Normalerweise nehme ich mir für Urlaube vor, nicht zu viel sehen zu wollen. Einfach mal eine ruhige Kugel schieben. Man will ja nicht komplett erschöpft wieder zuhause ankommen.
Doch dieser Kyoto-Kurzurlaub war mein erster Urlaub ohne Sohnemann, und so wollte die Zeit gut genutzt sein. Und wie ich sie genutzt habe! So sehr, dass ich fast meinen Shinkansen zurück nach Tokyo verpasst hätte. Aber der Reihe nach.
Die Wahl meines Frühstücks überließ ich meinem engsten Vertrauten: Google Maps. Eine kurze Suche nach 朝ごはん (Asagohan, Frühstück), ein wenig durch Fotos scrollen, und schon hatte ich mich entschieden.
Für nicht einmal 7 € bekommt man beim 京菜味のむら (Kyōsaimi Nomura) ein Frühstücksset bestehend aus Reis mit Yuba (湯葉, Tofu-Haut), Miso-Suppe und vier kleinen Speisen, die meisten davon auch mit Tofu. Ich muss zugeben, dass ich nicht mit damit gerechnet hatte, dass es mich so satt machen würde – ich musste etwas Reis übrig lassen.
京菜味のむら 烏丸本店 Kyōsaimi Nomura Karasuma Honten
京都市中京区橋弁慶町224
224 Hashibenkeichō, Nakagyō-ku, Kyōto
Google Maps
Täglich von 7 bis 19 Uhr geöffnet
Um halb elf hatte ich einen Termin, also hieß es nach dem Frühstück Zeit totschlagen. Zum Glück ist das in Kyoto nun wirklich gar kein Problem. Also fuhr ich ein wenig mit der Bahn, lief ein ganzes Stück und stellte mich in die Schlange derer, die den Kaiserpalast sehen wollten.
Kyoto war von 794 bis 1868 Hauptstadt und Sitz des Kaisers. Der Kaiserpalast Kyōto (京都御所 Kyōto Gosho) wurde in seiner heutigen Form 1331 erbaut und diente demnach ein wenig mehr als 500 Jahre als Domizil der kaiserlichen Familie. Das bedeutet aber nicht, dass die Gebäude, die man heute besichtigen kann, fast 700 Jahre alt sind. Wegen diverser Feuer wurden einige Teile des Palastes 1855 erst wiedererbaut.
Auch wenn diverse Seiten etwas Anderes behaupten: Der Kaiserpalast Kyōto kann das ganze Jahr über ohne Voranmeldung besucht werden (Stand: Dezember 2021). Die Tore werden jeden Tag um neun Uhr geöffnet, die Schließungszeiten variieren je nach Jahreszeit.
Ich muss zugeben in japanischer Geschichte nicht sonderlich bewandert zu sein. Klar, die wichtigsten Persönlichkeiten kenne ich, aber Details … Da hat mir wahrscheinlich jeder Japanologie-Student einiges voraus. 😀 Außerdem hatte ich nicht geplant, den Kaiserpalast zu besuchen. Entsprechend viel Vorwissen war also vorhanden und was kann ich sagen: Mit einem Tour Guide wäre es sicher interessanter gewesen.
Ohne Guide waren es einfach riesige Gebäude, bei denen ich mir kaum vorstellen konnte, dass dort einmal jemand gewohnt haben soll. Das klingt und ist wahrscheinlich absolut ignorant, aber man soll ja ehrlich sein. Schöne Fotomotive gibt es, sie wären ohne die Absperrbänder aber noch hübscher anzusehen.
Fazit: Kann man machen, muss man aber nicht. In Kyoto mangelt es nun auch wirklich nicht an anderen Sehenswürdigkeiten.
Als Gegengewicht zur Ungeplantheit des bisherigen Tages hatte ich eine Reservierung in einem kleinen Geheimtipp getätigt: Dem Moos-Tempel.
Der liegt in der Nähe des Bergs Arashiyama (嵐山) und ist deswegen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ganz so schnell zu erreichen. Ich war allerdings schon spät dran und entschied mich kurzerhand in ein Taxi zu steigen. Eine gute Entscheidung, der Taxi-Fahrer war ziemlich jung und gesprächig und erzählte mir allerhand über die touristische Situation in Kyoto. Im Sommer war es wohl noch um einiges leerer gewesen. Übrigens: Als wir im November noch einmal mit dem Shinkansen bis Kyoto fuhren, war dieser komplett ausgebucht! Das liegt aber auch daran, dass die Herbstfarben an vielen Orten Kyotos ganz besonders schön sind und viele Touristen anziehen.
Der Kokedera (苔寺) oder Moos-Tempel heißt mit offiziellem Namen Saihō-Tempel (西芳寺 Saihōji), aber der geläufigere Name erklärt sich von selbst, wenn man den Garten der Tempelanlage betritt.
Der Garten mit seinem vielen Moos ist wirklich atemberaubend schön. Nur ist es gar nicht so einfach, ihn zu sehen. Wie oben erwähnt, benötigt man eine Reservierung, die man entweder online oder per Postkarte vornehmen kann. Der Eintritt ist ziemlich happig: Bei einer Online-Reservierung sind es pro Person über 30 €. Als Begründung wird angegeben, dass eine zu hohe Besucherzahl die Atmosphäre des Tempels zerstören und außerdem den Einwohnern in der Umgebung Probleme bereiten würde. Man versucht also, die Besucherzahl gering zu halten.
Nähere Informationen findet ihr auf der Webseite des Tempels.
Einerseits kommt mir diese Regelung etwas übertrieben vor. Andererseits kann ich mir vorstellen, dass der Tempel bei dem enormen Besucheransturm, den Kyoto vor Corona erlebte, eine echte Oase darstellte. Ein Ort ohne viele Menschen, wo man einfach die Ruhe genießen kann.
Die Geschichte des Tempels reicht über 1200 Jahre zurück und er ist Bestandteil des Weltkulturerbes Historisches Kyōto.
Leider war ich etwas zu früh da, um die Herbstfarben wirklich zu sehen, aber ein paar Blätter konnten es offenbar kaum erwarten, sich rot zu färben. 🙂
Weil er sich in der Nähe befindet, lief ich kurz rüber zum Suzumushi-Tempel (鈴虫寺 Suzumushidera). Auch das ist aber nur ein Spitzname, eigentlich heißt er Kegon-Tempel (華厳寺 Kegonji). Suzumushi sind eine Grillenart, die sich ein wenig wie Glöckchen anhört. Im Suzumushi-Tempel leben über 50.000 dieser Grillen.
Dort angekommen, musste ich leider feststellen, dass der Suzumushi-Tempel derzeit wegen Corona nicht frei zugänglich ist. Zur vollen Stunde kann nur eine bestimmte Anzahl von Besuchern hinein – Und zwei Leute vor mir war leider Schicht im Schacht.
Da ich nicht vorhatte, meinen letzten Tag in Kyoto mit Warten zu verbringen, stieg ich kurzerhand in den nächsten Bus in Richtung Arashiyama.
An der Brücke Togetsukyō (渡月橋) tummelten sich Gruppen von Touristen. Sie ist ein Wahrzeichen Kyotos und wird sogar auf einem Holzschnitt des Meisters Hokusai gezeigt. Landschaftlich ist sie tatsächlich ziemlich hübsch gelegen, aber ich war inzwischen eher an einem schnellen Bissen interessiert.
Weil ich mein Pensum an japanischem Essen mit dem Frühstück bereits erfüllt hatte, gab es zum Mittag Crêpe. Teure Crêpe. Aber man gönnt sich ja sonst nichts. 😀
Der Plan war, eine Touristenattraktion zu besuchen, die ich bei meinen bisherigen Besuchen stets links liegen gelassen hatte: Den Affenpark.
Nach einigen schlechten Erfahrungen halte ich mich in Japan nach Möglichkeit von allem, was mit Tieren zu tun hat, fern. Tierschutz steht leider oft nicht an oberster Stelle. Der Affenpark ist dabei eine löbliche Ausnahme, was sicher auch daran liegt, dass die Tiere nicht eingesperrt sind. Der Berg ist ihr natürliches Habitat, die Menschen sind lediglich Besucher.
Wer die Affen füttern möchte, muss dafür selbst in den Käfig.
Der Affenpark liegt auf einem Berg. Das bedeutet einerseits, dass man auf dem Weg nach oben durchaus ziemlich aus der Puste kommen kann, andererseits hat man von oben aus dann aber auch einen fantastischen Ausblick über Teile der Stadt.
Ich fand es am schönsten den Tieren einfach zuzusehen. Wenn sie nicht nach Futter betteln, veranstalten sie nämlich anderswo ziemliche Faxen. 🙂
Ich hatte eigentlich alles gesehen, was ich mir vorgenommen hatte. Aber ich hatte noch Zeit übrig, und wenn man schon einmal in Kyoto ist… An der Bushaltestelle sah ich mir an, wohin ich noch fahren könnte, und entschied mich kurzerhand für den Daikaku-Tempel (大覚寺 Daikakuji).
Nun bewege ich mich hauptsächlich in Tokyo. Das bedeutet vor allem viel Bahnfahren. Bahnfahren kann zwar auch anstrengend sein, aber immerhin sind Bahnen nicht vom Autoverkehr oder Ampeln abhängig. Wie langsam Busse sein können, ist mir erst auf dem Weg zum Daikaku-Tempel so richtig aufgefallen. Angesichts des fest gebuchten Shinkansens zurück nach Tokyo und meines Gepäcks, das ich an der Hotelrezeption abgegeben hatte, hatte diese Erkenntnis auch plötzliche Dringlichkeit.
Heißt: Ich musste mich sputen.
Vor etwa 1200 Jahren stand dort, wo sich der Daikaku-Tempel heute befindet, eine kaiserliche Residenz. Auch andere Verbindungen zum Kaiserhof gibt es: Einige abgedankte Kaiser ließen sich zu Mönchen ordinieren und verlegten ihren Lebensmittelpunkt in den Daikaku-Tempel.
Das dürfte auch die großen Chrysanthemen-Siegel auf dem “Vorhang” auf dem Bild oben erklären: Es ist das Symbol der kaiserlichen Familie.
Auch durch diesen historischen Hintergrund bedingt, ist der Tempel an vielen Stellen dem Kaiserpalast Kyōto ähnlicher als einem gewöhnlichen Tempel. Die Atmosphäre ist einfach eine andere.
Zum Tempel gehört außerdem ein Garten, für den ich leider bis auf ein paar hastige Schnappschüsse, gar keine Zeit mehr hatte. Ende Oktober war aber sowieso wahrscheinlich nicht die perfekte Zeit, um ihn zu sehen.
Rückblickend muss ich sagen, dass ich statt dem Daikaku-Tempel lieber den Nonomiya-Schrein (野宮神社 Nonomiya-Jinja), an dem ich auf dem weg zum Daikaku-Tempel mit dem Bus vorbeigefahren war, besucht hätte. Dort war einfach mehr los und ein Tempel für die Liebe voller Pärchen im Kimono wäre fototechnisch sicher schön gewesen. Tja.
Aber nach dem Daikaku-Tempel hieß es sowieso: Kamera wegpacken und auf dem schnellsten Weg zurück zum Hotel. Als ich dann endlich mitsamt Gepäck am Bahnhof Kyoto stand, war ich ziemlich erschöpft und verbrachte die zweieinhalb Stunden nach Hause hauptsächlich mit Dösen.
Insgesamt muss ich sagen: So ein Kurzurlaub alleine hat schon etwas. Man ist an niemanden gebunden und kann sich alles in genau so viel Zeit ansehen, wie man eben braucht. Außerdem fiel es mir leichter, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Andererseits fand ich es schon ein wenig einsam, allein zu essen und auch in anderen Situationen hätte ich mich über eine Begleitung gefreut.
welch eine tolle interessante Kurzreise .Vielen Dank für das mit schauen dürfen, ich finde keine Worte, wie sehr es mich begeistert, Japan so kennen lernen zu dürfen. Die Tempel sowie das japanische Essen und die dazu gehörigen Erklärungen, nochmals ein herzliches Dankeschön. Weihnachten wird sicher auch anders gefeiert, wenn es das überhaupt dort gibt. So sende ich mal herzliche Grüße von Süddeutschland, historische Narrenstadt zu Ihnen, wünsche Gesundheit und Zufriedenheit, Roswitha