Hello Work! Oder auch nicht.

Ich suche derzeit nach Arbeit. Im Moment können wir von unseren Ersparnissen ganz gut leben, obwohl wir natürlich Mehrausgaben haben, weil es einfach so viele Dinge gibt, die man sich anschaffen muss, wenn man vom Elternhaus in seine eigene Wohnung zieht, dennoch wäre es schon einfacher, wenn ich arbeiten gehen würde. Von damals, 2008, wusste ich noch von Hello Work (ハローワーク), dem japanischen Arbeitsamt, für Ausländer in Shinjuku.

Also schnell hingefahren, dauert ja nur eine Stunde von meinem Zuhause aus, Nummer und Anmeldeformular bekommen, warten. Mir wurde gesagt, dass ich mich abmelden solle, wenn ich kurz was Essen gehe. Als also nach einer Stunde des Wartens tatsächlich mein Magen anfängt zu knurren, melde ich mich bei Herrn A ab.

Ich: Ich gehe dann mal raus.

Herr A: Melden Sie sich wieder, wenn Sie wiederkommen.

Ich gehe essen, komme wieder, Herr A ist nicht da, sondern nur Frau B.

Ich: Ich habe die Nummer 65, ich war grad draußen, bin jetzt aber wieder da.

Frau B: Da hätten Sie sich abmelden müssen!

Ich: Ich habe mich abgemeldet.

Frau B: Ah, ok.

Ich warte noch länger, lese langweilige Broschüren, surfe im Internet, und versuche irgendwie die Zeit herumzukriegen. Nummer 64 wird aufgerufen. Ich freue mich, warte. Nummer 67 wird aufgerufen. Ich bin empört, schließlich warte ich schon seit zweieinhalb Stunden und gehe nach vorn zum Schalter, wo Frau B mit einer Mitarbeiterin steht. Nummer 66 beschwert sich schon.

Ich: Ich habe die Nummer 65, warum wurde die grade übersprungen?

Frau B (schaut auf ihren Zettel): Sie hätten sich vorhin wieder zurückmelden müssen.

Ich: ?

Frau B: Als Sie vorhin draußen waren, hätten Sie sich wieder zurückmelden müssen.

Ich: Ich habe mich zurückgemeldet! Bei Ihnen habe ich mich zurückgemeldet!

Frau B: Oh, gut, dann sind Sie als nächstes dran.

Als Sie das sagt wetze ich schon innerlich die Messer. Ich warte seit zweieinhalb Stunden, weil hier viele Ausländer sind, die eigentlich gar kein Japanisch sprechen, und nicht aus dem Knick kommen, und dann werde ich einfach übersprungen?

Bei der, sehr freundlichen, Mitarbeiterin, bei der ich dann lande, erfahre ich, dass ich genau so gut zum Hello Work eine Station von meinem Haus aus entfernt hätte fahren können. Das einzig Besondere am Hello Work in Shinjuku ist, dass sie dort Übersetzer haben. Das Jobangebot bleibt gleich. Was eine infernale Zeitverschwendung.

Müll-Hex-Hex.

Ich habe heute kurz eine Freundin meiner Schwiegermutter besucht, also mit meiner Schwiegermutter zusammen, und mir unglaublich viele Komplimente anhören dürfen. Ich bin so schön und natürlich und schlank und groß, so weiß und habe so ein kleines Gesicht. Ach, das geht runter wie Öl. Tief in mir drin glaube ich natürlich trotzdem nicht, dass ich eine Kleopatra bin.

Gestern kam unser Teppich an, seit vorgestern haben wir Internet und Glaswolleinheiten an der Wand, damit wir die Nachbarn nicht mehr hören. Nicht, dass mich das gestört hätte, aber mein Mann ist da etwas speziell. Die Paneele hat er über die Arbeit kostenlos bekommen, die lagen irgendwo auf einer aufgegebenen Baustelle herum und nun sind sie in unserem Schlafzimmer. Demnächst kommt da eine Verkleidung vor, dann fühle ich mich auch nicht mehr so ganz wie in einer stereotypischen Film-Psychiatrie.

Das Luftkühlungsgerät (扇風機; Senpûki) haben wir von meinem Schwiegervater bekommen, im Gegensatz zur Klimaanlage kommt dort befeuchtete Luft raus. Die Luftfeuchtigkeit hier ist zwar sehr hoch, aber wenn man die ganze Zeit die Klimaanlage laufen lässt, greift das die Schleimhäute doch sehr an, und da ich eh irgendwelche nasalen Probleme habe (wir überlegen noch, ob ich erkältet war, oder Heuschnupfen habe), lassen wir die lieber aus.

Unser Küchen-/Ess-/Wohnraum ist demnächst auch fertig eingerichtet. Wir brauchen noch einige kleinere Dinge, und am Mittwoch können wir uns endlich vom Campingstühlen und Campingtisch verabschieden!

Ich finde, es ist eigentlich ganz hübsch und wohnlich geworden. Wir wollen die Wohnung nicht so vollstellen, deswegen kaufen wir demnächst noch ein paar Schränke, auch für’s Schlafzimmer.

Generell sieht das Schlafzimmer noch eher unfertig aus, deswegen an dieser Stelle auch keine Fotos! Die müssen warten, bis die Müllabfuhr da war, denn dadurch, dass wir so viel gekauft haben, liegen bei uns natürlich noch die Verpackungen herum, unter Anderem riesige Mengen an Pappe und Plastik. Die Müllabfuhr kommt eben nur an bestimmten Tagen, bis dahin bleibt der Müll dann bei uns in der Wohnung.


Wir haben beim Einzug auch eine unnötig detaillierte Broschüre zum Müllentsorgen bekommen. Mülltrennung wird auch hier betrieben, aber ein wenig anders als in Deutschland. Es wird aufgeteilt in Plastik (inklusive PET-Flaschen), brennbaren Müll (Essensreste, dreckiges Plastik, Pflanzen, Kleidung, quasi alles…), nicht brennbaren Müll (Atomabfälle gefährliche Materialien, elektronische Geräte, Metall), und dem Rest (Dosen, Gläser, noch tragbare Kleidung, Papier). Alles wird nur ein Mal die Woche abgeholt, bis auf brennbaren Müll, den man drei Mal die Woche morgens vor acht (heute war bis zwölf noch nichts abgeholt) in die Müllboxen schmeißt.

Die städtische Mülltrennung hat natürlich auch Maskottchen, wie alles in Japan, zwei Hexen auf einem Besen. Denn wir wissen ja, Müll wird nicht mit Maschinen recyclet, das macht alles das japanische Magie-Sondereinsatz-Kommando. Ganz im Ernst, ich habe keine Ahnung was Recycling mit Magie zu tun hat, und ich bin mir ziemlich sicher, dass mir auch keiner meiner Nachbarn oder meiner Familie eine befriedigende oder fundierte Antwort geben könnte, würde ich nach dem Grund fragen.

Angekommen, zumindest fast.

Heute habe ich mir das Internet meiner Schwiegereltern gekapert, den zuhause haben wir noch keins. Ich habe übrigens auch das Ladekabel für mein Notebook vergessen, mein Vater hat es mir hinterhergeschickt, aber mal schauen, wie lange es braucht. Derzeit tippe ich quasi mit geliehener Zeit.

Der Flug war in Ordnung, mit ein paar Turbulenzen im Anflug auf Helsinki (ganz im Ernst: Ich fühlte mich, als müsste ich sterben…). Am Flughafen haben mich dann Mann und Schwiegervater abgeholt und wir sind zu ihnen nach Hause gefahren. Ich will hier eigentlich keine Chronik der Ereignisse wiedergeben, weil das langweilig ist, sondern ein wenig thematisch schreiben.

Am Dienstag sind die Schwiegermutter und ich zum Stadtamt (市役所) gegangen, um ① meine Alien Registration Card (外国人登録証明書) zu beantragen, ② meinen Namen im Familienregister (戸籍謄本) von meinem alten Nachnamen in den neuen zu ändern und ③ eine Meldebscheinigung (住民票) zu besorgen, damit wir die dem Vermieter vorlegen können. Das war alles komplizierter als gedacht, und bei einigen Sachen brauchen wir / ich auch die Einverständniserklärung von meinem Mann, deswegen haben wir nicht so viel geschafft, wie wir gern geschafft hätten. Meine Alien Registration Card kann ich Ende des Monats abholen, und dann kann ich vielleicht auch endlich anfangen zu arbeiten. Das wird ein Spaß, Arbeitssuche. Übers Internet zu suchen fnde ich höllisch umständlich, aber ich wette, dass die beim Arbeitsamt (Hello Work!) keine höherqualifizierten Jobs haben, als das, was ich in meinem einen Jahr in Japan gemacht habe – kellnern und Hotelzimmer säubern. Wenn ich absolut nichts finden sollte, würde ich den letzten Job übrigens auch wieder machen, das war zwar manchmal ziemlich hart, aber die Bezahlung war nicht ganz schlecht.

Sowieso, das liebe Geld. Weil wir Einrichtung gekauft haben und einige Verträge unterschreiben mussten (Gas, Strom, Wasser), sowie ich mir ein neues Handy zugelegt habe (Samsung Galaxy S mit Android 2.3, ooh yeah), sind wir im Moment nicht grad die reichsten – dabei wohnen wir in einer relativ reichen Gegend.

Ich habe auch schon einige andere (westliche) Ausländer gesichtet, aber die alle mindestens zehn Jahre älter als ich. So wird das nichts mit dem Freundefinden. Hoffentlich ergibt sich da über die Arbeit etwas.

Eigentlich habe ich mich immer, wenn ich nach Japan gekommen bin, so gefühlt, als würde ich nie wieder weggehen, daher ist es im Moment ein eigenartiges Gefühl zu wissen, dass ich diesmal wirklich hier bleibe. Das legt sich sicherlich demnächst, aber bis dahin ist es eigentlich wie immer, nur dass ich weniger Geld habe, um mir Klamotten zu kaufen (was mich nicht daran gehindert hat einen runtergesetzten Jinbei mitzunehmen. Sehr bequem, das!)

Ansonsten habe ich eigentlich recht viel zu erzählen, von allmächtigen Punktekarten, schlechten Zähnen und dünnen Wänden, aber das spare ich mir für’s nächste Mal. Ab morgen habe ich ja Internet – nur ohne Umlaute 😉

P.S. Der Flauschehund gehört zur Familie und heißt Moccha.