Die schwarzen Schafe der japanischen Arbeitswelt.

 

Ihr macht ständig Überstunden ohne Bezahlung? Ihr könnt euch nie freinehmen? Ständiger Druck? Leute arbeiten bis sie ausbrennen und kündigen? Anzeichen von PTSD? Dann seid ihr wahrscheinlich bei einer ブラック企業 (Burakku (black) Kigyô; schwarzen Firma) gelandet.

Mit dem Begriff bezeichnete man ursprünglich Firmen mit Beziehungen in die japanische Unterwelt, seit Ende der Bubble (バブル, ein Wirtschaftswunder zwischen 1986 und 1992 – das dann wie eine Seifenblase zerplatzte) bezeichnet es auch Firmen, die alles andere als sorgfältig mit ihren Mitarbeitern umgehen. Während der Bubble gab es viel Geld und schnelle Autos – aber auch großen Wettbewerb und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Zuckerbrot und Peitsche im Großformat.

Schwarze Firmen setzen nur noch die Peitsche ein. Unbezahlte Überstunden (サービス残業; Sâbisu (Service) Zangyô), schlechte Bezahlung, Vorgesetzte, die keine Verantwortung übernehmen – und vor allem: Vorgesetzte, die während der Bubble in die Firma gekommen sind und meinen, die heutige Generation sei weich, wenn sie sich nicht komplett für die Arbeit verausgabt.

Damals haben wir noch viel härter gearbeitet, ich habe meine Familie damals die ganze Woche lang nicht gesehen.

Sprach’s zum neuen Mitarbeiter, der seinen Vater damals nur am Wochenende gesehen hat – wenn überhaupt. Die Generation, die mit effektiv alleinerziehenden Müttern aufgewachsen ist, hat oft andere Werte. Mein Mann will nicht nur in den öffentlichen Dienst wechseln, weil er der Gemeinschaft dienen will. Er will vor allem Vaterschaftsurlaub.

Dabei ist seine Firma nicht einmal schwarz, sondern höchstens dunkelgrau. Seine Überstunden werden immer bezahlt. Wenn er zu viele Überstunden macht*, muss er zum Firmenarzt, der zumindest halbherzig nach Anzeichen für Suizidgefahr sucht.

* Rekord: 160 in einem Monat. Inzwischen liegt er aber weit darunter.

Verantwortlich für die Überprüfung der Einhaltung des Arbeitsrechts ist das 厚生労働省 (Kôseirôdô-shô; Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales). Es überprüft seit 2013 Aufzeichnungen zu geleisteten Überstunden, etc., und plant in Zukunft die Namen von schwarzen Firmen zu veröffentlichen.** Aber natürlich sind die vom Ministerium nicht die ersten, die versuchen schwarze Firmen aufzulisten und an den Pranger zu stellen.

** Falls sie schon veröffentlicht wurden und ihr wisst, wo man sie findet, bitte kommentiert.

Die Leute vom ブラック企業大賞 (Burakku (black) Kigyô Taishô; großen Preis für schwarze Firmen – Untertitel: “Most Evil Corporation of the Year” Award) listen für 2014 die aus ihrer Sicht schlimmsten 11 Firmen, jeweils mit Begründung. Die Liste wird angeführt von der Firma 大庄 (Daisyo), die mehrere 居酒屋 (Izakaya; japanische Bars) unterhält. 2007 war ein 24-Jähriger nach nur vier Monaten mit durchschnittlich 276 Arbeitsstunden, das sind 65 Wochenstunden, an plötzlichem Herzversagen gestorben – 過労死 (Karôshi; Tod durch Überarbeiten). Das Gericht entschied, dass die Verantwortung bei Daisyo liegt. 2013 wurde den Eltern eine Entschädigung von 78.600.000Yen (ca. 582.420€) zugesprochen.

Wenn das Arbeitsministerium endlich seine Liste veröffentlicht, es stehen wohl 4000 Firmen in Japan unter Verdacht, wird es sich allerdings wohl auch selbst nennen müssen. Es gibt Berichte von Mitarbeitern, die für 180 Überstunden mit nur 30,000Yen (ca. 222€) enlohnt wurden. Das sind in etwa 167Yen oder 1,24€ pro Stunde. Das schwarze Schaf enttarnt andere schwarze Schafe? Auch spannend.

Es gibt in Japan natürlich auch Firmen, die ihren Mitarbeitern ein Privatleben zugestehen, und wo man sich auch einmal freinehmen kann. Aber die japanische Arbeitswelt ist anders, und daran wird sich erst wirklich etwas ändern, wenn die auf den oberen Rängen in den Ruhestand gegangen und von Jüngeren ersetzt werden. Immerhin wird bei der Firma meines Jahres nicht mehr jeden zweiten Tag, wie damals bei meinem Schwiegervater, zur 飲み会 (Nomikai; Trinkfeier) gerufen.

Leben in Japan ist zwar absolut nett, nur in einer japanischen Firma zu arbeiten will man eigentlich eher nicht.

P.S. Es gibt immer mal wieder sensationelle Meldungen über Japaner, die am Schreibtisch auf Arbeit schlafen können. Firmen, bei denen das möglich ist, haben Mitarbeiter, die pro Nacht nur vier Stunden schlafen können, weil der Rest von Arbeit bestimmt ist. In den meisten Firmen ist Schlafen am Arbeitsplatz dann doch nicht erlaubt.

13 Gedanken zu „Die schwarzen Schafe der japanischen Arbeitswelt.

  1. Anika sagt:

    Du bist wirklich shon sehr Japanisch geworden XD
    Ich kann Daisyo nicht lesen… Das ist die Umschrift, die Japaner verwenden, in Deutschland aber kaum gelehrt wird XD

      • Anika sagt:

        Die sollten das mal langsam überall vereinheitlichen..
        Ich habe das gefüehl, in Amerika ist “unsere” Schreibweise auch mehr verbreitet. Ist doch doof, wenn nur Japaner die andere lernen..
        Ich kann es btw wirklich nicht lesen.. Und zum Regeln suchen bin ich zu faul..

  2. Saskia sagt:

    Bin erst vor ein paar Tagen auf deinen Blog gestoßen und finde ihn super. Deine Art zu Schreiben ist einfach klasse =) Ich fliege nächste Woche für ein halbes Jahr nach Tokyo und durch deinen Blog hab ich jetzt schon ein paar Sachen auf meiner to-do Liste gesetzt =)
    Ich studiere Japanologie (befinde mich gerade im Master) und war selber schon drei Mal in Japan. Bei einigen Einträgen die ich bisher schon gelesen hab, musste ich echt lachen weil sie mir teilweise selber schon passiert.
    Freue mich über die nächsten Beiträge!

  3. Ayako sagt:

    Bin vor einer Woche aus Berlin nach Tokio zurückgekehrt. In Berlin habe ich zufällig deinen Blog entdeckt, fande immer sehr interessant und bin sofort ein großer Fan von deinem Blog geworden:) Die von Kouseiroudousho veröffentlichen Liste zu Black-Firmen gibt es noch nicht im Internet, hoffentlich kommt es bald daraus und hilft das Arbeitsleben in Japan zu verbessern. Weiterhin viel Erfolg mit deinem Blog!

  4. Fränky sagt:

    Hallo 🙂
    Interessanter Beitrag! Das mit dem Schlafen am Arbeitsplätz hätte ich jetzt erwarten. Hier in Shanghei ist es ganz normal in der Mittagspause den Kopf auf den Tisch zu legen. Viele meiner chinesischen Kollegen haben sogar ein KIssen am Platz. Ich muss gestehen, auch ich habe es schon mal nach einer kurzen Nacht gemacht.
    Was die Arbeitszeiten angeht, der Stift fällt hier sehr pünktlich. Eher nach dem Motto so wenig wie möglich, so viel wie nötig 😉

  5. Jan-Michael Mendel sagt:

    Das ist schlecht, ich finde es nicht im Ordnung, wenn die arme leute wieder mal als versuchkaninchen in schwarzer firma ausnutzte.

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