Manchmal wird mir gesagt, wie unglaublich mutig ich doch war, mit 18 Jahren nach Japan zu ziehen und jetzt für immer im fremden Land zu sein. Im unwahrscheinlichen Fall, dass “mutig” nicht ein Euphemismus für “ziemlich bescheuert” ist, eine kleine, ich möchte es fast “Richtigstellung” nennen.
Ich bin nicht mutig, sondern eher der feige Löwe vom “Zauberer von Oz”. Ich leide durchaus unter Versagensangst und versuche Risiken und möglichen Misserfolg so gut wie es geht zu vermeiden. Warum man mir das nicht anmerkt? Ich bin Meisterin des gespielten Selbstbewusstseins. 😉
Warum bin ich also nach dem Fachabi für ein Jahr nach Japan gegangen?
- Ich hatte nichts Besseres zu tun.
- Es war ein überschaubares Risiko.
Studieren wollte ich, sehr zum Leidwesen meiner Mutter, nicht und das Abenteuer Japan war wegen des Working-Holiday-Visums von vornherein auf ein Jahr begrenzt. Wenn es zu schrecklich gewesen wäre hätte ich auch jederzeit nach Hause fliegen können, ich hatte also immer eine Tür nach Deutschland sperrangelweit offen. Für ein Jahr nach Japan zu ziehen war auch nicht gewagter, als ein Jahr in ein englischsprachiges Land zu ziehen, und wie viele Frischabiturienten jedes Jahr nach Australien gehen…
Auch der Sprung in mein jetziges Leben war eher wenig riskant. Wir haben geheiratet nachdem mein Mann einen Vertrag bei einer sehr großen Firma in der Tasche hatte. Das bedeutet in Hinsicht auf die Arbeitnehmerzufriedenheit absolut nichts, der Job ist aber sicher. Englischlehrer werden sowieso immer gesucht, die Japanische Sprache sprach ich auch 2011 schon gut, es gab also keinen Grund zur Sorge.
Noch immer ist das Abenteuer in unserem Leben ziemlich kalkuliert, aber wir haben auch finanziell eine recht gute Basis. Wir leben in einer schönen Wohnung, essen nicht nur Instant-Ramen und können mehrmals im Jahr in den Urlaub fahren. Mein Mann verdient für sein Alter überdurchschnittlich, ich verdiene mehr Geld als während meines Working Holidays nach dem Abitur, für weniger Arbeit. Müsste ich mir Gedanken machen, wie ich uns beide ernähre, würdet ihr mich mehrmals im Monat am Rande des Nervenzusammenbruchs erleben. Oder auch nicht, Stichwort “Schauspieltalent”, siehe oben.
Während ich natürlich nicht in Besitz einer Kristallkugel bin und deswegen nicht in die Zukunft schauen kann, kann unsere Ehe vom jetzigen Standpunkt aus eigentlich nur an alkohol-, drogen-, hypnose- und fieberbedingten (alles zusammen!) Dämlichkeiten scheitern. Für den Notfall bekomme ich hoffentlich im Herbst endlich ewiges Wohnrecht. 😉
Vor allem bin ich aber nicht mutig, weil man Mut sammeln und aufbringen muss. Das Working Holiday und die Auswanderung an sich habe ich nie in Frage gestellt. Auch wenn ich mir allen Mut abspreche, kompletter Leichtsinn war es auch nicht. Eher eine realistische Einschätzung der Lage.
Was könnte schon schiefgehen? 🙂
(Stop! Schreibt mir nicht in den Kommentaren, was alles schiefgehen könnte! Das war eine rhetorische Frage!)
Wie ein Freund sagte: “Wenn Claudia es schafft in Japan zu leben, schaffe ich das auch.”
Falls ihr Erlebnisse habt, die euch viel Mut abgefordert haben, erzählt mir gern in den Kommentaren darüber! Ich habe nämlich keinen großen Erfahrungsschatz. 😉
Das unterschreibe ich jetzt mal so.
Mir sagen ja auch immer wieder viele, wie mutig sie es finden, dass ich damals nach Japan bin und jetzt seit fast 7 Jahren hier ganz alleine lebe.
War eigentlich ähnlich wie bei dir. Ich hatte auch nichts zu verlieren.
Ich finde, es erfordert viel mehr Mut, etwas aufzugebe, z.B. unser Leben hier in Japan, und dann woanders nochmal neu anzufangen.
Tja … jetzt bin ich schon um einiges länger als du in Japan, da ich aber nicht verheiratet bin, bekomme ich keine “permanent residency”. 😉
Das japanische Einwanderungssystem ist eben voller Rätsel 😉
Für mich war es mutig nach Japan zu gehen.. Finde ich^^;;
Hatte nen finanziell schön abgesichertes Leben in Deutschland und in Japan nix.
Jetzt lebe ich 2 Jahre hier, hab immer noch kein Geld, bzw. weniger denn je und kann die Sprache immer noch nicht richtig.
Mit den Behörden gibt’s auf Grund dessen auch ständig Probleme.. Juchuu!
Aaaaaber!! Auch ich habe immer eine offene Tür in Deutschland und könnte mir jederzeit meinen Mann unter den Arm klemmen und dorthin gehen.
Was soll’s also, bis gar nichts mehr geht kann ich hier bleiben und irgendwie verhungere ich schon nicht ^_-
Bei dir ist es ja auch mutig! Ich will absolut nicht sagen, dass es keinen Mut erfordert in ein fremdes Land zu ziehen, nur für mich persönlich ist es eben anders. 🙂
Da hast du ein Erlebnis, das Mut gefordert hat ^_-
Btw.. Auch Working Holiday in Japan kann Mut abfordern.. Wenn man den Vorsatz hat 1 Jahr zu bleiben und sich hier durchzuboxen, obwohl man keine realistische Vorstellung vom Land hat (weil man noch nie hier war… Und inzwischen denke ich, man kann Japan erst wirklich realistisch einschätzen, wenn man einige Zeit hier außerhalb des Tourismus verbracht hat.)
Wer weiß, wer weiß, vielleicht erkennst du deinen eigenen Mut nicht, weil du dich selbst als Realist siehst und glaubst, jeder Zeit Herr der Lage zu sein ^_-
Bei mir wäre es einfach nur dumm – noch kein Studium abgeschlossen und mich heiratet keiner.^^
Wenn man das so realistisch einschätzen kann, ist das doch auch gut. 😉
Yup.^^
Ich habe schon viele Dinge getan, die Mut erforderten. Als ich damals direkt nach der Ausbildung nach Irland flog, um dort zu leben und zu arbeiten. Und dann als ich Richtung Emirate flog und später nach Australien. Nie wusste ich was mich erwartet, wenn ich aus den Flieger steige. Es war nicht immer einfach und ich weiß noch wie ich damals bitterlich weinte als ich abends alleine im Bett lag, da ich realisierte, dass ich am Ende der Welt bin, niemanden kenne, kein Internet habe und nicht genug Kredit auf dem Handy ist, um zu Hause anzurufen. Aber ich bereue diese Erfahrungen nicht. Sie haben mich stärker gemacht.
Ich finde aber, die Definition von Mut ist, dass man alle Ängste und Unsicherheiten beiseite lässt, um etwas anzugehen. Mut ist nicht gleich die Abwesenheit von Angst oder Risiko 🙂 Also bist du mutig! 🙂