Kurz hinter der Präfekturgrenze von Yamaguchi zu Shimane liegt das kleine verschlafene Städtchen Tsuwano (津和野). Dessen bekannte Altstadt wollten wir uns auch einmal ansehen und erlebten nebenbei eine ziemliche Überraschung. 😀
Von unserem Übernachtungsort ging es durch nebelumhangene Landschaften mit nie endenden Reisfeldern. Wahrscheinlich ist das die Art von Landschaft, die sich viele beim Gedanken an Japan vorstellen. Tatsächlich ist das auch nicht verkehrt, denn Berge und Reisfelder gibt es im Land wahrlich reichlich.
In Tsuwano angekommen sahen wir plötzlich einen Bus im Ampelmann-Design durch die am frühen Morgen noch verlassenen Straßen fahren. Am Rathaus fanden wir ein Schild, dass nach Berlin-Mitte zeigte. In einem Spirituosen-Laden erklärte man uns auf Nachfrage, dass Tsuwano eine Partnerstadt von zwar nicht ganz Berlin, aber dafür eben Berlin-Mitte ist. 😀 Was für eine schöne Überraschung.
Tsuwano ist genau wie Hagi eine alte Burgstadt, auch wenn vom der Burg nicht viel übrig ist. Dafür säumen schöne alte Häuser die Straßen. Ganz typisch sind die schwarz-weißen Außenverkleidungen. In derselben Optik stehen in Tsuwano auch viele Mauern.
An dem Tag, an dem wir dort waren, fand in der ansässigen Kirche eine Feier samt Umzug statt. Der Anlass ist kein schöner: Vom 17. bis 19. Jahrhundert wurden Christen in Japan unterdrückt und behielten ihren Glauben meist für sich. Ende des 19. Jahrhunderts führte ein französischer katholischer Priester in verschiedenen Regionen Wiedertaufen durch, weil er meinte, dass sich die japanischen Christen zu sehr vom Christentum entfernt hätten. Im Rahmen dieser Wiedertaufen wurde der buddhistische Glaube abgelegt, was die Regierung auf den Plan rief.
Die Christen verschiedener Gebiete wurden nach Tsuwano in den Kotoni-ji-Tempel verschleppt und sollten dort dazu gebracht werden, sich erneut zum Buddhismus zu bekennen. Als das nicht funktionierte, wurden die Gläubigen gefoltert und 37 von ihnen starben. In dieser Zeit erschien einigen der Gefangen die Jungfrau Maria, die sie ermutigte.
Die Kirche Otometōge-Maria-Seidō (乙女峠マリア聖堂) befindet sich auf dem ehemaligen Land des Tempels in dem die Gläubigen umkamen. Jedes Jahr am 3. 5. versammeln sich Christen dort um den Märtyrern zu gedenken.
Auch heutzutage sind die Christen in Japan eine absolute Minderheit. Der Großteil der Bevölkerung nennt sich selbst atheistisch, nimmt aber aus kulturellen Gründen an verschiedenen buddhistischen und shintoistischen Festen und Ritualen teil. Ein wenig wie die Atheisten, die in Deutschland trotzdem Weihnachten und Ostern feiern.
Ein paar Minuten von der Kirche entfernt auf einem Berg befindet sich der Taikodani-Inari-Schrein (太皷谷稲成神社), einer der fünf großen Inari-Schreine. Er ist der einzige Inari-Schrein in Japan, der sich statt 稲荷 (Reispflanze und Gepäck), 稲成 (Reispflanze und wachsen) schreibt. In Inari-Schreinen wird traditionell um eine gute Ernte gebeten.
Um zum Schrein zu gelangen, kraxelt man erst einmal eine ganze Weile unter roten Tori’i hindurch den Berg hinauf.
Oder man fährt einfach mit dem Auto direkt nach oben… Aber es wird schließlich immer wieder betont, wie wichtig es den Göttern ist, dass man sich anstrengt. 😉
Die Aussicht vom Schrein aus ist auch wunderschön, man hat einen schönen Blick auf die Berge und den Fluss, der durch Tsuwano fließt.
Tsuwano und Hagi werden oft zusammen genannt, aber mir persönlich hat Tsuwano besser gefallen. Es ist kompakter und deswegen einfacher zu laufen und das Straßenbild ist abwechslungsreicher. Am frühen Morgen war hier auch während der Feiertage nicht viel los, was den Besuch für uns sehr angenehm machte. Menschenmengen haben wir in Tokyo schließlich genug. 🙂
Ah, so sieht das also bei schönen Wetter aus. ;P
Bei der Burg wart ihr nicht?
Nein, ist ja auch nicht mehr viel von übrig. Kann um ehrlich zu sein mit den ganzen 城跡 immer nicht viel anfangen.