Immer wieder erzähle ich von Schreinen und Tempeln, und auf fast jeder unserer Reisen besuchen wir zumindest einen. Aber was ist der Unterschied, und worauf muss man achtgeben?
Tempel: 寺院・お寺・仏閣(Ji’in, Otera, Bukkaku)
Wenn ich von Tempeln rede, sind immer buddhistische Tempel gemeint. Die Namen von Tempeln enden meist auf 院 (-in) oder 寺 (-ji) und zu den bekanntesten für Touristen gehören wahrscheinlich der 浅草寺 (Sensôji) in Asakusa und der 金閣寺 (Kinkakuji) in Kyoto. Auf Stadtkarten werden sie mit einer Swastika markiert, was Deutschen immer mal wieder die Spucke wegbleiben lässt – aber die Swastika ist viel viel älter als das dritte Reich. Auf Japanisch heißt sie übrigens 万字 (Manji).
In Tempeln findet man Buddha-Statuen (仏像 Butsuzô oder 大仏 Daibutsu) und oft auch Räucherstäbchen.
Wie wird gebetet? (vereinfacht)
Wenn man möchte, kann man ein Räucherstäbchen anzünden. Dabei aber darauf achten, nicht ein anderes Räucherstäbchen zum Anzünden zu verwenden – sonst bekommt man das Karma der Person, die das andere Räucherstäbchen angezündet hat.
Der Ort an dem man betet ist meist recht offensichtlich, irgendwo befindet sich etwas, was wie eine große Box mit einem Gitter auf der Oberseite aussieht. Davor wird gebetet. Vor dem Beten wirft man immer Geld in die Box, entweder 105 oder 150Yen.
① Leicht verbeugen. Wenn eine Glocke da ist, sie läuten.
② Hände vor der Brust falten, Augen schließen und beten.
③ Augen öffnen, Arme herunternehmen und erneut verbeugen.
An vielen Tempeln gibt es おみくじ (Omikuji; Zukunftsorakel). Beispielsweise in Asakusa kann man sich auch auf Englisch die Zukunft vorhersagen lassen. 🙂
Schreine: 神社・神宮・明神 (Jinja, Jingû, Myôjin)
Schreine sind immer shintoistisch. Architektonisch sind sie am leichtesten am 鳥居 (Torii) zu erkennen, einem großen, meist roten, Eingangstor. Namensendungen sind -神社 (jinja), 明神 (myôjin) oder -神宮 (jingû). Die meisten von euch kennen wahrscheinlich das Bild des 厳島神社 (Itsukushima-jinja; Itsukushima-Schrein), mit dem Torii im Meer, oder waren bei ihrem Besuch in 原宿 (Harajuku) beim 明治神宮 (Meiji-jingû; Meiji-Schrein).
In Schreinen werden Götter verehrt, alle mit ihrer eigenen Spezialität.* Generell werden in Schreinen lebensbejahende Feste abgehalten: Hochzeiten, Vorstellung eines Neugeborenen, Zeremonien zu bestimmten Geburtstagen… An Tempeln bleiben vor allem Beerdigungen hängen.
* Mit Abstand die meisten sind für Fruchtbarkeit, was auch bei anderen polytheistischen Religionen festzustellen ist.
Wie wird gebetet? (vereinfacht)
Wie auch in Tempeln wird in Schreinen zuerst eine Opfergabe in Form von 105 oder 150Yen gegeben. Danach ist es aber etwas anders.
① Zweimal leicht verbeugen.
② Zweimal in die Hände klatschen, beim zweiten Mal die Hände zusammenlassen und beten. Augen zu.
③ Augen öffnen, Arme herunternehmen und einmal verbeugen.
Wer besonderen Respekt zollen will, kann sich beim Betreten und Verlassen des Schreins vor dem Torii verbeugen.
Sonst noch wichtig: An den Eingängen sowohl Tempeln als auch Schreinen gibt es eine Schwelle, sie ist die Abgrenzung der säkularen Welt vom Überirdischen – am besten nicht drauftreten!
Japaner interessiert es übrigens wenig, ob man dem shintoistischen oder buddhistichen Glauben angehört. Beten kann, wer will. Tatsächlich würden sich die meisten Japaner als keiner Religion angehörend (無宗教 mushûkyô) bezeichnen, so auch meine japanische Familie. Wir gehen trotzdem jedes Jahr zum 初詣 (Hatsumôde; ersten Beten im neuen Jahr) und beten um Erfolg bei Tests. Jemand, der sich in Deutschland nicht dem christlichen Glauben zugehörig fühlt, würde wahrscheinlich eher nicht in die Kirche zum Gebet gehen. 😉
Also keine Angst haben, in japanischen Tempeln und Schreinen auch zu beten oder 絵馬 (Ema) aufzuhängen! 🙂 Und macht euch bloß keinen Druck besonders viele, oder welche zu sehen, die in Reiseführern nicht aufgeführt sind. Bis auf die wirklich großen Tempel und Schreine, sehen sie irgendwann alle gleich aus… Zum 出雲大社 (Izumo-Taisha; Izumo-Großer-Schrein) und zum 厳島神社 (Itsukushima-jinja; Itsukushima-Schrein) möchte ich aber trotzdem. 🙂
(Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständig- und Richtigkeit.)
Ein schöner Artikel.
Dann ergänze ich mal ;-).
Der Fushumi Inari Taisha ist wirklich sehenswert.
Liebe Grüße
Midori
Der Fushimi Inari Taisha in Kyoto ist wirklich schön. Nur habe ich es bei bisher zwei Besuchen nicht geschafft, den ganzen Weg zu gehen… dann doch lieber unsere Mini-Version in Tokyo (Nedsu). 😉
Ich frag mich immer, ob man bei dem ganzen Ablauf von Verbeugen, Klatschen und Verbeugen noch zu einem klaren Gedanken kommt, der sich als Gebet bezeichnen ließe. Schon mal wen gefragt?
Huh, natürlich, ich bete da doch auch? Das Verbeugen und Klatschen geht ja recht automatisch, und während du deine Hände zusammenhälst, hast du Ruhe. Allerdings geht so ein Gebet recht schnell, weiß nicht, wie das in der Kirche ist.
Vielleicht bin ich auch einfach ein Bewegungsidiot. Sowas geht bei mir nicht “automatisch”, das braucht Konzentration! 😀
Vielen lieben Dank für den wirklich hilfreichen kurzen Abriss! 🙂
Ich habe es mir gleich abgespeichert und werde mein Glück mal versuchen! 😉
Was ich auch immer wieder durcheinanderbringe ist die Reihenfolge in der man sich an den Becken vor dem Gebet reinigt. Könntest Du dazu auch noch einmal eine kurze Zusammenfassung schreiben?
Das wäre ganz lieb! 🙂
LG,
Viola
Du meinst das Becken, an dem ich mich nie reinige? *hust* linke Hand, rechte Hand, mit der linken Hand den Mund reinigen, linke Hand.
Aah! Vielen Dank!
Ja genau das hatte ich gemeint! 🙂
LG,
Viola
Hab einen Blog hier gefunden, der mein Interesse an Japan weiter stärkt. Interessiere mich seit Anfang der 90er Jahre für die Japaner und deren Kultur!
Im Fernsehen habe ich Japan erstmalig durch den Film “Die sieben Samurai” kennengelernt. Das war in den 80ern.
Mir gefällt es hier.
Das freut mich. 🙂