mal wieder jemand als Hostess (Eintrag über Host Clubs hier) arbeitet, wenn das herauskommt kann man aber ganz leicht ausgewiesen werden, und dann für die nächste Zeit nicht mehr einreisen. Japaner verstehen da keinen Spaß. Muss jeder für sich selbst wissen, ob er das Risiko auf sich nehmen will.
Der durchschnittliche Stundenlohn für Minjobs (バイト Baito) in Tokyo ist 1,000Yen (7,16€), in Osaka liegt es etwas niedriger um die 900Yen (6,45€). Je weiter man sich von den großen Städten entfernt, umso niedriger wird es, aber die Lebenshaltungskosten sind natürlich auch geringer.
Geld
Ihr seht, es geht viel ums Geld. Tokyo ist eine der Städte mit den höchsten Lebenshaltungskosten weltweit. Gehen wir davon aus, dass ihr in Teilzeit 6 Stunden pro Tag außer an Feiertagen und Wochenenden für 1,000Yen arbeitet. Am Ende des Monats habt ihr 120,000Yen (ca. 860€). Ihr sucht euch ein günstiges Guest House in Saitama, etwa das HIPPO HOUSE Musashiurawa. Ein kleines Zimmer, 13 Minuten von der nächsten Bahnstation, die wiederum 24 Minuten von Shinjuku entfernt ist. Es kostet 46,000Yen (ca. 330€). Es gibt keine Bahnmonatskarten für das ganze Streckennetz, jede Fahrt kostet extra (Eintrag zum System hier). Je nachdem wie viel man von Tokyo und Umgebung sehen will kann das ziemlich teuer werden. 10,000Yen (ca. 72€) pro Monat sind da noch recht niedrig angesetzt. Es bleiben 64,000Yen (ca. 458€).
Von dem Geld müsst ihr Essen, Handy, Hygieneprodukte, Ausgehen, Ausflüge, Konzertbesuche, Kleidung und sonstiges bezahlen. Mir ist das Geld erstaunlich schnell durch die Finger geronnen, weil ich unachtsam war.
Lange Rede kurzer Sinn: Wenn ihr, wie ich damals, noch nie alleine gelebt habt, kauft euch ein Notizbuch und notiert eure Ausgaben und rechnet alles durch. Einfach um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel was kostet.
Japanisch
Wie ich oben schrieb, kam ich mit dem JLPT N5 im Gepäck nach Tokyo. Mein Japanisch war grottig. Hätte ich meinen Mann nicht kennengelernt, oder hätte er Englisch oder gar Deutsch gesprochen, wäre es das sicher noch immer. Es war und ist viel einfacher (für mich), sich mit anderen Ausländern oder international orientierten Japanern anzufreunden. Japaner, vor allem in Tokyo, sind sehr viel verschlossener. Ich habe das Gefühl, dass man oft viel mehr von sich aus immer wieder den Kontakt suchen muss, damit eine Freundschaft bestehen bleibt – und sorry, aber dafür habe ich weder die Energie noch die Lust.
Was ich sagen will: Es ist total einfach in Japan kaum Japanisch zu sprechen. Man muss sich oft anstrengen. Aber ihr seid schon mal im Land, nutzt also die Chance. 😀 Um Leute zu treffen empfehle ich Meetup.