Ich mag Kanji.
Für die meisten Japanischlerner sind sie ein Graus, weil Japan es irgendwie geschafft hat, die chinesischen Schriftzeichen noch komplizierter als die Chinesen zu machen. Ich bin auch bei weitem kein Kanji-Meister, aber es gibt eine Sorte von Kanji, die ich liebe.
Kanji, die die Bedeutung eines Wortes leicht ändern, ohne die Aussprache zu ändern. Kleine Unterschiede, die man nur lesen kann, aber nicht hören.
Das erste Beispiel ist das, was diesen ganzen Eintrag losgetreten hat. Auf einem Schild vor einem Restaurant in meiner Nachbarschaft steht: 昼呑みできる Hirunomi dekiru – Hier kann man ab mittags trinken. Das normale Kanji für “trinken” ist 飲. 呑む nomu bedeutet “herunterschlucken” und wird in der Bedeutung “trinken” eigentlich nur verwendet um Alkohol zu implizieren. Alkohol kann man 飲む nomu oder 呑む nomu trinken, für Limonade kommt aber eigentlich nur ersteres in Frage.
送る okuru bedeutet meist “senden” oder “schicken”. In der Version 贈る okuru heißt es “verschenken” und auf dem Kanji selbst kann man oben rechts sogar das eingepackte Geschenk sehen – mit Schleife. 😉 送る okuru ist übrigens ein hervorragendes Beispiel dafür, dass man Japanisch wirklich nicht 1:1 übersetzen kann: Außer der Bedeutung “senden” wird es u.a. noch für “ein Leben führen” (人生を送る jinsei wo okuru) und “jemanden nach Hause bringen” (家まで送る ie made okuru) verwendet.
Sowohl 探す sagasu als auch 捜す sagasu bedeuten “suchen”. Hier wird aber eine Unterscheidung gemacht, die es im Deutschen so nicht gibt: 探す sagasu sucht nach Dingen, die man haben möchte, eine Wohnung, einen Job oder einen Schatz z.B.. 捜す sagasu ist für Dinge, die abhanden gekommen sind. Deswegen sucht man nach einem Täter oder den verlorenen Kopfhörern mit 捜す sagasu.
Tanoshii ist ein Adjektiv, das so viel wie “Freude bereitend” bedeutet. Im Alltag sieht man 楽しい tanoshii ziemlich häufig. 愉しい tanoshii ist seltener und als ich es das erste Mal sah, musste ich es nachschlagen. Während das häufige 楽しい tanoshii das Gefühl ist, das einem Dinge geben, z.B. Musik oder ein Videospiel, ist 愉しい tanoshii Freude, die von innen kommt. Wenn man mit der Welt und sich im Reinen ist. Ich stelle es mir vor, wie an einem schönen Frühlingstag die Sonne zu genießen. 🙂
Zum Schluss mein liebstes Homophon. 笑う warau heißt “lachen”. Ist ja auch ein nettes Kanji, man kann das freundliche Gesicht förmlich sehen. 嗤う warau hingegen wirkt kantiger und irgendwie nicht mehr so freundlich. Kein Wunder, es bedeutet “verspotten”. Am häufigsten findet man es in den Sprechblasen von Bösewichten: 嗤わせる. Du bringst mich dazu, dich zu verspotten. Hach, ist die japanische Sprache platzsparend.
Einige von euch fragen sich jetzt vielleicht, warum die Japaner es sich mit ihren Kanji so schwer machen, aber ganz im Ernst: Haben wir nicht im Deutschen auch eine Vielzahl von Worten, die sehr ähnlich aber eben nicht gleich sind? Im Japanischen muss man sich immerhin für viele Dinge nur eine Aussprache merken. 😀
In Deutschland ist das Gegenteil von Umfahren Umfahren. ^^
Das mit dem doppelten “Suchen” ist ja interessant. Wenn man drüber nachdenkt macht es auch Sinn zwei verschiedene Wörter für die zwei verschiedenen Bedeutungen zu verwenden. Für einen japanischen Muttersprachler muss es umgekehrt ja verwirrend sein, dass für beide Dinge das gleiche Worte genutzt wird.
Super interessanter Artikel! 🙂
Sehr spannender Artikel!
Sehr interessant! Meine Hochachtung vor jedem Europäer der Kanji lesen und vor allem schreiben kann!