Warum Japanisch einfacher zu lernen ist als man denkt.

Wenn ich erzähle, dass ich mit einem Japaner verheiratet bin, werde ich oft gefragt, ob ich Japanisch spreche. Spreche ich, denn der Mann ist nicht so der Sprachenprofi. Eine der beiden möglichen Reaktionen*:

Wirklich? Das ist doch voll schwer!

Als Sprache an sich sicher, am Anfang zum Lernen aber gar nicht mal so sehr. Vor allem nicht, wenn man hauptsächlich reden möchte. Es gibt also gar keinen Grund, sich davor zu fürchten.

* die zweite Möglichkeit ist “Sag mal was!”.

Das hat verschiedene Gründe:

① Die Grammatik

Die japanische Grammatik hat zwar auch so ihre Tücken, aber die kommen hauptsächlich zum Vorschein, weil man sie auf Biegen und Brechen mit der deutschen in Verbindung bringen will. Das funktioniert oft nicht, was aber auch ganz gut so ist.

Während sich Worte im Deutschen je nach Position im Satz und Bezug verändern, tun Sie das im Japanischen eher nicht. Es gibt im Japanischen auch weder Mehrzahl noch Artikel. Oh, und Verben nach Person ändern? Niemals! Deswegen muss man am Anfang nicht ewige Grammatiktabellen pauken, um einen grammatikalisch korrekten Satz hervorzubringen.

Die Standardsätze, die man Anfangs so lernt (“Mein Name ist x.”, “Ich bin x Jahre alt.”, “Ich komme aus x.” und “Das ist meine Handtasche! Haltet den Dieb!”) sind anfangs ganz unkompliziert zu bilden. (Desu! Desu!)

② Wir brauchen keine ganzen Sätze.

Durch generelle Mundfaulheit der Japaner kann man auch fürs deutsche Verständnis Halbsätze ausstoßen, und jeder wird denken, dass man unglaublich natürlich Japanisch spricht. Personalpronomen (ich, du, er) werden gern weggelassen, das ergibt sich schließlich aus dem Kontext.

③ Die Aussprache

Die Aussprache bereitet Deutschen meist auch keine großen Probleme. Da ist sehr viel ähnlich, und es gibt eigentlich keine Laute, die man bis zu seinem Tod nicht ausstoßen können wird. Vokale sind gleich, nur einige Konsonanten sind anders. S ist ein scharfes S (wie in Soße), Z ein weiches S (wie in Sause), J und Ch-Laute klingen wie im Englischen (Jack, Check). U-Laute werden oft nicht ganz ausgesprochen, außer sie stehen am Anfang eines Wortes (Unagi, Aal) oder werden von einem Verlängerungs-U gefolgt (Kyuushuu, was ich hier im Blog als Kyûshû umschreiben würde).

Das hört sich erst vielleicht wie etwas viel an, aber es ist eigentlich viel einfacher als z.B. die englische Aussprache.

④ Die Lernkurve

Das Lernen ist eigentlich wie ein angenehm ansteigender Hügel, statt einer riesigen Wand, die man erst mal überwinden muss, um auch nur ansatzweise die Sprache sprechen zu können. Es wird ganz angenehm komplizierter, und zumindest für mich kamen anfangs die Erfolgsmomente ganz einfach und in schönen Abständen. Manchmal ist es natürlich trotzdem frustrierend, aber ich habe ja keinen Eintrag darüber schreiben wollen, warum Japanisch schwer ist.

Das machen wir dann nächstes Mal.

(Das Buch auf dem Bild ist übrigens mein liebstes japanisches Grammatikbuch. Es ist klein, erklärt die Grammatik leicht verständlich, und ist leider nur auf Englisch erhältlich. Generell sollte man beim Japanischlernen auch auf Englische Materialien zurückgreifen, da die um einiges günstiger zu haben sind als deutsche Pendants.)

Und so lief’s dann.

Gestern war der JLPT. Bekannterweise hatte ich mich für den N1, den schwersten der Tests, angemeldet. Der wurde gestern, ganz in der Nähe, in einer Universität geschrieben. Dafür waren gleich fünf Gebäude des Komplexes, wahrscheinlich eines pro Teststufe, belegt.

Es war sehr eigenartig, auch weil man einmal die Realität* der Länderverteilung bei den Ausländern in Japan gesehen hat: In meinem Raum waren 100 Teilnehmer, davon fünf, die westlich aussahen. Der Rest kam aus anderen asiatischen Ländern, und so kann man sich das auch im Alltag vorstellen.

* Natürlich nur die Realität derer, die den JLPT bestreiten.

Also an den richtigen Platz setzen, alles runter vom Tisch außer Test-Schein, Bleistift, Radiergummi und Armbanduhr, Handy aus, alles fünf Mal überprüfen und auf die Sekunde genau mit allen Teilen anfangen.

Nun hatte ich erwähnt, dass man 2 000 Kanji, 10 000 Vokabeln und mysteriöse Grammatik kennen muss, mitsamt des Leseverständnis-Teils erstreckt sich das aber nur über 70 Fragen. 70 Fragen, davon wahrscheinlich über die Hälfte zu Dingen, die ich nicht gelernt hatte, zielsicher wie ich bin. Bei so einem kleinen Exzerpt aus dem ganzen Lernvolumen ist das aber sicher auch kein Wunder. Leseverständnis und Hörverständnis liefen dafür sehr gut, wie vorher gedacht, nach den neuen Regeln brauche ich aber in jedem Bereich 70%…

Das heißt: Im Sommer noch mal versuchen, bis dann lernen. Nicht mehr so, als würde ich mein Hirn in den Selbstmord treiben wollen, sondern nach der Arbeit, regelmäßig. So weit der Vorsatz. Im Februar kommen die Ergebnisse, dann kann ich genau sagen, wie sehr ich versagt habe.

Dafür hat mein Mann mich abgeholt, war ganz besonders lieb, und ich habe eine neue Bommelmütze. Hätte also schlimmer laufen können.

Montag Morgen.

Kurz für fünf, der Handywecker summt. Der Göttergatte schleicht sich aus dem Zimmer, und macht sich fertig für die Arbeit. Seit die Sonne später aufgeht habe ich morgens nicht die Energie mit ihm aufzustehen. Also ziehe ich um in sein Bett, dort ist’s generell viel besser, ziehe die Vorhänge auf und schlafe weiter bis um sechs.

In dieser Stunde habe ich die eigenartigsten Träume, und eigentlich sollte ich dieses erneute Schlafen einfach sein lassen. Danach bin ich nicht erholter, aber dafür ist es draußen schon heller. Der Sonnenaufgang meldet sich auch immer später und morgens ist’s kalt. 15°C, na vielen Dank.

Trotzdem, die warme Decke beseite schieben, aufstehen, durchs Internet huschen. Es könnte ja irgendjemand irgendetwas geschrieben haben. Schnell überlegen, was ich die Woche auf Arbeit mit den Kindern machen will. Das Thema ist noch immer “Sport”, und ich überlege, ob ich nicht einfach ein allgemeines Herbstthema hineinmische.

Um 6.45 fange ich dann an zu lernen. Im Moment noch immer Kanji, die mir sonst beim JLPT das Genick brechen werden. Eine Kollegin gab mir auch den unnötigsten Tipp aller Zeiten.

Ein Freund von mir macht das schlau, der lernt jeden Tag ein Kanji.

Offensichtlich ist es besser, kontinuierlich zu lernen, als wie ich, drei Wochen vorm großen Test jeden Tag zwei Seiten mit Kanji abzuarbeiten, aber mit der “Ein Kanji pro Tag”-Methode braucht man über fünf Jahre für die 2000 verlangten Kanji. Warte ich mal noch ein bisschen…

Auf jeden Fall schreibe ich zwei Seiten aus dem Lehrbuch (falls es jemanden interessiert: 「日本語能力試験」対策 日本語総まとめN1 漢字) ab, und hoffe, dass die Lesungen irgendwo tief in meinem Kopf so gespeichert werden, dass ich beim eigentlichen Test zumindest “so ein Gefühl” habe, in welche Richtung es gehen könnte. Leider muss man in diesem Mal 70% richtig haben, um zu bestehen, das ist ein wenig mehr als Raten, da brauche ich auch Glück. Woher bekomme ich auf die Schnelle ein vierblättriges Kleeblatt, und darf ich das mit den in den Prüfungsraum nehmen?

Nach etwas über einer Stunde bin ich mit dem Lernen fertig, und mein Kopf brummt. Hätte ich mich doch bloß ans Lernen gewöhnt, als ich noch jung und frisch war!, würde er gern schreien, doch er hat keine Kraft mehr. Ich mache derweil den Haushalt, das geht auch auf Auto-Pilot, und dann muss ich auch schon raus. Raus, in die Kälte, raus, wo die kleinen Biester lauern, hoffen, dass die ganz anstrengenden Biester heute bei Mama zuhause bleiben.

Nur noch… fast drei Monate!

Ich habe in einem anderen Eintrag schon über den JLPT geschrieben. Bisher habe ich den N2, der folgendes vorraussetzt: 1.000 Kanji, 6.000 Vokabeln und 600 Lernstunden. Ob ich wirklich 1.000 Kanji lesen kann oder 6.000 Vokabeln kenne, wage ich zu bezweifeln, aber irgendwie habe ich es damals geschafft. Das ist nun schon zwei Jahre her.

Mein Mann lernt jeden Abend für eine Architektenlizenz, die ich aufgrund vollkommenen Unwissens so nenne, und ich habe angefangen, mit ihm zusammen für den nächsten JLPT, den N1, zu lernen. Dafür habe ich mehrere Lehrbücher mit denen ich den Tisch vollmüllen kann, und wenn ich in etwa doppelt so viel lernen würde, hätte es sicher einen großen Effekt.

In Deutschland kann man den JLPT unter anderem in Berlin auf allen Stufen (N5 bis N1) ein Mal im Jahr am ersten Sonntag im Dezember ablegen. In Japan gibt es einen zweiten Prüfungstermin für die Stufen N3 bis N1, am ersten Sonntag im Juli. Diesen zweiten Prüfungstermin hatte ich angepeilt, wegen absoluter Unsicherheit in allem.

Abends sprach ich mit meinem Mann darüber, und er meinte, dass ich mich doch einfach für den Test im Dezember registrieren lassen sollte. Wer weiß, vielleicht würde ich es schaffen. Während man für die anderen Stufen nur 60% richtig beantworten muss, sind es beim N1 gleich 70%. Dafür hat der aber auch mehr Strahlkraft, und könnte es mir vielleicht ermöglichen, in andere Bereiche des japanischen Berufslebens vorzudringen. Generell geht in Japan viel über Lizenzen und Scheine, da werden wir Geld investieren, denn aus Deutschland habe ich nicht viel und mein TOEFL ist abgelaufen.

Auf jeden Fall habe ich mir heute im Bücherladen meines Vertrauens die Anmeldeformulare abgeholt. Nach ausführlichem Studium des Begleitheftchens (auf Japanisch, Englisch, Koreanisch und Chinesisch, wie auch viele Lernmaterialien) habe ich den Anmeldebogen ausgefüllt, und natürlich gleich mal meinen Namen falsch geschrieben. Also, eigentlich schon richtig, aber mit Nachnamen vorn, wie in Japan üblich. Soll nicht so geschrieben werden, soll aussehen wie im Pass. Große Klasse.

Ich hoffe, im Test läuft das besser.