Am Sonntag war es unerwartet sonnig. Generell ist es das in letzter Zeit viel, dabei haben wir eigentlich 梅雨 (Tsuyu; Regenzeit). Bei Sonne kann ich nicht einfach zuhause sitzen bleiben, und mein Mann, derzeit auch an Wochentagen je mindestens drei Stunden über seine Lehrbücher gebeugt, brauchte dringend einen Tapetenwechsel.
Also setzten wir uns in den Expresszug und fuhren nach 佐倉 (Sakura), den meisten Japanurlaubern wahrscheinlich nur von ihrem Weg vom Flughafen nach Tokyo bekannt. 😉 Sakura hat etwa 170,000 Einwohner, von denen 20% jeden Tag nach Tokyo hineinfahren.
Kommentar Mann: Wegen denen ist die Bahn also immer so voll…
In Sakura angekommen setzten wir uns in den Bus in Richtung 国立歴史民俗博物館 (Koku-ritsu Rekishi-Minzoku-Hakubutsukan; Nationales Museum für japanische Geschichte). Es liegt auf dem Gebiet des ehemaligen 佐倉城 (Sakura-jô; Schloss Sakura), von dem leider nicht mehr viel zu sehen ist.
Dafür gibt es so viel Grün auf einem Haufen, dass man angehalten ist einmal tief Luft zu holen. Ausladende Wiesen mit sanften Hügeln laden zum Picknicken ein, und mitten im Park steht ein adrettes Teehäuschen.
Obwohl es Sonntag ist, ist der Park nicht überlaufen. Es führt nicht nur ein Weg hindurch, neben der Parkanlage und Erklärungen zur Geschichte des nicht mehr stehenden Schlosses gibt es auch einen botanischen Garten und einen großen Teich mit Indischen Lotosblumen (ハス hasu) und Schildkröten.
Dank dunkler Ecken und schmaler, langer Treppen wirkt der Park dennoch sehr organisch, und weckt den Entdeckerdrang. 🙂
Für uns sollte es nicht nur beim Schlosspark bleiben, wir wollten an ein paar alten Samuraihäusern zurück zum Bahnhof laufen. Wir machten uns leicht schnaufend auf den Weg.
Vorbei an Libellen, und durch einen Bambuswald, der sicher eine wunderbare Filmkulisse für einen historischen Schinken abgeben würde. Dass es soetwas überhaupt in der 千葉県 (Chiba-ken; Präfektur Chiba) gibt…
Teils fühlten wir uns wirklich nicht, als wären wir in Sakura in unserer bescheidenen Präfektur, sondern entweder im Norden des Landes oder gleich in 京都 (Kyôto). Wir sind komplett ohne Erwartungen nach Sakura gefahren und waren positiv überrascht.
Vielleicht sollten wir auch einmal andere Gebiete besuchen, die wir bisher sträflich vernachlässigt haben. 😀
Die 武家屋敷 (Buke-Yashiki; Samurai-Residenzen) rissen mich dann leider nicht mehr komplett vom Hocker, aber das tun sie um ehrlich zu sein selten. Es sind schöne Häuser, aber für mich ist es schwer, sich vorzustellen, wie dort gelebt wurde. Vielleicht, weil ich einfach keine Ahnung davon habe, vielleicht, weil es sich meist um recht leere Räume handelt. Mein Mann schaut sich immer die Decken an, das ist seine 職業病 (Shokugyôbyô; Berufskrankheit). 😉
Auf dem Weg zurück zum Bahnhof gab es absolut nichts mehr zu sehen, aber von der ganzen Lauferei waren wir sowieso ziemlich fertig.
Letztendlich ist Sakura sicher kein Top-Ausflugsziel, vor allem wenn man nur kurz in Japan ist, aber für uns war es wunderbar um einfach von allem einmal wegzukommen. Fast allein durchs Grün zu laufen, dem Vogelgezwitscher zuzuhören und dem Rauschen der Bäume zu lauschen lädt die Batterien gleich wieder auf. 🙂
Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
Willst du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen.
Denn das Glück ist immer da.
(Wusste gar nicht, dass das von Goethe ist)
Scheint ein Geheimtipp zu sein. 🙂