Die meisten denken bei Tokyo wahrscheinlich erst an Hochhäuser und Leuchtreklamen, vielleicht noch an den Tokyo Tower. Aber inmitten der Stadt trifft man auf historische Gebäude, die eine ganz andere Seite der Stadt zeigen.
Einen kurzen Fußmarsch vom Bahnhof Ueno entfernt, auf der Rückseite der Universität von Tokyo, liegt ein kleines Stück japanischer Geschichte: der Kyū-Iwasaki-tei Garten (旧岩崎邸庭園). Dieses Anwesen erzählt von der Zeit, als Japan noch einen Adel hatte.
Der japanische Adel und die Familie Iwasaki
Viele haben sicher schon einmal von den Samurai oder den Daimyō, den Feudalherren des alten Japans, gehört. 1868 wurde Japan mit der Meiji-Restauration nach der Öffnung des Landes tiefgreifend modernisiert. Die feudale Hierarchie wurde durch ein Adelssystem ersetzt, das den europäischen Vorbildern nachempfunden war. Die sogenannte Kazoku (華族) bestand aus alten Feudalherren und einer neuen aristrokratischen Elite, die sich durch ihre Verdienste in der Meiji-Ära hervorgetan hatte. Sie spielten eine bedeutende Rolle in der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung des neu gegründeten Japan.
Die Familie, die in diesem Anwesen lebte, gehörte zu dieser neuen Elite. Es waren die Eigentümer des Mitsubishi-Konzerns, die Familie Iwasaki (岩崎).
Der Sohn des Gründers, Iwasaki Hisaya (岩崎久弥), ließ die prächtige Anlage 1896 errichten. Das Anwesen besteht heute aus zwei Hauptgebäuden: dem westlichen Gebäude und dem japanischen Gebäude. Das westliche Gebäude wurde vom englischen Architekten Josiah Conder, der auch für andere prägnante Gebäude in Tokyo verantwortlich ist, entworfen. Es diente als Empfangs- und Gästehaus und war unglaublich reich ausgestattet. Mit handgestanzten und -bemalten Tapeten, großen Flügeltüren und einer ausladenden Veranda, die den Garten überblickt, hätte ich mich durchaus auch widerstandslos in eines der Gästezimmer einquartieren lassen. Es ist eine Opulenz, die man in alten japanischen Häusern sonst eher nicht findet.
Das über einen Korridor verbundene japanische Gebäude war der private Wohnbereich der Familie. Sie wirkt zurückhaltender, bis man etwas mehr über die Baumaterialien erfährt. So sind z.B. die Decken mit durchgehenden 16 Meter langen Brettern getäfelt.
In dem japanischen Gebäude hat man die Möglichkeit Kaffee oder Matcha und Kuchen zu essen. Die Milch dafür kommt natürlich vom bekanntesten Bauernhof Japans, dem Koiwai Bauernhof (小岩井牧場 Koiwai Bokujō), an dessen Gründung die Familie Iwasaki beteiligt war.
Das Areal umfasst auch einen schönen weiten Garten mit westlichen und japanischen Elementen. Leider war es an dem Tag schon ziemlich heiß, weswegen wir uns dort nicht länger aufgehalten haben.
Aus der Zeit der Meiji-Restauration gibt es viele Gebäude, die japanische und westliche Einflüsse vereinen. Diese Residenz ist ein hervorragendes Beispiel dafür.
Das Kyū-Iwasaki-tei nach dem Zweiten Weltkrieg
Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Anwesen nicht nur beschädigt, sondern auch umgenutzt. Die alliierten Besatzungstruppen nutzten das westliche Gebäude als Bürogebäude und Verwaltungssitz. Dies führte dazu, dass der ursprüngliche Glanz des Anwesens stark nachließ. Nach der Rückgabe des Gebäudes an Japan in den 1950er Jahren wanderte es in in den Besitz des japanischen Staats und wurde nach einer Wiederherstellung in den 1960er Jahren der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Zum Glück sind einige dieser alten Anwesen, das Kyū-Iwasaki-tei ist nicht das einzige in Tokyo, erhalten geblieben und lassen einen spannenden Blick in eine kurze Zeitepoche zu, die im Westen kaum Beachtung findet. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde der Adel abgeschafft, kurz darauf wurden die Riesenkonzerne in Familienbesitz, die Zaibatsu (財閥), aufgelöst. Diese Anwesen sind eine Erinnerung an die vielschichtige Geschichte Tokyos.
旧岩崎亭庭園 Kyū-Iwasaki-tei Gärten (Website)
東京都台東区池之端1-3-45
1-3-45 Ikenohata, Taito, Tokyo
Dienstag bis Sonntag von 9:00 – 17:00 Uhr geöffnet
Tickets kosten 400 ¥ (ca. 2,50 €) pro Person, für Personen über 65 die Hälfte