Kyoto: Von meinem Lieblingstempel in die Nacht.

Man muss japanische Tempel und Schreine nicht lieben. Vor allem, wenn man auf einer Reise eine ganze Reihe von ihnen besucht hat, neigen sie dazu, ineinander zu verschwimmen. Vielleicht ein wenig wie Kirchen in Europa – Da muss ich auch nicht jede sehen.

Einen Lieblingstempel habe ich trotzdem, weil der aber in Kyoto steht, hatte ich ihn zehn Jahre nicht mehr besucht: Den Ken’nin-Tempel (建仁寺 Ken’ninji).

Der Tempel ist einer der ältesten Zen-Tempel Japans. Die Rinzai-Schule, eine der großen Zen-Schulen, wurde vom Erbauer des Tempels im 13. Jahrhundert aus China nach Japan gebracht – dabei soll dieser auch gleich noch den Tee-Genuss erneut mitgebracht haben. Zwar hatte es Tee schon einmal nach Japan geschafft, geriet aber in Vergessenheit.

In dem weitläufigen Tempegebäude wird eines der bedeutesten japanischen Kunstwerke ausgestellt: Fūjin und Raijin, Wind- und Donnergott. Der ein oder andere kennt es vielleicht aus dem Videospiel Animal Crossing, dort kann man das Bild auch erwerben. 😉

Es gibt aber noch viel mehr zu sehen. Mein Lieblingsort im Tempel ist der Chōontei (潮音庭) oder “Garten des Geräuschs der Gezeiten”. Dieser liegt im Tempelgebäude und kann von allen Seiten auf Fluren umgangen werden – und von allen vier Seiten sieht er fantastisch aus.

Auf einer mit Moos bewachsenen Erhebung stehen drei Steine, die den Buddha und zwei Mönche symbolisieren, und ein großer flacher Stein, der zum Meditieren genutzt wird. An dem Nachmittag meines Besuchs war das Licht so wunderschön und die Szenerie so beeindruckend, dass ich einige Zeit einfach damit verbracht habe, den Garten zu bewundern.

Andere Gärten gibt es im Ken’nin-Tempel natürlich auch, aber für mich kommen die nicht an den Chōontei heran.

Eine weitere Attraktion des Tempels ist neuer, als man annehmen: Die riesige Deckenmalerei der Zwillingsdrachen in einer Halle des Hauptareals ist dort erst seit 2002, sie wurde zum 800. Jubiläum des Tempels angefertigt.

Auch wenn der Besuch im Lieblingstempel meine emotionalen Batterien wieder aufgeladen hatte – satt wird man davon leider nicht. Also machte ich einen kleinen Abstecher in das Vergnügungsviertel Gion zu einem Café, das ich im Vorfeld schon recherchiert hatte. Ich bastele mir meist im Vorfeld von Reisen eine Google Map mit möglichen Zielpunkten und nutze die dann, wenn ich einmal nicht weiter weiß.

Fix war das Standard-Set bestellt: Ein Turm aus Bohnenpaste mit Sahne und Matcha-Pulver, ein Bohnenpasten-Macaron, ein Bohnenpasten-Mochiwaffel-Sandwich (Monaka) und Eis. Wollt ihr einmal raten, was die Spezialität des Cafés ist? 😉 Natürlich, Bohnenpaste. Genauer gesagt geht es um Adzuki-Bohnen, die in Japan vor allem bei Süßigkeiten Verwendung finden.

Zwar war das Set mit über 10€ nicht gerade günstig, aber ich liebe Bohnenpaste. 😀

京都祇園あのん本店 Kyōto Gion Anon Honten
京都府京都市東山区清本町368-2
368-2 Kiyomotochō, Higashiyama-ku, Kyōto
Google Maps
Täglich von 12 bis 18 Uhr geöffnet, Dienstags geschlossen

Den Nachmittag ließ ich dann bei einem anderen Wahrzeichen Kyotos ausklingen. Über den Fushimi-Inari-Schrein (伏見稲荷大社 Fushimi-Inari-Taisha) mit seinen etwa 10.000 roten Toren stolpert man schnell, wenn man nach Fotos von Japan sucht.

Es gibt etwa 30.000 Inari-Schreine in ganz Japan. Kein Wunder, denn Inari ist eine wichtige Gottheit für Bauern. Zu ihr betet man z.B. für eine gute Ernte oder Regen. Der Fushimi-Inari-Schrein ist der Hauptschrein all dieser Inari-Schreine.

Die Füchse, denen man überall auf dem Gelände begegnet, sind übrigens nicht etwa eine Darstellung der Gottheit selbst, sondern Boten. Andere bekannte Boten der Götter sind übrigens die Rehe von Nara. 🙂

Das Gebiet des Schreins ist riesig und erstreckt sich über den Berg, an dem das Hauptgebäude steht. Man kann zwar bis nach ganz oben laufen, aber da bei meinem Besuch schon langsam die Sonne unterging, machte ich auf dem Weg kehrt. Im Dunkeln muss ich nun wirklich nicht durch Berge kraxeln. Außerdem konnte ich so noch ein paar schöne Schnappschüsse mit dem letzten Licht des Tages erhaschen.

Wieder zurück im Stadtzentrum meldete sich mein Magen erneut. Offenbar waren die Süßigkeiten im Café nicht nahrhaft genug gewesen. Zum Glück gibt es in Kyoto keinen Mangel an Restaurants und ich aß in einem Craft Beer-Laden Oden-Eintopf.

Inzwischen war es relativ kalt geworden, da sind Oden und Eintopf genau das Richtige. Ich wollte den freien Abend schließlich nutzen und nicht im Hotelzimmer verbringen.

Beer Pub Ichi-ya
京都市中京区船屋町384
384 Funayachō, Nakagyō-ku, Kyōto
Google Maps
Täglich von 11:30 bis 23 Uhr geöffnet

Außerdem gibt es in Kyoto mindestens einen Ort, der sich erst abends für Fotos eignet: Pontochō (先斗町).

Schon seit Jahrhunderten ist ein recht enger Straßenzug parallel zum Kamo-Fluss (鴨川 Kamogawa) ein Vergnügungsviertel Kyotos. Zwischen günstigen und teuren Restaurants, Teehäusern und anderen Amusements trifft man durchaus auch auf Geisha (bzw. Geiko, wie sie in Kyoto genannt werden). Tatsächlich ist auch mir eine über den Weg gelaufen, aber ich habe mich an die allgemeine Etiquette diesbezüglich gehalten und keine Fotos gemacht.

Die enge Gasse von Pontochō ist auch so fotogen genug – vielleicht sogar ein wenig zu sehr. Generell hat mich an Kyoto rein fototechnisch ein wenig gestört, wie schön und sauber alles ist. Manchmal kam ich mir vor, als wäre ich in einen “Altes Japan”-Themapark gestolpert.

Aber: Kyoto ist eben Kyoto. Das Aushängeschild für das traditionelle Japan, normalerweise voll mit Millionen von in- und ausländischen Besuchern. Ich war noch nie in einem richtig vollen Kyoto, aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass Pontochō normalerweise sehr viel belebter und weniger malerisch ist.

Eine kleine Anekdote noch: Im Park auf etwa der Hälfte der Gasse hatte sich die lokale Jugend zusammengefunden und war sehr laut. Kurz dachte ich, dass es gleich zu einer Schlägerei kommen würde und dann stellte sich heraus – sie spielten einfach nur sehr enthusiastisch Stein, Schere, Papier. 😀

Für mich ging es weiter in die Nacht, und zwar in etwa dorthin, wo ich mittags schon einmal gewesen war. Wo es schon tagsüber ziemlich leer gewesen war, lief ich jetzt fast niemandem mehr über den Weg. Nur als ich die Pagode fotografierte hatte ich einen kurzen Plausch mit einem kyototer Studenten, der sich dasselbe Fotomotiv ausgesucht hatte.

Generell hatte ich in Kyoto einige nette Gespräche. Wenn wir zu zweit reisen ergibt sich das leider eher selten. Wir sind doch zu sehr mit uns beschäftigt und für viele ist es wahrscheinlich auch einfach, eine Einzelperson anzusprechen.

Mehr: Kyoto: Der lange Weg zum Kiyomizu-Tempel.

Als ich einen Fotospaziergang beendet hatte war es bereits 22 Uhr und langsam wirklich kühl. Nachdem ich den ganzen Tag auf den Beinen gewesen war, hatte ich auch keine Energie mehr, bis zum nächsten Bahnhof oder gar bis zum Hotel zu laufen. Also passte ich auf einer größeren Straße ein Taxi ab und ließ mich fahren.

Muskelkater hatte ich am nächsten Tag auch so.

2 Gedanken zu „Kyoto: Von meinem Lieblingstempel in die Nacht.

  1. Holger Drechsler sagt:

    Wundervoll! Gleich ein Anlass, mal wieder meine “alten” Kyoto-Fotos anzuschauen. Der Ken’ninji wurde damals teilweise rekonstruiert.

  2. Verena sagt:

    Da sind ja unglaublich tolle Aufnahmen bei deinem Foto-Spaziergang durch Kyoto entstanden! Traumhaft! ^^ Dankeschön fürs Teilen.

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