In Ise (伊勢) steht einer der wichtigsten shintoistischen Schreine – der Isejingū (伊勢神宮). Dort verehrt wird Amaterasu-Ōkami (天照大神), die Sonnengöttin, Tochter von Izanami-no-Mikoto (伊弉冊尊), die in Kumano verehrt wird. Außerdem stammt den Legenden zufolge der japanische Kaiser, der Tennō (天皇), von ihr ab. Entsprechend ist der Schrein auch der, an dem die kaiserliche Familie sämtliche shintoistische Rituale vollzieht.
Natürlich kann an solch einem Schrein nicht alles gleich ablaufen, wie in jedem anderen. Erst einmal besteht der Schrein eigentlich aus zwei Schreinen – dem Toyouke-Daijingū (豊受大神宮) bzw. Gekū (外宮) und dem Kōtaijingū (皇大神宮) bzw. Naikū (内宮). Im äußeren Schrein, dem Gekū, wird nicht Amaterasu verehrt, sondern Toyouke-Ōmikami (豊受大神), eine Landwirtschaftsgöttin, die Amaterasu mit Nahrung versorgt.
Dort geht man zuerst beten. Was sofort auffällt ist, wie neu der Schrein ist. Ursprünglich wurden Schreine einmal in einer Generation erneuert um das Handwerk nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. In Ise macht man das noch immer, alle 20 Jahre werden die Schreine neu aufgebaut und wechseln dafür den Standort leicht. Die Schreine haben auch ein sehr spezielles Aussehen, das sich Shinmeizukuri (神明造) nennt. Am auffälligsten sind die Reetdächer und Chigi (千木), die wie Geweihe in den Himmel ragen. Ich habe mich auf jeden Fall in sie verliebt. 😉
Wie ihr auf den Fotos, im Titel äußerer Schrein, hier innerer Schrein, seht, war es ziemlich verdammt voll. Was ich so noch nicht gesehen hatte, waren Firmenangestellte, die von einem geistlichen angeleitet gebetet haben. Wie am Fließband wurden sie in den, für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen, inneren Bereich der Schreine gebracht um dort für Erfolg zu beten. Mir war zwar klar, dass verschiedene Firmen das machen, aber am Wochenende und eine Firma nach der anderen… Irgendwoher muss das Geld für den ständigen Neuaufbau kommen, nicht wahr?
Vor allem der innere Schrein ist ziemlich groß, und wegen der Menschenmassen war es ziemlich anstrengend hindurchzulaufen. Es hat sich für mich trotzdem auf jeden Fall gelohnt. Ich hatte mir zugegebenermaßen etwas Sorgen gemacht, ob mir die Schreine gefallen würden. Normalerweise mag ich neue Schreine nicht so sehr, aber die in Ise sind wirklich toll. 🙂 Unglaubliche Handwerkskunst. Nur die verschiedenen Kraftbäume und -Steine, die die Gläubigen anfassten und umarmten fanden wir etwas irritierend. Wie mein Mann sagte:
“Darin leben Kami (Götter), die kann man doch nicht einfach so antatschen…”
Gleich in der Nähe des inneren Schreins gibt es eine große Straße mit neuen altaussehenden Gebäuden, Souvenirs und viel viel Essen. Sie nennt sich Okage-Yokochō (おかげ横丁), in Anlehnung an Okage-Mairi (おかげ参り), wobei man jemanden stellvertretend zum Beten schickte und den Satz 商いを続けてこられたのは伊勢神宮のおかげ (Akinai wo tudsuketekorareta no ha Isejingû no okage; Dass wir unser Geschäft fortsetzen konnten verdanken wir dem Ise-Schrein).
Die Häuser sind wirklich schön, und weil es eine Fußgängerzone ist, ist es angenehmer als Kawagoe. Wir genehmigten uns Kaffee und japanische Süßigkeiten und machten uns einen schönen Nachmittag. Die Straße ist wirklich ewig lang, und zweigt an einer Stelle ab. Klar, es ist letztendlich nur nachgebaut, aber es wirkt authentisch. 🙂
Weil bis zur Abfahrt unserer Bahn noch einige Zeit war, liefen wir zum Sarutahiko-Schrein (猿田彦神社). Dort soll man beten, wenn man etwas Neues beginnt. 🙂 Wir haben das nicht gemacht, irgendwie wollten wir nicht unser Beten im Ise-Schrein abwerten. Wer weiß, wie gut die Götter untereinander so können. Nicht, dass Amaterasu eifersüchtig wird. 😉 Der Schrein selbst ist zwar natürlich schön, aber nach den Ise-Schreinen wirkte er etwas blass.
Und so gingen zwei Tage Mie zu Ende, mit dem Gefühl unglaublich viel gesehen zu haben. Am Montag war ich dann komplett erschöpft auf Arbeit und sagte unser Lauftreffen ab: 三重県を満喫しすぎた (Mie-ken wo mankitsu shi-sugita; Ich hatte einfach zu viel Spaß in Mie).
Aber Moment, wir müssen noch einmal die Uhr zurückdrehen! Am Samstag Abend waren wir nämlich kurz bei den Ehepaarfelsen (夫婦岩 Meotoiwa).
Diese beiden Felsen befinden sich in unmittelbarer Nähe des Futamiokitama-Schreins (二見興玉神社), an dem man auch für Eheglück und Sicherheit für die Familie beten kann. Das kleine Torii-Tor auf dem größeren Stein soll übrigens zeigen, dass dort ein Gott wohnt. Letztendlich ist es ein schönes Fotomotiv, und wahrscheinlich Selfie-Ort Nummer eins für reisende Paare. Wir haben auch ein Foto gemacht. Ich bin der große Felsen. 😉
(Absichtlich ausgelassen habe ich unseren Besuch im 伊勢 安土桃山文化村 (Adsuchi Momoyama Bunka-Mura), weil man manche Dinge besser vergessen will. Es war der wohl traurigste Themenpark, den ich je gesehen habe.)
… und der Göttergatte ist das Meer, denn was der kleine Felsen ist, sollte doch jedem, der sich die Verbindung mit Phantasie anschaut, klar sein.
Jetzt hast du uns (mich) aber auf den Adsuchi Momoyama Bunka-Mura neugierig gemacht. Her mit all den schmutzigen Details! 😉