Manche Reisen stehen unter keinem guten Stern.
Es begann damit, dass mein Bahnticket und Hotel für Osaka storniert wurden, weil ich die E-Mail, dass ich eine andere Abfahrtszeit wählen solle, übersehen hatte. In der Zwischenzeit waren die Preise für Hotels noch weiter angestiegen und ich zahlte über 10.000 ¥ (ca. 61 €, weil der Yen derzeit ein Witz ist) mehr als ursprünglich.
Und dann wurde diese Wettervorhersage auch einfach nicht besser. Angesagt war Regen. Kein Nieseln, sondern richtiger Regen. Land unter. Während ich Tickets für ein Festival und die Expo – beides selbstverständlich draußen stattfindend – hatte.
Das Wochenende in Osaka hätte also eine absolute Katastrophe werden können – wurde es aber nicht.
Ich fuhr Samstag morgens mit neuen Regenstiefeln und einem billigen Regenmantel ausgestattet in die zweitgrößte japanische Stadt. Während der Fahrt klopfte der Regen gegen die Fenster – wobei in einem Hochgeschwindigkeitszug auch leichtester Regen wie ein Sturm wirken kann. Der Künstler, wegen dem ich zu dem Festival wollte, fragte sich auf Instagram öffentlich, ob das mit dem Regen funktionieren würde.
Am Bahnhof Shin-Osaka verstaute ich meinen Rucksack schnell bei einer Gepäckaufbewahrungsstation und fuhr mit der Bahn zum alten Expo-Park. Dort hatte 1970 die Weltausstellung stattgefunden und an diesem Tag pilgerten etwa 14.000 Leute dorthin, um bei einem kleinen Festival eines lokalen Radiosenders dabei zu sein. Die Veranstaltung heißt “FM802 Meet the World Beat”, was wahrscheinlich auf die verschiedenen Länder, die damals bei der Expo ausstellten, anspielen soll. Das Programm war jedenfalls ausschließlich japanisch.

Als die Bahn den Bahnhof verließ, musste ich schnell feststellen: Es regnete gar nicht mehr. Dankenswerterweise blieb die Wolkendecke selbst aber bestehen, sonst hätte man sich mit Höchsttemperaturen um die 27°C schnell wie in einem Gewächshaus gefühlt.
Am Bahnhof sammelte ich schnell meine deutsche Freundin Ronja ein, die derzeit im deutschen Pavillion auf der Expo arbeitet, und wir ließen uns von den vielen anderen Besuchern zum Festivalgelände führen. Der Expo-Park hatte offenbar viel Regen abbekommen und so war der Boden stark aufgeweicht. Unsere Regenstiefel lohnten sich auf jeden Fall! Die vielen Besucher, die in Sneakern oder Sandalen aufgeschlagen waren, haben das sicher bereut.



Für knapp die 6.000 ¥ (ca. 37 €), die ein Ticket gekostet hatte, bekam man sieben verschiedene Bands und Künstler zu sehen: Aina The End, Atarashii Gakko!, Ikimonogakari, Omoinotake, Saucy Dog, Tele und RIP SLYME. Da es nur eine Bühne gab, hatte man nicht einmal die Qual der Wahl, was ich sehr entspannt fand.
Mein derzeit liebster Künstler Tele war von allen der Unbekannteste und durfte das Festival deswegen eröffnen. Direkt um 12 Uhr mittags, mit Beginn des Festivals, hatte es sich somit für mich schon gelohnt. 🙂 Energiegeladen wie immer hüpfte er über die Bühne, quatschte ein wenig und schon war es wieder vorbei.
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In der Umbaupause liefen wir zum Essens- und Merch-Bereich, kauften ein paar Gyoza und Handtücher, und ich zog drei zufällige Buttons aus einer Kiste und bekam zwei von Tele und einen vom Festival insgesamt. Glück muss man haben.


In einem Bereich des Festivals konnte man den Künstlern eine Nachricht hinterlassen, was ich mit meiner Krakelschrift natürlich direkt gemacht habe. Irgendwann werde ich eine vernünftige japanische Handschrift haben – aber nicht in allzu naher Zukunft.
Von etwas weiter hinten sahen wir uns entspannt die Show von Aina The End – ehemaliges Mitglied der Girlband BiSH und mir nur durch eine Kollaboration mit Yonezu Kenshi bekannt – an. Ich finde ihre Stimme sehr einzigartig und sie wirkte auf der Bühne auch sehr charismatisch.
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Viele Besucher waren komplett ausgestattet mit Picknick-Decken und kleinen Stühlen angereist. Leider war es auch in dem der Bühne am nächsten Bereich erlaubt, sich mit seiner Decke auszubreiten. Fand ich nicht ganz so ideal, zumal viele Picknickdecken-Besitzer einen auch böse anstarrten, wenn man ihnen zu nahe kam. Dann belegt halt nicht so viel Platz wie vier Personen? Aber vielleicht spricht da auch nur der Neid, wir mussten das Festivalgelände nämlich verlassen, um uns auszuruhen.

Somit verpassten wir Omoinotake, die vor allem für das Titellied für die Fernsehserie “Eye Love You” bekannt sind.
Tatsächlich waren Atarashii Gakko! (in Japan 新しい学校のリーダーズ Atarashii Gakkō no Leaders) die letzte Gruppe, die wir uns vollständig ansahen. Aber die hatte es in sich. Letztes Jahr auf dem Summer Sonic hatte ich sie verpasst, aber es ist eindeutig eine dieser Gruppen, die Live einfach unglaublich viel Spaß machen.
Die Bandmitglieder übertreiben einfach kompromisslos und haben dabei eine schöne Message: Man sollte die jugendliche Freiheit genießen und die Jugend geht so lange, wie man möchte. 😉 Keine Band, die ich mir regelmäßig anhören werde, aber wenn ich wieder die Gelegenheit bekomme, sehe ich sie mir auf jeden Fall live an.
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Während RIP SLYME, eine seit Ewigkeiten bestehende Hip Hop-Gruppe, auftrat, sahen wir uns den Sonnenturm (太陽の塔 Taiyō no Tō) an. Dieser war das Symbol der Weltausstellung 1970 und kann für 720 ¥ (ca. 4,40 €) pro Person noch immer besucht werden. Im Inneren befindet sich ein Kunstwerk namens Baum des Lebens (生命の木 Seimei no Ki), der die Evolution der Lebewesen abbildet.


Ganz ehrlich: Wenn man schon einmal da ist, sollte man sich das Innere auch ansehen, aber ich fand das äußer Erscheinungsbild des Turms viel spannender. Auf der Vorderseite des Turms befinden sich zwei Gesichter – die “goldene Maske”, die die Zukunft repräsentiert, und das “Gesicht der Sonne”, dass die Gegenwart darstellt -, auf der Rückseite eines – die “schwarze Sonne”, die die Gegenwart repräsentiert. Das ganze Gebäude hat etwas von einem riesigen Vogel, der über den Park ragt, an sich. Meine Freundin und ich fanden den Turm auf jeden Fall ein wenig suspekt. Ich bin davon überzeugt, dass ihm nachts Beine wachsen und er Besucher, die nicht rechtzeitig nach Hause gegangen sind, auffrisst. Dass abends die Augen der “goldenen Maske” leuchten, macht die Sache keinen Deut besser. 😀


Wieder zurück auf dem Festivalgelände nahmen wir noch einige Lieder von Saucy Dog, einer dreiköpfigen Rockband mit, entschieden uns dann aber vorzeitig den Weg zurück in die Stadt anzutreten.
Zwar hatten wir noch nicht den größten Act des Abends, Ikimonogakari, gesehen, aber wir waren nach dem langen Tag einfach geschafft und hungrig. Schnell meinen Rucksack eingesammelt, schnell das Mitbringsel aus Tokyo überreicht, schnell in ein Yakitori-Restaurant abgestiegen und erstmal verschnauft.


音鶏家 心斎橋店 Ondoriya Shinsaibashi
大阪市中央区東心斎橋1-14-21
Higashi-Shinsaibashi 1-14-21, Chūō-ku, Ōsaka
Jeden Tag von 18 Uhr bis 3 Uhr geöffnet


Nach dem Essen und ein wenig Shopping trennten sich unsere Wege und ich fiel im Hotel mit vom vielen Laufen schmerzenden Füßen ins Bett. Nicht, dass der Expo-Besuch am nächsten Tag mit weniger Laufen verbunden wäre – aber darum geht’s beim nächsten Mal. 🙂