Morgen sind in Japan Wahlen. Gewählt wird das Oberhaus, auf Japanisch Sangi’in (参議院) genannt. Alle drei Jahre stehen die Hälfte der Sitze im Oberhaus zur Wahl, eine Amtszeit beträgt sechs Jahre.
Die Wahlen des Unterhauses (衆議院 Shūgi’in) fanden letztes Jahr statt.
Einige Japaner haben ihre Stimme bereits vorab abgegeben, doch der Großteil der Wähler wird wahrscheinlich am Sonntag ins Wahllokal gehen. Ich frage mich, ob sie das mit einem anderen Gefühl tun werden, als wenn die Wahlen bereits am Donnerstag stattgefunden hätten.
Wie die meisten sicher mitbekommen haben, wurde am Freitag der ehemalige Premierminister Abe Shinzō bei einem Wahlkampfevent angeschossen und erlag seinen Verletztungen. Der Täter war ein ehemaliger Angehöriger der Selbstverteidigungsstreitkräfte, die Tatwaffe selbstgebaut.
Abe war der am längsten amtierende Premierminister Japans. 2020 war er aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten.
Die Jahre als Premierminister waren alles andere als skandalfrei. Meist ging es dabei an Bevorteilung von ihm nahestehenden Personen und Firmen, oftmals mindestens aus dem erzkonservativem Lager.
Abes Partei, die LDP (Liberaldemokratische Partei), ist bis auf eine kurze Unterbrechung schon seit gefühlt immer an der Macht. Im Unterhaus hält sie 261 von 465 Sitzen. Sie ist auch ein riesiger Grund, warum Japan in vielen Belangen noch immer in der Vergangenheit feststeckt.
Sexualaufklärung in der Schule? Nicht mit der LDP.
Abtreibung ohne Zustimmung des Partners? Nicht mit der LDP.
Kohlekraftausstieg bis 2030? Nicht mit der LDP.
Ehe für alle? Nicht. Mit. Der. LDP.
Der Fairness halber muss man aber zugeben, dass für die Oppositionsparteien in vielen Belangen kaum eine Gefahr besteht, dass sie ihre Versprechen auch tatsächlich umsetzen müssen.
Ich darf in Japan übrigens an keinen Wahlen teilnehmen, einfach, weil es mir an der Staatsbürgerschaft mangelt. Aber immerhin habe ich meinen Mann dazu bewegen können, wählen zu gehen. Bei der letzten Oberhauswahl lag die Wahlbeteiligung gerade einmal bei 48,8%. Zum Vergleich: Bei der letzten Bundestagswahl haben 76,6% aller Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. In Japan gilt dabei auch im Großen und Ganzen: Je jünger, umso unwahrscheinlicher ist die Stimmabgabe.
Und gerade die Jüngeren fühlen sich von der Politik weder verstanden noch vertreten – und gehen deswegen nicht wählen. “Bringt ja nichts”.
Es scheint geschichtlich einen Trend zu geben, dass die Parteien von ermordeten Politikern in den folgenden Wahlen Aufwind erhalten. Ich hoffe, dass das für die LDP nicht gilt. Egal wie schockiert man ist und wie leid einem Abe Shinzō tut, niemand sollte gegen seine eigenen Interessen stimmen.
Wer Japanisch kann und sich für die Positionen der einzelnen Parteien interessiert: Auf Choice Is Yours kann man die Antworten der großen Parteien auf verschiedene Fragen nachlesen.
Sehr gut gesprochen: Wählen gehen, und das wählen, was den eigenen Interessen am meisten entspricht und nicht taktisch wählen, damit irgend eine Partei nicht in Regierungsverantwortung kommt.
Ex. Premierminister Abes Großvater Kishi Nobuske war genauso korrupt. Trotzdem wurde er auch wie sein Enkelchen jedesmal wiedergewählt. Eine starke Opposition gab es vor 40 Jahren. Leider gibt es die Partei 社会党schon lange nicht mehr und die Nachfolgepartei 社民党ist bedeutungslos. Selbst die Kommunistische Partei hatte damals 39 Sitze im Unterhaus. 2011 hat aber Japan leider den Zeitpunkt verpasst, eine zweite große Partei weiterzuentwickeln. Schade.
Egal welche Einstellung man selbst politisch oder in jedweder Hinsicht vertritt, Tötungsdelikte sind doch niemals zu rechtfertigen!
Der Täter soll und muss dafür vor Gericht gestellt und weggesperrt werden.
Kontroverse um Abe hin oder her, auch er war ein Mensch, hatte Familie und Freunde… Mord ist nie nie nie eine Lösung.
Wir sind hier nicht im wilden Westen…
Ich wünschte der blogeintrag hätte auch diese Seite angesprochen…
Aber die Kernaussage:geht wählen! Ist universell und wichtig!