Kaum ein Regisseur hat so oft den Beruf an den Nagel gehängt wie Miyazaki Hayao. Seit Jahrzehnten ist jeder Film der letzte des legendären Regisseurs und mit 82 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er langsam recht hat.
Letzten Freitag erschien sein neuer Film, “Kimitachi wa dō ikiru ka” (in etwa “Wie wollt ihr leben?”) und das Marketing war außergewöhnlich – Es gab keines. Außer dem Filmposter gab es nichts. Keine Trailer, keine Fernsehsondersendungen, weder das Titellied noch die Synchronsprecher (in Japan viel wichtiger als in Deutschland) waren bekannt. Normalerweise kann man in Japan detaillierte Pamphlete zu jedem Film direkt im Kino kaufen. Wann das für “Kimitachi” herauskommt ist noch nicht entschieden.
Die Strategie ist klar: Die Leute sollen neugierig genug sein, um ins Kino zu gehen.
君たちはどう生きるか Kimitachi wa dō ikiru ka (2023)
Regisseur: Miyazaki Hayao
Animationsstudio: Studio Ghibli
Synchronstimmen: Santoki Sōma, Suda Masaki, Shibasaki Kō
Im dritten Jahr des zweiten Weltkriegs verliert der junge Mahito seine Mutter durch ein Feuer. Im nächsten Jahr zieht er mit seinem Vater aufs Land, in das Elternhaus seiner Mutter. Die jüngere Schwester seiner verstorbenen Mutter ist nun mit seinem Vater liiert und schwanger. Bereits als Mahito das erste Mal das stattliche Anwesen betritt, fällt ihm ein Graureiher auf, der offenbar versucht ihn zu einem großen Turm auf dem auslandenden Gelände zu locken. Dieser wurde einst von einem Großonkel der Familie erbaut, er verschwand dort vor langer Zeit. Als auch Mahitos neue Mutter plötzlich verschwindet, begibt er sich in das Gebäude, um sie zu finden.
Während dieser Teil des Films hauptsächlich in unserer Realität spielt, findet Mahito sich plötzlich in einer fantastischen Welt wieder. Fantastisch im Sinne von “außerhalb der Wirklichkeit”, denn diese Welt steckt voller Gefahren.
Mich erinnerte der Film an verschiedene Filme von Miyazaki Hayao: Die realistischen Szenen sind sowohl zeitlich als auch vom Feeling her nah an “Wie der Wind sich hebt”. Die fantastischen Szenen erinnerten mich oft an die Magie in “Das wandelnde Schloss”, mit ein wenig “Chihiros Reise ins Zauberland” und “Pompoko”. Insgesamt ist vor allem der fantastische Teil des Films so vielschichtig aber auch so wenig erklärt, dass ich mir sicher bin, bei jedem zusätzlichen Gucken neue Nuancen zu entdecken. Wo wir auch schon bei dem wären, was sicher viele an dem Film stören wird: Viel wird bewusst nicht weiter ausgeführt. Wie in eigentlich allen Miyazaki Hayao-Filmen muss man einige Sachen einfach als gegeben hinnehmen. Ich bin mir sicher, dass alles in dem Film einen tieferen Sinn hat, aber das werden wir wahrscheinlich erst erfahren, wenn er Interviews gibt.
Ich fand den Film spannend und werde sicher noch einige Zeit über die Szenen grübeln. Vielleicht gehe ich auch noch einmal ins Kino, wer weiß.
Apropos “ins Kino gehen”: Der Film ist nicht für kleine Kinder geeignet. Nicht nur, dass Mahitos Mutter in einem Feuer stirbt und er das mehrmals erneut durchlebt, es gibt auch Darstellungen von Blut und einige wirklich beängstigende Szenen. Die Eltern, die ihre Kinder in meiner Vorstellung dabei hatten, mussten alle nach einer gewissen Zeit den Saal verlassen.
Das Titellied stammt übrigens von Yonezu Kenshi und wird am Montag veröffentlicht. 🙂
Nach langer Verzögerung kam er endlich auch in Deutschland in die Kinos. Ich fand es gut, dass es kein Marketing gab – wenngleich ich den Film dadurch fast verpasst hätte. Aber in Zeiten von gesteuerter viraler Werbung und viel Social Media eigentlich erholsam.
Den Film fand ich nicht gut. Aus dem von dir genannten Grund. Ansonsten ganz Vieles aus anderen Miyazaki-Filmen wiederentdeckt. Da man aber zwischendrin irgendwann nicht mehr abgeholt wird und selbst der Protagonist mehr zu verstehen scheint als die Zuschauer, ist es dann auch mit der Spannung dahin.