Japan gilt nicht als das familienfreundlichste Land der Welt. Japaner arbeiten viel, japanische Schulen sind sehr streng und erfordern hohen Zeitaufwand, Aufstiegschancen für Frauen und insbesondere solche mit Kindern sind sehr gering. Das entspricht alles der Realität, aber in einem Aspekt muss ich sagen, dass ich von Japan gar nicht so viel erwartet hätte: Mutterschutz und Erziehungsurlaub.
Weil es sich immer lohnt fein säuberlich aufzuteilen, erst einmal eine Begriffserklärung: Mit Mutterschutz meine ich Sanzensangokyūgyō (産前産後休業 Urlaub vor und nach der Geburt), mit Erziehungsurlaub Ikujikyūgyō (育児休業 Erziehungsurlaub). Weil die beiden Begriffe auf Japanisch recht unhandlich sind, werden sie oft als Sankyū bzw. Ikukyū abgekürzt.
Mutterschutz
Gilt für: Alle arbeitenden Frauen.
Der Mutterschutz beginnt bei einer Einlingsgeburt sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und endet acht Wochen nach der Geburt. Sollte das Kind später als geplant kommen, werden die sechs Wochen vor der Geburt verlängert, während die acht Wochen hinten raus gleich bleiben.
Während dieser Zeit erhalten arbeitende Frauen, die über ihren Arbeitsplatz krankenversichert sind, zwei Drittel ihres Gehalts von der Krankenkasse. Hierfür ist es allerdings erst nötig einen Antrag zu stellen, man sollte sich also darauf einstellen erst nach den 14 Wochen Mutterschutz Geld zu erhalten. Teils kann es auch richtig lange (vier bis sechs Monate) dauern, bis das Geld endlich ausgezahlt wird. Weiß der Geier, wie das Leute ohne Rücklagen überbrücken sollen.
Erziehungsurlaub
Gilt für: Alle Angestellten, die seit länger als einem Jahr angestellt sind und die voraussichtlich auch 18 Monate nach der Geburt des Kindes noch in derselben Firma tätig sein werden.
Erziehungsurlaub ist in Japan leider ein wenig eingeschränkt. Je nachdem, wie das Arbeitsverhältnis aussieht, kann es gut sein, dass man keinen bekommt. Dass vor allem Frauen überproportional oft Jobs ohne Festanstellung haben, ist hier natürlich ein Problem. Als ich endlich meine Festanstellung bekam, war ein Grund der Freude, dass ich wusste, jetzt wirklich Anspruch auf Erziehungsurlaub zu haben.
Wenn man Erziehungsurlaub nehmen kann und in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat bekommt man für die ersten sechs Monate des Erziehungsurlaubs 67% des ursprünglichen Gehalts, danach 50%. Außerdem muss man in verschiedene Versicherungen während dieser Zeit nicht einzahlen, es bleibt also mehr vom Geld übrig. Es gilt aber ein Höchstbetrag von monatlich 304,314 ¥ (ca. 2490 €) bei 67% und 227,100 ¥ (ca. 1860 €) bei 50% (Stand jeweils August 2019). Dieser Höchstbetrag wird jedes Jahr ein wenig angehoben. Auch hier findet die Auszahlung aber nicht wie bei einem normalen Gehalt statt, sondern es wird nur alle zwei Monate überwiesen.
Der Erziehungsurlaub gilt für Mütter bis zum ersten Geburtstag des Kindes, wobei er um jeweils ein halbes Jahr verlängert werden kann, wenn sich kein Kindergartenplatz finden lassen sollte. Das ist vor allem in den großen Ballungsgebieten nicht gerade selten.
Erziehungsurlaub für Männer
Auch Männer haben Anspruch auf Erziehungsurlaub. Leider nutzen das die wenigsten, ob aus einem Loyalitätsgefühl der Firma gegenüber oder weil ihnen durch die Blume oder auch ganz unverblümt gesagt wird, dass so ein Schritt sie jegliches berufliches Fortkommen erschweren wird.
Für Väter gibt es sogar Sonderregelungen, die es ihnen erleichtern sollen Zeit mit ihrem Kind zu verbringen: Wenn ein Mann innerhalb der ersten acht Wochen nach der Geburt des Kindes Erziehungsurlaub antritt und beendet, steht es ihm zu, später noch einmal Erziehungsurlaub zu nehmen. Er kann seinen Erziehungsurlaub also auf zwei Zeiträume aufteilen.
Normalerweise gilt Erziehungsurlaub zwar nur, bis das Kind seinen ersten Geburtstag feiert, doch wenn der Vater auch Erziehungsurlaub nimmt, kann er die tun, bis das Kind 14 Monate alt ist, sofern er ihn vor dem ersten Geburtstag antritt.
Natürlich hinkt die Realität hinterher, aber die Rahmenbedingungen sind da. Mein Mann hat im Moment geplant einen Monat zuhause zu bleiben, was schon einmal ein Monat mehr ist, als sein Vater damals genommen hat.
Ich habe in Sachen Erziehungsurlaub den riesigen Vorteil, dass meine Firma noch einmal 20% meines Grundgehalts auf den Betrag, den ich von der Arbeitslosenversicherung ausgezahlt bekomme, draufschlägt. So sollte es mir möglich sein, die Zeit mit finanziell minimalen Abstrichen zu überstehen.
Im Moment ist der Plan, dass ich den vollen Erziehungsurlaub nehmen werde, also bis das Kind ein Jahr alt ist. Wie schwierig es dann wird, im Juni nächsten Jahres einen Platz in einer Kita zu finden, weiß ich nicht, aber da ich verlängern kann, mache ich mir da gar nicht so große Sorgen.
Zu erwähnen noch, dass von den 67 bzw. 50% noch ganz normal Steuern runter gehen.
Man bekommt also tatsächlich noch weniger ausgezahlt.
Und das Geld vom Mutterschutz kann auch gut und gerne mal 4-6 Monate brauchen bis es da ist..
Da sich Steuern immer am Einkommen des letzten Jahres orientieren, ist es klar, dass es prozentual etwas teurer wird. Dafür muss man nicht in den 社会保険 einzahlen.
Dass das Mutterschutzgeld so lange dauert, wusste ich (muss ich im Beitrag noch einmal hervorheben), und finde ich eine absolute Sauerei.