Der Krampf mit dem Keigo.

Ich lerne derzeit 敬語 (Keigo). Keigo sind die japanischen Höflichkeitsformen, die mir wahrscheinlich frühzeitig graue Haare bescheren werden. Während wir im Deutschen einfach die dritte Person Plural (sie) mit einem großen Anfangsbuchstaben versehen, ist das im Japanischen ein wenig komplizierter, weil streng hierarchisch und für mich manchmal undurchsichtig. Je nachdem zu welcher Beziehung eine Person zu mir steht oder auch in welcher Beziehung eine dritte Person zu der angesprochenen Person steht, werden die Worte geändert.

Nun hat man natürlich im Alltag sowieso ein wenig Keigo. Im Wartezimmer meines Arztes sagt mir keiner

「座って待ってて」 (Suwatte Mattete; Setz dich hin und warte)

sondern

「おかけになってお待ちください」(O-kake ni natte o-machi kudasai)

Das ist 尊敬語 (Sonkeigo), das Respekt vor der angesprochenen Person ausdrückt.

Sogar der Kriegsschrei der japanischen Serviceindustrie

「いらっしゃいませ」(Irasshaimase; Kommen Sie/Willkommen)

ist Sonkeigo. Manchmal wäre mir Respekt vor meinen Trommelfellen lieber. 😉

Neben Sonkeigo gibt es auch 謙譲語 (Kenjôgo), die den Sprecher bescheidener wirken lässt. Auch die hat man im Alltag oft.

「お名前をお伺いしてもよろしいでしょうか?」 (o-namae wo o-ukagai shite mo yoroshii deshô ka?; Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?)

Das Problem ist natürlich, dass ich wirklich nur diese Phrasen kenne, die mir im Alltag über den Weg laufen. Sofern ich nicht vorhabe zum Beispiel in einem Restaurant zu arbeiten, bringt mir das wenig.

Ich tröste mich damit, dass auch Japaner Keigo aktiv lernen müssen und sie so oft Fehler machen, dass es für bestimmte eigene Namen gibt, zum Beispiel 二重敬語 (Nijû-Keigo; Zweischichten-Keigo), was passiert wenn man Sonkeigo-Verbformen (いらっしゃる irassharu statt 行く iku) dann noch in die Passivform setzt, weil das auch eine Art wäre höflich zu sein (richtig wäre 行かれる ikareru statt 行く iku). Heraus kommt dann いらっしゃられる (irassharareru), was falsch ist.

Die dritte Keigo-Form ist übrigens 丁寧語 (Teineigo), was die meisten wahrscheinlich als です・ます・ございます (desu, masu, gozaimasu) kennen. Das ist einfach das Japanisch, dass man mit jedem außer Freunden, Familie und Kindern nutzt. In der Umgangssprache wird übrigens statt zum Beispiel

「彼女から聞きました」 (Kanojo kara kikimashita; Ich hab’s von ihr gehört)

gern die faule Version

「彼女から聞いたんです」(Kanoji kara kiita’n’desu)

also “Verb in der Grundform + ndesu”, genutzt. Während のです (no desu) bzw. んです (n’desu) eine eigene grammatikalische Aufgabe hat, wird es oft einfach als “Instant Teineigo” verwendet. Ich bekenne mich schuldig.

via Yosensha, wo man auch ein wenig reinlesen kann

via Yosensha, wo man auch ein wenig reinlesen kann

Da ich vorhabe ab nächstem Frühjahr nicht mehr zu lehren, sondern nach Möglichkeit in einer japanischen Firma zu arbeiten, muss ich jetzt in den sauren Apfel beißen. Was habe ich also als erstes getan? Ein Buch gekauft, natürlich.

Es heißt 美しい言葉づかいと敬語の教室 (Utsukushii Kotoba-dsukai to Keigo no Kyôshitsu). Ich finde den grünen Umschlag auch sehr nett:

「知らなかった」「教わらなかった」ではすまされない!! (“Shiranakatta” “Osowaranakatta” de ha sumasarenai!!; “Das wusste ich nicht”, “das hat mir niemand beigebracht” lasse ich nicht durchgehen!!)

Es ist wirklich ein Buch um die Grundlagen zu lernen und damit genau, was ich brauche.

Außerdem schreibe ich zur Übung Briefe in Keigo, die mein Mann dann korrigieren darf. Er meint, es wird langsam besser. Ich merke auch, dass es mir langsam geringfügig weniger starke Kopfschmerzen bereitet. Geringfügig.

(Ich garantiere nicht, dass das Japanisch in diesem Eintrag korrekt ist.)

0 Gedanken zu „Der Krampf mit dem Keigo.

  1. CKaden sagt:

    Jap, der Keigo-Spaß. Austauschverben und -wörter / verschiedene Verben, von den das eine höflicher ist als das andere bzw. in der und der Situation unangebracht ist / der Krampf, beim Übersetzen bloß nicht “in deutsch” zu denken etc. etc.

    Es gibt nicht umsonst folgende Zuspitzung:
    Der Grad des Keigo hängt von der momentanen Konstellation Sonne zu Mond ab und von der Farbe der Unterhose des Gegenübers!

    Aber wenn man es kann und man nicht gerade so ne piepsige Verkäuferinnenstimme ansetzt, dann hört sich Keigo wunderschön an!

    In dem Sinne: Viel Spaß und ganbatte ne 😉

    • Claudia sagt:

      Ich finde es super krampfig, musste dann aber feststellen, dass diese ganzen schönen Floskeln einem echt fehlen, wenn man dann doch mal auf Deutsch E-Mailen muss. 「ご多忙中、お手数をおかけしますが・・・」 klingt auf Japanisch dann doch besser.

  2. hanna sagt:

    Hm, das Buch sollte ich mir auch mal anschaffen ^^; Kaempfe auch immer noch damit, aber wenn man es taeglich verwendet, gewoehnt man sich zumindest an die gaengigen Formulierungen, zum Beispiel fuers Telefonieren, recht schnell. Ein Problem ist, wie du es auch angesprochen hast, dass viele Japaner falsche Keigo-Formen verwenden, und man das dann uebernimmt, weil man eigentlich davon ausgeht, dass der Muttersprachler es am besten weiss 😉

  3. thuruk sagt:

    Das んです ist schon praktisch. Passiert oft dass man irrtümlich nicht höflich genug spricht, dann kann man das ein paar Sekunden später anhängen und passt schon. 😀

  4. Viola sagt:

    Jaaah…
    Ich hatte mich am Anfang auch schon gefreut, da es ja nicht so viele Zeitstufen gibt. (Also doch ganz locker zu schaffen, oder….ODER??!! *Hust*)
    Aaaaaber, dann kamen (kommen) die verschiedenen Höflichkeitsebenen und ich kann immer nur hoffen, das ich den Angesprochen nicht schön gründlich durchbeleidige! *Uff* 😉

    Aber die meisten Varianten kommen für mich erst noch, ich versuche mir gerade wenigstens einen vernünftigen Grundschatz an Verben und Sonstigem zu merken – denn was nützen mir die schönen Höflichkeitsformen, wenn mir schon die Worte nicht einfallen, ne? 😉

    Na ja, selbst Schuld! Was suche ich mit auch ausgerechnet Japanisch aus! *seufz*

    LG,
    Viola

    • Claudia sagt:

      Mal ganz im ernst, sofern du nicht bei einer japanischen Firma arbeitest oder auf den Tenno triffst, wirst du mit desu-masu niemanden beleidigen. Mit wem hat man denn sonst im Alltag zu tun? Abgesehen von Freunden hauptsächlich mit Leuten, die einem etwas verkaufen wollen – die brauchen Keigo, nicht du. 😉

      Japanisch ist finde ich noch immer eine recht nette Sprache zum lernen, weil die Lernkurve so wunderbar ist. Überlege dir mal, wie lange du überlegen müsstest um “Gestern Abend habe ich meinen Hund gefüttert.” zu sagen, wenn du kein Deutsch sprächest. 😉

      • Viola sagt:

        *Hihi* Ja stimmt!
        Es ist höchst unwahrscheinlich, dass ich mal bei “Kaisers” eingeladen werde! 🙂

        Japanisch ist eine sehr schöne Sprache und ich lerne sie auch sehr gerne. Leider bin ich nur nicht die Schnellste, was das Vokabellernen angeht. *seufz*
        Aber ich bin guter Hoffnung, das ich das auch noch hinkriegen werde! 🙂

        LG,
        Viola

  5. zoomingjapan sagt:

    Oh ja, Keigo. Das macht nicht nur dir Kopfschmerzen. Ich weiß auch, dass viele meiner Arbeitskolleginnen damit Probleme hatten. ^^;
    Komischerweise mach ich das mittlerweile oft richtig, einfach weil ich es schon so oft gehört habe, aber ich müsste mich da auch mal hinhocken und ordentlich pauken. T_T

  6. tabibito sagt:

    Jemand hatte mal dazu einen interessanten Artikel geschrieben… leider nur gedruckt. Der Author zählte dabei allein 32 verschiedene Formen für “Kann ich mir das leihen?”. Begann bei “貸せ” und endete bei “拝借させていただけませんでしょうか”. Da hilft wirklich nur Übung, aber nach ein paar Jahre hat man es im Blut.

    • Claudia sagt:

      Das ist auch einer der Gründe warum ich in einen Job wechseln will, der Keigo von mir verlangt – für die Übung, sonst glaube ich nämlich nicht, dass ich das jemals richtig können werde.

  7. silberfee sagt:

    Wenn du wirklich in einer japanischen Firma arbeitest und jeden Tag damit zu tun hast, dann wirst du das schneller lernen als mit Buch!! Learning by doing ist immer noch der beste Weg. War bei mir auch so. Sicher macht man am Anfang Fehler, aber so richtig beleidigt duerfte ich damit niemanden haben 😉

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