So sauer.

Normalerweise ruft mein Mann mich an, sobald er von der Arbeit zur Bahnstation läuft. Dann kann ich mit der unglaublichen Macht der Mathematik eineinhalb Stunden hinzuaddieren, und weiß, wann er vor der Tür stehen und sein Abendessen verlangen wird. Ich verlasse mich also darauf, dass ich ganz viel Zeit habe um alles Mögliche vorzubereiten.

Letztens stand er einfach vor der Tür. Um halb sieben. Eigentlich ein schöner Umstand, aber ich reagiere auf Planänderungen allergisch und war sehr überrumpelt.

Ich: Warum hast du nicht angerufen?

Er: Ich wollte ganz schnell nach Hause kommen und habe mich ganz doll beeilt auf dem Weg zur Station.

Ich: Du hättest mir ja in der Bahn eine E-Mail schicken können*!

Er: Ich konnte nicht.

Ich: Warum?

Er: Mein Handy hat mich keine Mail schicken lassen.

Ich: Eh?

Er: Es ist total sauer, und wollte keine Mails mehr schicken.

Ich: Wie jetzt?

Er: Versuch doch mal mit ihm zu reden!

Ich: Hey, Handy! Handy! Handy!

Handy schweigt.

Er: Siehst du!

Ich: Da kann man nichts machen. Warum ist es denn so sauer?

Er: Wahrscheinlich, weil ich den Stecker nicht rausziehe, wenn es fertig geladen wurde.

Ich: Aha. Na gut.

Und wir aßen Abendessen.

* In der Bahn wird nicht telefoniert. Das steht überall und wird auch angesagt, und eigentlich hält man sich dran. Außer man ist ein alter japanischer Mann, dann muss man sich offensichtlich an keine Regeln mehr halten und kann seiner Umwelt auf die Nerven gehen.

Warum Japan?

Eine finnische Bekannte, die nächstes Jahr wahrscheinlich heiraten und nach Japan ziehen wird, bekam letztens von einer Fremden im Internet folgendes an den Kopf geworfen:

Es ist interessant, dass es immer die Frau ist, die umzieht um mit dem Mann zu sein, nie anders herum. Und die Frau sagt immer, dass es das ist, was sie machen will, weil sie versteht, dass sie die Rolle der sich opfernden Frau einzunehmen hat.

Also abgesehen davon, dass es genug Männer gibt, die ins Land der Frau ziehen, unsere Gründe, warum wir in Japan leben:

  1. Der Göttergatte hat hier studiert und hier einen Beruf, während ich von Vertrag zu Vertrag arbeite. In Deutschland hätten wir ein viel geringeres Einkommen, auch wegen dem nächsten Grund. In meinem derzeitigen Beruf verdiene ich als Teilzeitkraft mehr als als Vollzeitkraft zum Schluss in Deutschland.
  2. Ich spreche Japanisch – der Göttergatte kaum Englisch. Sollte er in Deutschland leben müssen, obwohl er sich nicht verständigen könnte, während ich in der Richtung kaum Probleme habe? Das fände ich persönlich arg egoistisch.
  3. Deutschland finde ich eh nicht so superklasse, es ist für mich, bis auf die Entfernung zu Freunden und Verwandten, angenehmer in Japan zu leben. Der Mann sieht das anders, aber er hat sich auch noch nie mit deutschen Behörden herumschlagen müssen.

Ich sehe das nicht als großes Opfer, sondern schlimmstenfalls als nötiges Übel, wenn nicht sogar als positiven Nebeneffekt. Das Land kannte ich vor meinem Mann, vielleicht gab es deswegen auch nicht den Schock, den einige Leute zu haben scheinen, die das Land kaum kannten und noch nie hier waren, bevor sie ehebedingt hergezogen sind. Wenn man das Land nicht mag, und hier nur lebt, weil der Mann das so möchte, kann ich mir vorstellen, dass es sich auf die Ehe auswirkt – tut’s bei uns aber nicht.

Ob wir irgendwann in ein anderes Land ziehen ist noch nicht klar, aber erstmal geht es mir hier gut. Ich werde nicht gegen meinen Willen festgehalten (Bitte rettet mich!).

Herr Detektiv.

Am Tag vor der Hochzeit komme ich um sieben ins Haus der Schwiegereltern, in dem mein Mann und ich derzeit übernachten. Keiner ist da. Um halb neun kommt meine Schwiegermutter nach Hause. Sie war mit dem Göttergatten essen, jetzt möchte dieser allein noch etwas trinken. Nach einer Stunde ruft er an.

Er: Wo bist du?

Ich: Zuhause.

Er: Warum hast du nicht angerufen?

Ich: Deine Mutter sagte du machst einen auf Detektiv, da wollte ich nicht stören.

Er: Ja, na dann… Ich trinke noch ein wenig.

Um halb elf ist es mir zu bunt, morgen muss ich früh aufstehen. Ich schreibe eine E-Mail.

Ich: Wo bist du?

Er: In einer Bar.

Ich: Ist es ok, wenn ich schlafen gehe?

Er: Gute Nacht!

Um zwei Uhr Nachts geht plötzlich das Licht an. Der Göttergatte ist wieder zuhause.

Ich: Wo warst du?

Er: Trinken.

Ich: Du bist doch blöd. Gute Nacht.

Am nächsten Tag hat der Göttergatte Kopfschmerzen und Aua, ein typischer Kater. An seinem Hochzeitstag. Das hält ihn übrigens nicht davon ab, total aufgeregt zu sein. Später erzählen mir seine Eltern, dass das nicht das erste Mal ist, dass er vor einem großen Event zu lange wegbleibt.

Na das kann ja heiter werden.

Die finale Entscheidung.

Wir waren gestern beim Kimono-Verleih. Verleihe gibt es in sehr teuer und sehr günstig, wir waren bei einem günstigen, der von einer versicherungsähnlichen Gesellschaft betrieben wird. Während man normalerweise gern 150 000 Yen (1 360€) Ausleihgebühr für den Kimono der Braut zahlen muss, liegt der Betrag für uns bei ca. 40 000 Yen (360€). Ich habe keine Ahnung was bei einem teuren Verleih anders ist, ich habe mich auf jeden Fall nicht gefühlt, als würde ich minderwertigen Service oder eine sehr kleine Auswahl bekommen. Leider sind wir etwas spät dran mit dem Reservieren, deswegen war einiges schon weg, aber damit kann ich leben.

Ich hatte vor einigen Wochen schon einmal über die japanische Hochzeit und 打掛 (Uchikake)-Kimonos geschrieben, den Eintrag findet man hier. Nun ist das ja wunderschön und alles, aber als ich gelesen habe, dass man auch 引き振り袖 (Hikifurisode) tragen kann, war für mich eigentlich schon klar, dass es das werden würde.

Anders als beim Uchikake wird der farbige Kimono nicht wie ein Mantel über dem weißen Kimono getragen, sondern der Obi (quasi der Gürtel des Ganzen) wird über dem farbigen Kimono gebunden, wodurch, finde ich, ein schöneres Bild entsteht, da die ganze Chose in sich geschlossen ist.

Die ganze Chose besteht aus einem Untergewand, das am ehesten an Krankenhauskleidung erinnert, einem weißen Unterkimono mit verstärktem weißen Kragen (was ich auf dem Foto trage ist nur zum Anprobieren gedacht, sonst würde man nie fertig werden), dem farbigen Kimono und diversen Obi-Zutaten, von denen ich nicht die geringste Ahnung habe. Auch hier wurde fürs Anprobieren ein vorgefertigter Klettverschlussobi mit Ansteckschleife verwendet, da das Obifalten und -binden an sich den schwersten Teil des Ganzen darstellen dürfte. In Wirklichkeit hält übrigens nicht der Obi die Form des Kimonos, sondern zwei Stoffbänder, die darunter versteckt werden. Vom Gefühl her darf man sich das auch gern ein wenig wie Korsettschnüren vorstellen, weswegen ich vorm Festessen in ein normales Kleid wechseln werde.

Beim Verleih habe ich mir drei Kimonos aus dem Katalog ausgesucht, um sie anzuprobieren.. Ursprünglich wollte ich unbedingt einen roten Kimono ausleihen, weil das Glück symbolisiert, aber die Farbe gab es fast nur bei den Uchikake-Kimonos, und die zwei roten Hikifurisode-Kimonos verblassten (verbließen?) zwischen den anderen, weswegen ich mir zwei weiße Modelle und ein schwarzes aussuchte. Die Mitarbeiterin des Verleihs war übrigens absolut hilfreich und freundlich, und hat für jeden Kimono extra nachgeguckt, ob der für den fraglichen Zeitraum schon verliehen ist – auf ellenlangen, handgeschrieben Listen.

Den weißen Kimono, den man auf dem Foto sieht, finde ich übrigens unglaublich schön, mit den vielen bunten Blumen wirkt er recht jugendlich und fröhlich. Mein rechtes Pfötchen hät übrigens den Kimono fest, was man auf dem Foto sieht ist der Modus, in dem man sich tatsächlich bewegen kann. Lässt man den Stoff zu Boden sinken kann man als Laubfeger doublen, denn die Kimonos sind lang und nur zum schön aussehen gedacht. Für den Sommer sind sie auch nicht geeignet, denn trotz Klimaanlage war mir nach einiger Zeit sehr warm. Da muss man dann wohl durch, zum Glück findet die Zeremonie im Oktober statt.

Wenn der Kimono nicht angehoben wird, kann ich mich darin nicht einmal selbstständig umdrehen, ohne Angst um den Stoff zu haben. Der schwarze Kimono ist übrigens der, für den ich mich letztendlich entschieden habe, nicht zuletzt weil eine penetrante Stimme neben mir meinte “Ja klar, den schwarzen nehmen wir! Schau doch mal, der ist total toll!”. Der Göttergatte hatte sich um einiges schneller als ich festgelegt. Zwar werden auch die Mütter schwarze Kimonos (mit Muster) tragen, aber das ist nur am unteren Rand und daher vom Eindruck sehr anders.

Was man auf dem Foto vielleicht nicht ganz so gut sieht, ist der Hase in der unteren Mitte. Dieses Jahr ist das Jahr des Hasen. Das ist vielleicht einer der schlechteren Gründe, warum ich mich letztendlich wirklich für diesen Kimono entschieden habe, ein anderer wäre auch noch, dass er auf Fotos wirklich gut aussieht. Denn was bleibt letztendlich übrig, außer Erinnerungen, die eh immer ungenauer werden? Fotos! Viele Fotos!