Was ich seit Fukushima esse.

Anmerkung: Dieser Eintrag ist keine Empfehlung. Ich wurde lediglich in einem anderen Eintrag gefragt, wie ich das mit dem Essen machen würde, und dachte, dass ich darauf etwas ausführlicher antworten möchte.

Nach dem schweren Beben am 11. März 2011 war recht schnell klar, dass es außer der durch die Beben und Tsunamis verursachten Schäden noch andere Probleme geben würde – bis heute ist die Situation im 福島第一原子力発電所 (Fukushima Dai-ichi Genshiryoku Hatsudensho; Kernkraftwerk Fukushima Dai-Ichi) nicht im Griff.

IMG_0632Die Strahlung ist ausgetreten, das Gebiet verseucht, nur dummerweise ist 東北 (Tôhoku; die Präfekturen Aomori, Iwate, Miyagi, Akita und Fukushima selbst) eigentlich die Speisekammers des Ostens. Das meiste Gemüse, das hier in 関東 (Kantô; Präfekturen Tokyo, Chiba, Saitama, Kanagawa, Ibaraki, Gunma, Tochigi*) im Supermarkt liegt, kam aus Tohoku. Viel Obst auch. Bei Fisch kann man eh nicht kontrollieren, wo der durchgeschwommen ist.

* Kleiner Fakt: Allein in Kanto lebt ein Drittel der japanischen Bevölkerung.

“Kam”, weil sich zumindest in meinem heimischen Supermarkt über die Jahre einiges geändert hat. Vieles kommt jetzt aus der Umgebung, ob das an der geänderte Nachfrage liegt, oder an meinem Supermarkt, weiß ich auch nicht. Wenn an etwas groß Fukushima dran steht, mache ich einen Bogen darum, aber um ehrlich zu sein weiß ich nicht, wann das das letzte Mal nötig war.

Was sich in Japan nämlich wirklich gut macht – in so gut wie jedem Supermarkt steht dran, woher die Lebensmittel kommen. So kann man Sachen aus bestimmten Regionen ganz einfach vermeiden.

IMG_0631Bei Fleisch gibt es so gut wie immer die Möglichkeit günstiger aus dem Ausland (Nord- und Südamerika) zu kaufen, aber letztendlich ist japanisches Fleisch leckerer. Bei einigen Fleischsorten steht drauf, dass die Ware stichprobenweise auf erhöhte Strahlungswerte untersucht wurde, aber der genaue Herkunftsort wird nicht immer genannt. Reis kaufen wir aus 北海道 (Hokkaidô). Fisch kaufe ich sowieso nie, weswegen der Fischgrill, der in jeder Herdeinheit in Japan standardmäßig dabei ist, noch wie neu ist. Ich mag Fisch einfach nicht.

Ich weiß nicht, ob ich das alles so entspannt sehen würde, wenn wir Kinder hätten, aber im Moment mache ich mir da ehrlich nicht so den Kopf drum. Das ist natürlich total naiv und blauäugig, aber wie mir ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Strahlenschutz in Berlin-Karlshorst*** erzählte:

“Wenn Sie im Berliner Umland Pilze sammeln, sind die auch strahlenbelastet.”

*** Das ist so eine Geschichte, die ich damals hätte aufschreiben müssen. Ich wurde nach meiner standesamtlichen Hochzeit im März 2011 nämlich tatsächlich im Bundesamt für Strahlenschutz auf Strahlung untersucht. Super cool! 😀

0 Gedanken zu „Was ich seit Fukushima esse.

  1. Anika sagt:

    Ich musste tatsächlich oft auf bestimmtes Gemüse verzichten, weil es das nur aus Fukushima gab. In all meinen Supermärkten in der Nähe, 2 Jahre nach Fukushima…
    Zum Beispiel stiess mir das bei Gurken mal ganz übel auf…
    Auch bei Obst war die billige, erschwingliche Variante, wie zum Beispiel Pfirsiche, 100%ig aus Fukushima.
    Problem: Fukushima ist breit. Woher aus Fukushima die Sachen kommen, weiss man nicht…
    Fleisch: Ich versuche auch aus dem Ausland zu kaufen, da auf den Packungen wirklich nur “aus dem Inland” drauf steht..
    Fleisch ist übrigens fast grundsätzlich mies wenn es billig ist, egal woher es kommt…
    Anbraten kaum möglich, da so schnell so viel Wasser austritt, dass es eher im eigenen Saft kocht >.>
    Ohne genug Geld wird man in Japan fast automatisch zum Vegetarier…

    Was mir manchmal im Kopf rum schwirrt: Woher kommt eigentlich das Mehl für unser Brot?
    Auswärts essen darf man auch nicht, wenn man ganz auf Fukushima Sachen verzichten will.
    Wenn man im Supermarkt guenstige Gurken aus Fukushima findet, ist es fast klar, dass viele Gurkenprodukte (Kappamaki im Supermarkt etc) mit diesen Gurken hergestellt werden.. (Manchmal steht’s aber nochmal extra drauf, wie bei Salatmischungen).
    Nur wenige Restaurantketten schreiben woher die Produkte kommen. Yoshinoya zum Beispiel hat klar gesagt, dass sie Fukushima Produkte benutzen möchten.
    Eine Ramenkette hat Tafeln am Eingang, wo sie drauf schreiben, woher die verschiedenen Zutaten grade kommen..
    Aber das ist selten…

    • Claudia sagt:

      Bei Auslandsfleisch denke ich mir immer, was für einen riesig weiten Weg das hinter sich hat. Wie lange braucht es, bis das Fleisch aus Chile (aut Internet 17.341km Luftstrecke, WTF?!) in Japan ist, und was für einen riesigen CO2-Fußabdruck hat das hinterlassen?
      Um das bisschen Gurke im Kappamaki würde ich mir vielleicht nicht so die Gedanken machen, dann doch eher um den Reis in den Bento. 🙂

  2. oribaainjapan sagt:

    War da nich irgendwas mit Butter (oder Kaese) die angeblich aus Hokkaido stammen, aber die Milch dafuer wurde aus Fukushima geliefert?

    Aber ansonsten mache ich es genau so. Grossen Bogen um alles aus Fukushima und naehere Umgebung, aber ausser darauf vertrauen, das die Etiketten nicht gefaelscht sind, kann man eh nicht viel machen.

    Fisch mag ich auch nicht, ist bei mir leider viel zu haeufig auf dem Tisch. Da bin ich allerdings machtlos und rede besser mit der Wand, die gibt mir keine doofen Widerworte…

    • Claudia sagt:

      Echt? Hatte ich nicht gehört. Kann ich mir aber natürlich gut vorstellen, die Milchkühe sind ja da, und mit Hokkaido im Namen verkaufen sich Milchprodukte einfach besser.

  3. Holger Drechsler sagt:

    Ja, das war sehr beruhigend, als der Institutsleiter sagte: “Wenn man zwei Pilzmahlzeiten mit brandenburger Pilzen isst hat man mehr Cäsium im Körper als wir bei Ihnen messen konnten.”

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