Nicht ganz auf der Höhe.

Liebe Leserinnen und Leser, ich kränkle derzeit etwas vor mich hin.

Eine kränkelnde Autorin ist weder wortgewandt noch lustig, sondern vor allem irgendwie … だるい (darui; träge, schwerfällig). Dazu kommt, dass ich einen langen Eintrag über ein Thema schreibe, das hier normalerweise nicht angesprochen wird*, und dass plötzlich Leute aus der Versenkung auftauchen, die an mir zerren. Insgesamt also suboptimal, dabei fahren wir doch nächste Woche in den Kurzkurzurlaub.

* Traditionelle Pornographie. Wirklich.

Solange meine Energie nicht zurückkommt, werde ich hier auch weniger schreiben. Das tut mir immer so leid, weil eigentlich hätte ich ja total viele Themen – sie fallen mir nur gerade nicht ein. Wie gesagt, mein Kopf ist träge.

Entschuldigt also den Mangel an Einträgen, auch dass es auf Facebook und Instagram so ruhig ist. Wird alles wieder besser, versprochen!

Die schwarzen Schafe der japanischen Arbeitswelt.

 

Ihr macht ständig Überstunden ohne Bezahlung? Ihr könnt euch nie freinehmen? Ständiger Druck? Leute arbeiten bis sie ausbrennen und kündigen? Anzeichen von PTSD? Dann seid ihr wahrscheinlich bei einer ブラック企業 (Burakku (black) Kigyô; schwarzen Firma) gelandet.

Mit dem Begriff bezeichnete man ursprünglich Firmen mit Beziehungen in die japanische Unterwelt, seit Ende der Bubble (バブル, ein Wirtschaftswunder zwischen 1986 und 1992 – das dann wie eine Seifenblase zerplatzte) bezeichnet es auch Firmen, die alles andere als sorgfältig mit ihren Mitarbeitern umgehen. Während der Bubble gab es viel Geld und schnelle Autos – aber auch großen Wettbewerb und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Zuckerbrot und Peitsche im Großformat.

Schwarze Firmen setzen nur noch die Peitsche ein. Unbezahlte Überstunden (サービス残業; Sâbisu (Service) Zangyô), schlechte Bezahlung, Vorgesetzte, die keine Verantwortung übernehmen – und vor allem: Vorgesetzte, die während der Bubble in die Firma gekommen sind und meinen, die heutige Generation sei weich, wenn sie sich nicht komplett für die Arbeit verausgabt.

Damals haben wir noch viel härter gearbeitet, ich habe meine Familie damals die ganze Woche lang nicht gesehen.

Sprach’s zum neuen Mitarbeiter, der seinen Vater damals nur am Wochenende gesehen hat – wenn überhaupt. Die Generation, die mit effektiv alleinerziehenden Müttern aufgewachsen ist, hat oft andere Werte. Mein Mann will nicht nur in den öffentlichen Dienst wechseln, weil er der Gemeinschaft dienen will. Er will vor allem Vaterschaftsurlaub.

Dabei ist seine Firma nicht einmal schwarz, sondern höchstens dunkelgrau. Seine Überstunden werden immer bezahlt. Wenn er zu viele Überstunden macht*, muss er zum Firmenarzt, der zumindest halbherzig nach Anzeichen für Suizidgefahr sucht.

* Rekord: 160 in einem Monat. Inzwischen liegt er aber weit darunter.

Verantwortlich für die Überprüfung der Einhaltung des Arbeitsrechts ist das 厚生労働省 (Kôseirôdô-shô; Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales). Es überprüft seit 2013 Aufzeichnungen zu geleisteten Überstunden, etc., und plant in Zukunft die Namen von schwarzen Firmen zu veröffentlichen.** Aber natürlich sind die vom Ministerium nicht die ersten, die versuchen schwarze Firmen aufzulisten und an den Pranger zu stellen.

** Falls sie schon veröffentlicht wurden und ihr wisst, wo man sie findet, bitte kommentiert.

Die Leute vom ブラック企業大賞 (Burakku (black) Kigyô Taishô; großen Preis für schwarze Firmen – Untertitel: “Most Evil Corporation of the Year” Award) listen für 2014 die aus ihrer Sicht schlimmsten 11 Firmen, jeweils mit Begründung. Die Liste wird angeführt von der Firma 大庄 (Daisyo), die mehrere 居酒屋 (Izakaya; japanische Bars) unterhält. 2007 war ein 24-Jähriger nach nur vier Monaten mit durchschnittlich 276 Arbeitsstunden, das sind 65 Wochenstunden, an plötzlichem Herzversagen gestorben – 過労死 (Karôshi; Tod durch Überarbeiten). Das Gericht entschied, dass die Verantwortung bei Daisyo liegt. 2013 wurde den Eltern eine Entschädigung von 78.600.000Yen (ca. 582.420€) zugesprochen.

Wenn das Arbeitsministerium endlich seine Liste veröffentlicht, es stehen wohl 4000 Firmen in Japan unter Verdacht, wird es sich allerdings wohl auch selbst nennen müssen. Es gibt Berichte von Mitarbeitern, die für 180 Überstunden mit nur 30,000Yen (ca. 222€) enlohnt wurden. Das sind in etwa 167Yen oder 1,24€ pro Stunde. Das schwarze Schaf enttarnt andere schwarze Schafe? Auch spannend.

Es gibt in Japan natürlich auch Firmen, die ihren Mitarbeitern ein Privatleben zugestehen, und wo man sich auch einmal freinehmen kann. Aber die japanische Arbeitswelt ist anders, und daran wird sich erst wirklich etwas ändern, wenn die auf den oberen Rängen in den Ruhestand gegangen und von Jüngeren ersetzt werden. Immerhin wird bei der Firma meines Jahres nicht mehr jeden zweiten Tag, wie damals bei meinem Schwiegervater, zur 飲み会 (Nomikai; Trinkfeier) gerufen.

Leben in Japan ist zwar absolut nett, nur in einer japanischen Firma zu arbeiten will man eigentlich eher nicht.

P.S. Es gibt immer mal wieder sensationelle Meldungen über Japaner, die am Schreibtisch auf Arbeit schlafen können. Firmen, bei denen das möglich ist, haben Mitarbeiter, die pro Nacht nur vier Stunden schlafen können, weil der Rest von Arbeit bestimmt ist. In den meisten Firmen ist Schlafen am Arbeitsplatz dann doch nicht erlaubt.

Das Loch in der Nacht.

Tokyo, die Stadt, die niemals schläft. 24 Stunden am Tag bewegen sich die Menschenmassen, hinein in die Stadt, hinaus aus der Stadt, aber bleiben zwölf Millionen. Im Conbini bekommt man morgens um drei Haarspray oder bei Donki einen neuen Kühlschrank.

Nur eines kann man morgens um drei in Tokyo nicht: Bahnfahren. Die letzte Bahn fährt etwa halb zwei, die erste kurz vor halb fünf.

Das hat natürlich Auswirkungen: Wenn wir abends weggehen, was nicht oft passiert, müssen wir überlegen, wie lange wir machen können. Wenn die 終電 (Shûden; letzte Bahn) vorbeigerast ist, kann man sich nur entweder in ein sauteures Taxi setzen oder auf die 始発 (Shihatsu; erste Bahn*) warten. Möglicherweise mit Büroangestellten, die am Bahnhof schlafen, weil auch sie ihre Bahn verpasst haben.

* Es gibt wohl auch den Begriff 初電 (Shoden), aber den habe ich noch nie gehört. Shihatsu ist auch jedwede Bahn an ihrer ersten Station, das ist etwas uneindeutig.

Das ist durchaus unpraktisch. Ich bin tatsächlich schon nachts um drei nach Hause gelaufen – angetrunken, in kurzem Rock und in High Heels. Nicht, dass mir irgendetwas passiert wäre**, der Weg war nur super weit. Aber ich hatte kein Geld für ein Taxi, keine Lust weiterzufeiern, und meine McDonald’s-nach-Party-Fresskumpanin war nicht dabei. Letztendlich kam ich in meinem alten zuhause in 荻窪 (Ogikubo) zusammen mit der ersten Bahn an, und die Sonne ging auch auf. Das war übrigens 2008, während meines Working Holidays. Ich bin sicher nicht die einzige, die, mit 18 in einer fremden Stadt allein gelassen, ersteinmal die Sau rausgelassen hat. 😉

** Empfehlen würde ich es trotzdem niemandem.

Aber die Bahnen halten natürlich nicht einfach so an. Erstens würde es sich ein durchgehender Betrieb finanziell nicht lohnen, da auf tokyoter Bahnhöfen sehr viel mehr Personal stationiert ist als auf ihrem berliner Pendant. Die Leute müssten irgendwie bezahlt werden, obwohl kaum jemand die Bahnen nutzen würde. Außerdem werden nachts Reparaturen durchgeführt, um den reibungslosen Ablauf tagsüber zu garantieren. Natürlich gibt es auch hier Störungen, die den Bahnverkehr behindern, aber bei weitem nicht so oft, wie es in Berlin vorkommt – und bei uns kommt die Bahn teils alle zwei bis drei Minuten.

So wird die Feierei vorverlegt. Wenn es in Deutschland vielleicht erst um zehn so langsam losgeht, trifft man sich hier oft schon um sieben oder acht. Wollen schließlich alle noch heil nach Hause kommen. 😉

Oder man muss die Zeit bis zur ersten Bahn eben beim Donki totschlagen…

Origami: Pilz und Weintraube.

Der Herbst ist da, und damit Pilz- und Weintraubenzeit. 🙂 Außerdem haben wir derzeit Feiertage und ich bin zu sehr damit beschäftigt mit meinem Mann in der Gegend herumzufahren oder einfach auf der faulen Haut herumzuliegen, um lange Einträge zu schreiben. 😉

Außerdem weiß ich, dass Origami immer ein Dauerbrenner ist. 🙂 Diesmal gibt es sogar zwei Faltvorlagen, wie immer aus dem Kindergartenmagazin Piccolo (ピコロ).Pilz und Traube

Die Weintraube können auch ganz kleine Kinder schon mit Anleitung und Vorzeigen falten, die Vorlage habe ich damals mit den Zwei- bis Dreijährigen verwendet. Außerdem kann man noch ganz toll Kreise und Kringel draufmalen, am besten in einem etwas dunkleren Violett. 🙂

Der Pilz hingegen braucht etwas mehr Hilfe, vor allem, weil in Schritt 5 Taschen aufgefaltet werden. Also Finger unter die oberste Schicht und dann rausfalten. Zwischen den Schritten 3 und 4; und 7 und 8 wird das Papier gewendet. Für essbare Pilze bietet sich vielleicht braunes Papier besser an, aber rote Pilze oder Fliegenpilze sind natürlich viel hübscher. 😉

In Japan sagt man zum Herbst auch 食欲の秋 (Shokuyoku no Aki; der Herbst des Appetits). Während der heißen Sommermonate ist es oft gar nicht so einfach sich zum Essen aufzuraffen. Wenn es dann im Herbst endlich wieder kühler wird, könnte man plötzlich alles in sich hineinstopfen… 😀

Apropos Appetit, was ist euer liebstes japanisches Essen?