Letztens beim Frühstück.

Letztes Wochenende beschlossen wir, zur Solamachi zu fahren. Der Sommer-Sale hatte begonnen und außerdem war es Biergarten-Wetter. In der Solamachi gibt es ein Restaurant, das auf ausländische Biere spezialisiert ist und wo man auch draußen essen kann: 世界のビール博物館 (Sekai no Bîru Hakubutsukan; Welt-Bier-Museum).

Vorher ging es zum Frühstück und unser Gespräch kam darauf, dass wir vielleicht ein Auto kaufen wenn ich schwanger werde und dass ich einen Führerschein brauche.

Er: “Du solltest es mal ausprobieren.”

Ich: “Hmn?”

Er: “Lass uns doch irgendwo hinfahren, wo du gegen nichts fahren kannst, und dann fährst du Auto.”

Ich (halte mich an der Tischplatte fest): “Nein! Wir müssen doch zur Solamachi! Bier trinken! Bier! Ich geb’ dir eins aus!”

20140706_121516Und so geschah es.

Während ich an meinem Ginger Ale nippte* bestellte mein Mann sich durch Europa, fragte nach jedem Bier, warum die Japaner nicht so gutes Bier brauen können und ließ sich die Sonne auf den Bauch scheinen.

* Ich trinke recht wenig und gestern Abend stellten wir auch wieder fest, warum – nach drei Bier lief ich sehr angeheitert durch Tokyo.

Mit Alkohol im Blut kann man nicht mehr autofahren, und so verbrachten wir den Rest des Tages damit einzukaufen.**

Gerade noch einmal gut ausgegangen. 😉

** Würde es irgendjemanden interessieren, was ich so für Klamotten trage? Bei Interesse schreibe ich mal drüber. Mit Fotos. 🙂

Die etwas eigenartigen Dinge in Japan.

In Japan bin ich über die 国民健康保険 (Kokumin Kenkô-Hoken; Nationale Krankenversicherung) versichert. Über die Firma kann ich nicht versichert werden, weil ich dafür zu wenig arbeite und über meinen Mann und damit seine Firma kann ich nicht versichert werden, weil ich zu viel verdiene. Die Grenze liegt, wenn ich mich recht entsinne, bei 1,300,000Yen (ca. 9300€). Meine Krankenversicherung muss ich also komplett aus eigener Tasche bezahlen, aber ich nutze das System dermaßen, dass es sich absolut lohnt.

Übrigens zahlt man für gewöhnlich 30% der Arztkosten in Japan selbst. Das heißt, dass es schon mal empfindlich wehtun kann, wenn doch eine genauere Untersuchung ansteht.

20140623_160812#1Mehrmals im Jahr bekomme ich einen Brief*, in dem steht, bei welchem Arzt ich war und wie viel Geld das gekostet hat. Ich weiß nicht genau, warum ich diese Information benötige, vielleicht versucht man ja mir ein schlechtes Gewissen zu machen. 😉

* Eigentlich eine Postkarte. Wir haben hier Postkarten, die man auffalten kann. Ist wohl günstiger als Briefe zu verschicken.

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Nein, so heiße ich nicht.

Was aber eigentlich eigenartig ist, ist an wen diese Postkarten addressiert sind: An meinen Mann.

Mein Mann ist nicht über die gleiche Versicherung krankenversichert. Er bezahlt meine Krankenversicherung nicht. Er hat überhaupt nichts mit denen zu tun. Aber scheinbar reicht allein, dass er der Mann im Haus ist, aus um ihn dafür zu qualifizieren soetwas zugeschickt zu bekommen. (Er ist tatsächlich 世帯主 (Setai-Nushi; Kopf des Haushalts).)

Nicht dass ich Geheimnisse vor meinem Mann hätte, aber etwas nervt es mich schon. Geht ja schließlich um meine Gesundheit und meine Arztbesuche.

Die Beiträge errechnen sich übrigens aus dem Haushaltseinkommen… Und da mein Mann letztes Jahr noch mehr Überstunden gemacht hat als im Vorjahr steigen meine Beiträge plötzlich um 50%… 🙁

 

Das Mücken-Drama.

Sommer ist Mückenzeit und wie immer werde ich mehr gestochen, als es möglich sein sollte. Letzten Donnerstag waren wir für eine Stunde im Park, wo ich drei Mücken dabei erwischte, wie sie mich aussaugten, und an einer Vergeltung übte – die ärgert niemanden mehr.

Warum kann ich nach einem Parkbesuch acht oder neun Mückenstiche zählen, während andere Leute, die mit mir da waren, viel weniger attackiert werden?

Es liegt scheinbar an zwei Dingen.

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By Muhammad Mahdi Karim – Own work, GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=9556152

Mücken suchen sich ihre Opfer tatsächlich aus. Die beliebteste Blutgruppe – 0. Welche Blutgruppe hat Claudia? Null. Ich stehe auf der Speisekarte von Mücken also recht weit oben, unter “vom Koch empfohlen”. Nun hat mein Mann aber die gleiche Blutgruppe, wenn wir in der Nacht eine Mücke im Schlafzimmer haben, werde aber immer ich ausgesaugt.

Es gibt Menschen, bei denen Antigene* nicht nur auf den roten Blutzellen hocken, sondern auch frei im Körper herumschwirren und durch Schweiß und ähnliches nach draußen gebracht werden – Mücken können das riechen, wie eine riesige olfaktorische Werbetafel für ein Festessen, Blutgruppe 0. Das ist übrigens bei wohl 80% aller Menschen so, aber ich würde ja fast wetten, dass mein Mann zu den verbleibenden 20% gehört.

* Über Antigene kann die Blutgruppe bestimmt werden. Das ist ganz praktisch, wenn man eine Bluttransfusion bekommen soll.

Man kann das übrigens testen lassen, aber für das Geld kaufe ich mir lieber Mückenspray.

(Hier ein kurzes, englischsprachiges, Video über Mücken.)

Mutig?

Manchmal wird mir gesagt, wie unglaublich mutig ich doch war, mit 18 Jahren nach Japan zu ziehen und jetzt für immer im fremden Land zu sein. Im unwahrscheinlichen Fall, dass “mutig” nicht ein Euphemismus für “ziemlich bescheuert” ist, eine kleine, ich möchte es fast “Richtigstellung” nennen.

640px-Cowardly_LionIch bin nicht mutig, sondern eher der feige Löwe vom “Zauberer von Oz”. Ich leide durchaus unter Versagensangst und versuche Risiken und möglichen Misserfolg so gut wie es geht zu vermeiden. Warum man mir das nicht anmerkt? Ich bin Meisterin des gespielten Selbstbewusstseins. 😉

Warum bin ich also nach dem Fachabi für ein Jahr nach Japan gegangen?

  1. Ich hatte nichts Besseres zu tun.
  2. Es war ein überschaubares Risiko.

Studieren wollte ich, sehr zum Leidwesen meiner Mutter, nicht und das Abenteuer Japan war wegen des Working-Holiday-Visums von vornherein auf ein Jahr begrenzt. Wenn es zu schrecklich gewesen wäre hätte ich auch jederzeit nach Hause fliegen können, ich hatte also immer eine Tür nach Deutschland sperrangelweit offen. Für ein Jahr nach Japan zu ziehen war auch nicht gewagter, als ein Jahr in ein englischsprachiges Land zu ziehen, und wie viele Frischabiturienten jedes Jahr nach Australien gehen…

Auch der Sprung in mein jetziges Leben war eher wenig riskant. Wir haben geheiratet nachdem mein Mann einen Vertrag bei einer sehr großen Firma in der Tasche hatte. Das bedeutet in Hinsicht auf die Arbeitnehmerzufriedenheit absolut nichts, der Job ist aber sicher. Englischlehrer werden sowieso immer gesucht, die Japanische Sprache sprach ich auch 2011 schon gut, es gab also keinen Grund zur Sorge.

Noch immer ist das Abenteuer in unserem Leben ziemlich kalkuliert, aber wir haben auch finanziell eine recht gute Basis. Wir leben in einer schönen Wohnung, essen nicht nur Instant-Ramen und können mehrmals im Jahr in den Urlaub fahren. Mein Mann verdient für sein Alter überdurchschnittlich, ich verdiene mehr Geld als während meines Working Holidays nach dem Abitur, für weniger Arbeit. Müsste ich mir Gedanken machen, wie ich uns beide ernähre, würdet ihr mich mehrmals im Monat am Rande des Nervenzusammenbruchs erleben. Oder auch nicht, Stichwort “Schauspieltalent”, siehe oben.

Während ich natürlich nicht in Besitz einer Kristallkugel bin und deswegen nicht in die Zukunft schauen kann, kann unsere Ehe vom jetzigen Standpunkt aus eigentlich nur an alkohol-, drogen-, hypnose- und fieberbedingten (alles zusammen!) Dämlichkeiten scheitern. Für den Notfall bekomme ich hoffentlich im Herbst endlich ewiges Wohnrecht. 😉

Vor allem bin ich aber nicht mutig, weil man Mut sammeln und aufbringen muss. Das Working Holiday und die Auswanderung an sich habe ich nie in Frage gestellt. Auch wenn ich mir allen Mut abspreche, kompletter Leichtsinn war es auch nicht. Eher eine realistische Einschätzung der Lage.

Was könnte schon schiefgehen? 🙂

(Stop! Schreibt mir nicht in den Kommentaren, was alles schiefgehen könnte! Das war eine rhetorische Frage!)

Wie ein Freund sagte: “Wenn Claudia es schafft in Japan zu leben, schaffe ich das auch.”

Falls ihr Erlebnisse habt, die euch viel Mut abgefordert haben, erzählt mir gern in den Kommentaren darüber! Ich habe nämlich keinen großen Erfahrungsschatz. 😉