Die Geschichte Tokyos erleben in Ryôgoku.

IMG_4197Letytes Wochenende hatten wir in Tokyo richtiges deutsches Herbstwetter. Nieselregen den ganzen Tag, grau. Dabei ist der japanische Herbst eigentlich so schön…

Das schlechte Wetter hat uns aber endlich einen Grund gegeben das 江戸東京博物館 (Edo-Tôkyô-Hakubutsukan; Edo-Tokyo-Museum) in der Nähe des Bahnhofs 両国 (Ryôgoku) zu besuchen. Dort steht es gleich neben 両国国技館 (Ryôgoku-Kokugikan), in dem Sumo-Tourniere stattfinden.IMG_4220

In dem Museum findet derzeit eine Sonerausstellung statt, über japanische Kunst vom 浮世絵 (Ukiyo-e; traditionelle japanische Malereien und Holzschnitte)  bis zur Fotografie. Durchaus sehr spannend zu sehen, wie die Fotografie nach Japan kam – und die Fotos selbst sind auch super interessant. 🙂 In der Sonderausstellung durfte man nicht fotografieren.

In der ständigen Ausstellung ist das dafür aber durchaus erwünscht. 🙂 Auf zwei riesigen Etagen wird einem Edo (das alte Tokyo) und der Wandel zu Tokyo nähergebracht, mit unzähligen unglaublich detailierten Modellen, leicht verständlichen Grafiken, nachgebauten Häusern und allerhand, das man auch anfassen darf. 😀 IMG_4201

Zwar sind alle Ausstellungsstücke auch auf Englisch beschildert, aber vor allem die Infografiken sind dann hauptsächlich auf Japanisch. Da lohnt es sich vielleicht, an einer kostenlosen Führung teilzunehmen, auch auf Englisch. 🙂

IMG_4209 Es klingt vielleicht doof, das als Westler zu sagen, aber meine liebste Epoche ist die 明治時代 (Meiji-jidai; Meiji-Epoche), in der sich Japan dem Westen zuwandte und sich östliche und westliche Architektur, Mode, etc. vermischte.

In der Ausstellung gab es ein wunderschönes Modell von einem Haus, das zwar im unteren Teil wie ein altes westliches Haus aussah, aber trotzdem ein traditionell japanisches Dach hatte. Auch auf den Fotos in der Sonderausstellung sah man immer wieder Japaner in westlicher Kleidung zwischen denen in traditionell japanischer.

So wie auf dem Foto unten sah zu der Zeit übrigens die 銀座 (Ginza), die bekannteste Einkaufsstraße Tokyos, aus. Hach, wenn man das doch erhalten hätte…

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Wenn man über Tokyo im letzten Jahrhundert redet, muss man natürlich leider auch vom zweiten Weltkrieg sprechen. Eine etwas abgetrennte Ecke befasst sich mit den Bombenangriffen auf die Stadt, mit Nachrichtenmeldungen und Evakuierungsplänen. Es ist für mich als Einwanderin leicht zu vergessen, dass auch das zur Geschichte Tokyos gehört.

Zum Glück geht es zum Ende des Tokyo-Rundgangs dann um fröhlichere Themen: Das Wirtschaftswunder und den Aufschwung Tokyos zu einer fortschrittlichen Weltmetropole. 🙂

Bei nur 600 Yen (ca. 4,50€) würde ich jedem Touristen das Museum ans Herz legen – vor allem, wenn das Wetter mal schlecht ist. 🙂

Eat Me, Drink Me: Alice im Wunderland-Restaurant!

IMGP3481 (Copy) Letzten Dienstag ging es mit meiner Freundin Julia und Freundinnen von ihr abends in ein Themencafé das ich schon länger besuchen wollte: 魔法の国のアリス (Mahô no Kuni no Arisu; Alice im magischen Land) in 新宿 (Shinjuku). Tatsächlich gibt es allein in Tokyo noch vier weitere Alice-Restaurants desselben Betreibers: Ein weiteres in Shinjuku, eines in Ginza, eines in Ikebukuro und eines in Shibuya. Die Innenausstattung ist überall etwas anders, aber das Menü bleibt gleich. Apropos Menü: Ein riesiges Monsterding in Buchform.IMG_4137 (Copy) Das Personal ist natürlich verkleidet, unter anderem als sehr, sehr kurzrockige Alice. Japanische Einheitsgröße eben. 😉 Man soll die Bedienung übrigens einfach “Alice” (oder das japanische Equivalent, アリス Arisu) rufen. Für jeden Besucher gilt eine Mindestbestellung von einem Getränk und einer Speise, sowie 500Yen (ca. 3,80€) Sitzgebühr. Die meisten Getränke und Speisen sind natürlich von Alice im Wunderland inspiriert, und mit den Charakteren im Hinterkopf dekoriert. Alice selbst taucht allerdings kaum auf, ist aber wahrscheinlich auch schwerer als Katzen, Hasen und Raupen mit Essen zu gestalten. 😉IMG_4146 (Copy)Die Aufmachung ist durchaus liebevoll, und ich mochte mein Getränk sehr gern. 🙂 Nur kam das Essen leider nicht wirklich zusammen, und wir mussten um Salz bitten, was auch noch einmal einige Zeit brauchte um an unserem Tisch aufzutauchen.

AIMG_4147 (Copy)ber es geht wahrscheinlich keiner wegen der Qualität des Essens und des Services in ein Alice im Wunderland-Restaurant. Bei Themencafés und -restaurants muss man leider oft Abstriche machen. 🙁

Dafür bekommt man aber eine besondere Umgebung, und eben besonders putziges Essen. 😉 Spaß macht es auf jeden Fall.

Nach den zwei Stunden, die man im Restaurant verbringen kann, erhielten wir eine Rechnung, die sich letztendlich pro Person* auf 3,600Yen (ca. 27€) belief.

* Wenn in Japan nach größeren Essen die Rechnung geteilt wird, dann eigentlich immer einfach “Rechnungsbetrag” durch “Anzahl der Personen”. Alles einzeln rauszurechnen, damit bloß keiner zu viel oder zu wenig bezahlt, ist deutsche Erbsenzählerei. 😉

Ganz ehrlich: Einfach so werde ich sicher nicht noch einmal hingehen, aber das ist bei eigentlich allen Themencafés/-restaurants so. Mal ist es ganz witzig, aber auf Dauer viel zu teuer, vor allem, wenn man günstiger besseres Essen bekommen könnte. Wenn sich aber jemand Alice-liebendes nach Tokyo verirren sollte, bin ich dabei. 😉

Kirschblüte im Oktober.

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Am Dienstag war Feiertag. Tag der Kultur (文化の日 Bunka no Hi), glaube ich. Wahrscheinlich werde ich mir nie diese ganzen verdammten Feiertage merken, aber das macht zum Glück niemandem etwas aus.

Auf jeden Fall lief ich mit meiner Freundin Julia, ihres Zeichens Freundin aus Schultagen, die mein Hochzeitskleid genäht hat, und sich derzeit für einen Urlaub in Tokyo befindend, von ihrer Unterkunft in Sendagaya zum nahen Shinjuku-Gyoen (新宿御苑). Am Eingangstor hing ein Schild, auf dem gekennzeichnet war, welche Pflanzen sich denn derzeit in der Blüte befinden. Sehr überrascht waren wir, als tatsächlich 桜 (Sakura; die japanische Kirschblüte) dort auftauchte.

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Tatsächlich assoziiert man diese nämlich ausschließlich mit dem Frühling – jedes Jahr machen wir uns auf den Weg zur Hanami (花見), dem Blumengucken. Dieses Jahr waren wir dafür sogar im selben Park! Für Japan ist der Frühling eine Zeit der Veränderung. Das Schuljahr endet Ende März und beginnt Anfang April, neue Arbeitsstellen werden angetreten, man zieht um. Die Kirschblüte als Zeichen des ewigen Wandels passt da wunderbar hinein.
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Auf Nachfrage hat die Dame am Ticketschalter uns die drei Kirschbäume, die derzeit blühen, auf einer Karte eingezeichnet. Und tatsächlich: Auf einer Wiese stand der erste Baum, einzeln aber von Leuten mit Kameras umringt. 😉 Er sah ein wenig aus, wie aus der Zeit gefallen. Die Bäume standen meist noch nicht einmal in voller Blüte, auf den Bildern könnt ihr auch Knospen sehen.

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Die drei Bäume waren übrigens alle unterschiedliche Kirschbaumarten, ich erinnere mich aber leider nur an die Namen der letzten beiden: 十月桜 (Jūgatsu-Zakura; wörtl. Oktober-Kirsche) und 子福桜 (Kobuku-Zakura; wörtl. Kinderglück(?)-Kirsche).

Tatsächlich schwankten auch die Japaner zwischen fasziniert und verwirrt.

Kleiner Junge mit argwönischem Blick: Papa! Warum blühen die Kirschbäume obwohl es nicht Frühling ist?!

Sehr gut erkannt, kleines japanisches Kind!

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Ich habe mich auf jeden Fall sehr gefreut auch in der kälteren Jahreszeit noch eine kleine Erinnerung an den Frühling zu sehen. 🙂 Die japanische Kirschblüte ist eben nicht nur eine Art Baum, es gibt die verschiedensten Kirschblüten, und manche blühen eben erst, wenn es kälter wird. Wer im Januar und Februar Kirschblühten sehen möchte, muss übrigens nach Okinawa oder gleich Taiwan. 😉

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Ins Grüne: Raus nach Tachikawa.

IMG_4034 (2) (Copy)Der Herbst hat Einzug gehalten. Zwischen sonnige, warme Tage drängeln sich immer mehr dunkle kalte. An einigen Tagen wehte uns schon ein eisiger Nordwind um die Ohren, das Laub wechselt langsam die Farben.

Am Freitag war ich mit einem unserer drei IT-Teams in Tachikawa (立川), welches zwar noch Teil von Tokyo ist, aber nicht zu den 23 Bezirken gehört.* Nach etwa einer Stunde Fahrt standen wir vorm Shōwa-Gedächtnispark (昭和記念公園), einem ehemaligen Militärstützpunkt der Amerikaner. Teile des Geländes werden von den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften verwendet, der Rest wurde als staatlicher Park anlässlich des 50. Jahrestags der Krönung des Kaisers eröffnet.

* Irgendwann muss ich einen Eintrag über die ganzen Begrifflichkeiten in und um Tokyo schreiben.

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Der Park ist für tokyoter Verhältnisse riesig und bietet vor allem für Kinder einiges. 🙂 Die vielen verschiedenen Spielplätze dürften jedes noch so aktive Kind in Richtung Erschöpfung begleiten. 😉 Außerdem kann man im Park Boot- und Fahrradfahren, es gibt Sportanlagen, einen japanischen Gärten, zwei große Felder mit Kosmeen, Bonsai-Bäume, und viel viel mehr. Man kann in dem Park sicher seinen ganzen Tag verbringen.

Dafür kostet er auch Eintritt: 410Yen (etwa 3€) für jeden Erwachsenen. Wir haben noch einmal 410Yen mehr bezahlt, weil wir Fahrräder ausgeliehen haben. Der Park hat einen 11km langen Radweg, separat von den Fußwegen, mit vielen Fahrradabstellplätzen, falls man sich etwas abseits ansehen möchte.

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Ich, normalerweise jeden Wochentag achteinhalb Stunden im 45. Stockwerk mit Blick über die Stadt an den Schreibtisch gekettet, kann mir wenig Besseres vorstellen als am Freitag Nachmittag durch einen großen Park zu radeln. Den Wind im Gesicht, die Sonne langsam untergehend. Das goldene Licht bricht durchs Laub, und man möchte die Zeit anhalten.

Menschen brauchen Natur. Wäre dem nicht so, würde keiner Parks anlegen und mit großem Aufwand instandhalten. Die deutsche Schrebergartenkultur überlebt nur, weil viele Leute sich scheinbar wenig besseres vorstellen können als all ihre Wochenenden auf den Knien beim Unkrautrupfen zu verbringen. 😉

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In der großen Stadt vergisst man das manchmal. Nicht, weil man sich nicht wenigstens in der Mittagspause oder am Wochenende ins Grüne setzen könnte, sondern weil es immer so viel anderes zu tun gibt. Der Park ist auch morgen noch da, irgendein anderes Event in der Metropole vielleicht nicht.

Ich nehme mir nach diesem Parkbesuch natürlich vor, wieder öfter auch Gärten zu besuchen. Ob das so klappt, oder ob sich wieder etwas dazwischenzwängt weiß ich noch nicht. Ich habe noch nicht einmal raus, wie man bei Vollzeit überhaupt etwas schafft. 😉