Ein Spätsommerfest: Wir tragen einen Schrein durch die Straßen.

Der japanische Sommer bietet neben klimaanlagenbedingten Halsschmerzen und drückenden Temperaturen auch Schönes: Feuerwerke und Feste.

Feste gibt es verschiedene, manchmal geht es hauptsächlich ums Essen, manchmal wird getanzt und manchmal trägt man einen Schrein durch die Straßen. Wir hatten vorletztes Wochenende das Glück, an letzterem teilnehmen zu dürfen.

Dazu muss man wissen, dass viele Feste von den Nachbarschaftsvereinen veranstaltet werden. Die tragbaren Schreine (Mikoshi 神輿) werden von ihnen finanziert und verwaltet. Entsprechend bekommt man die passende Kleidung, jede Nachbarschaft entwirft ihre eigene, und damit das Recht, den Schrein zu tragen nur, wenn man entweder selbst im Nachbarschaftsverein ist, oder Beziehungen hat.

Wir haben Beziehungen.

Verwandte von uns betreiben seit Generationen einen Laden in der Nähe des Skytrees und sind natürlich auch im Nachbarschaftsverein. Dieses Jahr hatten sie uns eingeladen, beim Umzug mitzumachen. Meine berliner Freundin Julia, die derzeit in Tokyo ist, habe ich auch eingeschleust. 😉

Was ist ein tragbarer Schrein?

Der Mikoshi ist eine Art Sänfte für die Götter. Es gibt sie in den verschiedensten Formen, aber die meisten sind quadratisch. Das Dach ist meist dem Schrein, dessen Gottheit in dem Mikoshi wohnt, nachempfunden. Sie sind reich verziert, auf vielen thronen Phönixe.

Es gibt kleine Mikoshi, die von Kindern getragen werden und dementsprechend unter 20 kg auf die Waage bringen, und große Mikoshi, die von vielen Erwachsenen getragen werden und samt der Tragestämme etwa eine Tonne wiegen.

Die Traditionen hinsichtlich des Tragens unterscheiden sich von Ort zu Ort, aber der tragbare Schrein wird auf den Schultern durch die Straßen getragen.

Tut das nicht weh?

Doch. Wir hatten am nächsten Tag alle blaue Flecken und Muskelkater.

Warum das Ganze?

Vereinfacht gesagt soll die Gottheit, die in der Sänfte durch die Straßen getragen wird, die Nachbarschaft beschützen. Sie wendet Pech ab und nimmt spirituelle Verunreinigungen in sich auf.


Diese Art von Fest gibt es überall im Land, vom Frühjahr bis in den Herbst. Es kann also immer sein, dass man im Urlaub plötzlich von einem überrascht wird. Selbst tragen kann man meist nicht, aber so ein Fest ist trotzdem eine Erfahrung wert. 🙂

Unser Fest war auch ein ganz Besonderes: Normalerweise werden die Mikoshi nur durch die eigene Nachbarschaft getragen. Nur alle vier Jahre laufen alle Nachbarschaftsvereine der Region mit ihren Mikoshi bis zum Ushijima-Schrein (牛嶋神社) und dieses Jahr war es soweit.

Im Schrein wurde dann noch einmal alles Pech von uns weggewedelt und es gab eine kurze Ansprache, bevor der Mikoshi wieder ins Lager getragen wurde. Das bedeutete natürlich für alle viel weitere Wege und eine größere Belastung für die Tragenden als normalerweise.

Das Ende des Tages lassen die Tragenden übrigens meist mit viel Alkohol ausklingen, aber unser Sohn wollte nach Hause und wir waren auch ziemlich erschöpft.

Der Tag war heiß und anstrengend, aber auch so energiegeladen und ereignisreich, dass ich die Erfahrung nicht missen möchte. Es gibt auch viele bekanntere Festumzüge, z.B. das Sanja-Fest in Asakusa in Tokyo, aber ich fand unser Nachbarschaftsfest dann doch schöner. Auch, wenn ich dort gar nicht wohne und mein einziges Mitbringsel blaue Flecken auf der Schulter waren.

Vielleicht nächstes Jahr wieder. 🙂

Die schönen Fotos hat mein Schwiegervater gemacht. Folgt ihm auf Instagram!

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