Japan vs. Kambodscha: “Gehen wir und setzen uns in ein Restaurant?”

IMG_3369Vor einigen Wochen ging eine E-Mail durch’s Büro: “Wir haben Tickets für das Fußballspiel Japan gegen Kambodscha, wer will, wer will, wer hat noch nicht?” Nachdem ich leider letztes Mal keine Karten für Rugby abbekommen hatte, sollte es zumindest Fußball sein. Nachdem ich die Tickets gewonnen hatte fand ich auch recht schnell jemanden, der mit mir hingehen würde: Masami, die Assistentin einer anderen Abteilung.

Masami ist wie ich recht neu und über eine 派遣会社 (Haken-gaisha; Zeitarbeitsfirma) angestellt – es gibt also immer recht viel zu quatschen. 🙂

Am Spieltag war das Wetter sich offensichtlich unschlüssig – Auf Nieselregen folgte Sonnenschein folgte Platzregen. Leider regnete es während großer Teile des Spiels und die freien Sitzplätze (also ohne Sitzplatzreservierung) im 埼玉スタジアム (Saitama Stadium) haben kein Dach… Kurz nachdem wir Plätze gefunden hatten überlegten wir ernsthaft einfach wieder zu gehen. Schlechtes Wetter, und der Spielausgang war eh schon klar.

Zum Gück wurden wir dann aber von unseren Plätzen vertrieben* und mussten uns weiter vom Spielfeld weg hinsetzen. Dafür waren wir aber auch näher an der Wand für das Dach der Leute mit den teureren Tickets und wurden immerhin nicht mehr nass.

* Es hatte sie wohl jemand reserviert, aber so unoffensichtlich, dass wir dachten sie wären frei. In Japan ist nichts mit “Weggegangen Platz vergagen”, wenn auf dem Sitz irgendetwas liegt ist der reserviert.

Das Spiel selbst – nun ja, Kambodscha ist auf Platz 180 der FIFA-Weltrangliste. Auch wenn Japan nicht gerade hervorragend spielt sind sie haushoch überlegen. Der Großteil des Spiels fand auf der Seite mit Kambodschas Tor statt. Spaß macht es trotzdem immer zuzusehen, weil die Atmosphäre im Stadion hervorragend ist. 🙂

Nächstes Mal werde ich trotzdem wahrscheinlich nur bei der Ticketverlosung mitmachen, wenn Japan gegen jemanden spielt, der eine Chance hat – China, Korea, die Vereinigten Arabischen Emirate. Oder auch Nordkorea, gegen die haben sie letzten Monat 2 zu 1 verloren. Diese Information hat bei einer anderen Kollegin übrigens Lachkrämpfe ausgelöst.

Wir sind so schwach, dass wir gegen Nordkorea verlieren?! Das kann ja was werden.

Dann vielleicht nächstes Mal doch lieber Rugby. Beim Baseball war ich auch noch nicht…

Wenn ihr im Urlaub zu viel einkauft: Von Japan aus nach Deutschland versenden.

 

Wer kennt das nicht? Ihr habt ewig lange auf euren Japanurlaub hingespart. Innerhalb weniger Minuten in 原宿 (Harajuku), 秋葉原 (Akihabara), 浅草 (Asakusa), oder wo sich sonst das Mekka eurer Obsession befindet, habt ihr so viel gekauft, dass ihr euch kaum mehr vorwärtsbewegen könnt. Und in eure Koffer passt das jetzt auch nicht mehr.

Wie kriegt ihr jetzt also das Garados-Plüschtier in Originalgröße nach Hause? Mit der Post natürlich. Es gibt bei der japanischen Post (日本郵便 Nihon Yûbin) im großen und ganzen vier Versandarten für Pakete ins Ausland.

Einen superpraktischen Rechner für die Versandkosten gibt es auf der Seite der Post, sogar auf Englisch. 🙂 Aber was erwartet einen eigentlich bei den verschiedenen Versandarten?

Per Schiff: Langsam und günstig.

船便 (Funabin; Versand per Schiff) ist vor allem dann zu empfehlen, wenn man die Sachen für einige Zeit nicht mehr braucht. Es kann eins bis drei Monate dauern, bis das Paket angekommt. Dafür ist der Preis absolut bezahlbar. Auf Englisch wird es Surface Mail genannt.

Per Luft (Economy SAL): Etwas schneller, etwas teurer.

エコノミー航空便 (Economy Kôkûbin; Economy Luftfracht) heißt nicht etwa, dass euer Paket im Flugzeug die Beine anziehen muss, sondern dass es versendet wird, wenn irgendwo noch Platz frei ist. Es kann also sein, dass euer Paket innerhalb weniger Tage ankommt, durchschnittlich dauert es aber zwei Wochen. Vielleicht ganz gut, wenn ihr am Anfang eures Urlaubs etwas kauft, dann kommt es vielleicht mit euch zusammen in Deutschland an. 😉 Für Pakete unter zwei Kilo schreibt ihr “Small Package” drauf, und es wird günstiger.

Per Luft (Airmail): Schnell, aber zweieinhalb Mal so teuer wie per Schiff.

航空便 (Kôkûbin; Luftfracht) ist eigentlich perfekt: Das Paket ist in unter einer Woche da, und an sich ist es noch bezahlbar. Wieder wird es bei einem Gewicht von unter zwei Kilo und “Small Package” auf der Verpackung günstiger. Leider muss man für Versicherung und Sendungsverfolgung, wie auch bei den beiden oberen Versandoptionen, extra zahlen. Das ist in der Königsklasse des Versands, zumindest dessen der japanischen Post, etwas anders:

EMS: Wenn das Paket vor euch ankommen soll.

Ich weiß, wann meine Familie Geburtstag hat. Aber irgendwie schaffe ich es trotzdem nie, rechtzeitig Geschenke einzukaufen. Und am Wochenende, wenn ich Zeit zum Einkaufen habe, ist die Post geschlossen. EMS rettet mir immer mal wieder das werte Hinterteil: Es ist nämlich zwar teuer, aber innerhalb von etwa zwei bis vier Tagen ist es dann auch da. Versichert und mit Sendungsverfolgung, die panisch immer wieder aufrufen kann.

Als ich damals 2009 vorrübergehend wieder nach Deutschland ging, schickte ich mir alles per EMS zu, mit dem Effekt, dass die Pakete teils tatsächlich vor mir zuhause ankamen! Für EMS gibt es spezielle Adressformulare, die man ausfüllt und aufs Paket klebt. Gibt es in jeder Postfiliale, steht groß EMS drauf.

Dank des deutschen Zolls muss man beim Versand leider immer eine Zollerklärung ausfüllen. Ist etwas nervig, aber lässt sich scheinbar nicht umgehen*. Außerdem sprechen die meisten Leute am Postschalter kein Englisch, aber “EMS” oder “Airmail” funktionieren wunderbar.

* Außer die Postbeamten vergessen es. Dann ist es dem deutschen Zoll scheinbar wurscht.

Aber wie soll ich das denn alles verpacken?

Was Verpackungsmaterial angeht, ist man in Japan recht frei. Es reicht z.B. durchaus einfach seine Einkaufstüte zuzukleben und die deutsche Adresse draufzuschreiben. Etwas haltbarere Tüten und Päckchen gibt es in der Postfiliale auch zu kaufen. 🙂 Richtig große Kisten habe ich damals von クロネコヤマト (Kuroneko Yamato) bekommen, die verschicken zwar auch ins Ausland, sind aber viel teurer.

Nachtrag: Und der Zoll?

Die Zollfreigrenze für Geschenke beträgt 40€, derzeit ca. 5450Yen. Nun kann ich euch natürlich nicht zu irgendetwas anstiften aber – manchmal werden Dinge kurz vor Versand eben spontan ein wenig günstiger. Der Zoll war bei mir damals auch sehr nachsichtig, als ich mir selbst Sachen schickte. Ich schrieb “Umzug” drauf, zog beim Zoll einen offensichtlich benutzten Schuh aus dem Gepäck und das Problem hatte sich erledigt. Das ist natürlich keine Garantie dafür, dass ihr keinen Zoll zahlen müsst, aber die Zollerklärung, die ihr in Japan bei der Post abgebt, sollte euch zumindest vor der Tortur im Zollamt bewahren.

Am einfachsten ist es wahrscheinlich, wenn ihr einfach auf dem Hinflug im Koffer genug Platz für eure Einkäufe lässt. Aber ich verstehe, manchmal ist das schwer… 😉 Frohes Shoppen, unterstützt die japanische Wirtschaft!

Alle anschnallen bitte.

(c) JAF

(c) JAF / In etwa “Wir schnallen uns auch auf den Rücksitzen an”

Japan. Ein fortschrittliches Land. Manche Dinge sind anders als zuhause, und das ist okay. Es gibt nur ein Thema, über das ich mich regelmäßig aufrege: Anschnallen.

Aus irgendeinem Grund ist das Anschnallen auf den Rücksitzen nämlich erst seit Mitte 2008 Pflicht*, was natürlich heißt, dass viele es gar nicht als nötig erachten. Nun ist mir das bei Erwachsenen recht egal, wenn sie in einen Unfall verwickelt werden und sterben, ist das allein ihre Verantwortung.

* 後部座席シートベルト着用義務 (Kôbu Zaseki Shîtoberuto Chakuyô Gimu; Sitzgurt-Anlege-Pflicht auf den Rücksitzen)

Die ganzen unangeschnallten Kinder bereiten mir viel größere Kopfschmerzen.

Bei meiner alten Arbeit bot mir eine Mama an, mich bis zum Bahnhof im Auto mitzunehmen. Neben mir saß ihr 4-jähriger Sohn – bzw. hüpfte er im Auto herum. Die Anschnallgurte waren unter die Sitze gestopft. Auf meine Bitten sich doch zumindest hinzusetzen, stimmte seine Mutter mir zu “Hörst du Yûto, du sollst dich hinsetzen” – Wenn du das willst, setze ihn auf einen Kindersitz und schnalle ihn an. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich unangeschnallte Kinder auf Hinter- und Vordersitzen oder dazwischen gesehen habe. Das gleiche gilt fürs Fahren mit Baby auf dem Schoß.

Wenn wir auf der 高速道路 (Kôsokudôro; unsere japanischen Autobahn) fahren, sehe ich öfter in den Autos um uns herum mehere Gestalten auf den Rücksitzen herumturnen – unangeschnallte Kinder, bei 100 km/h. In Deutschland undenkbar.

スクリーンショット 0027-08-07 7.14.54Erst diese Woche gab es in 名古屋 (Nagoya) einen Unfall. Ein Sportwagen fuhr in einen Familienwagen, die zwei unangeschnallten Kinder wurden aus dem Auto geschleudert. Die 8-jährige Tochter verstarb daraufhin im Krankenhaus, der 6-jährige Sohn wurde schwer verletzt. Mama, auf dem Fahrersitz, kam mit leichten Verletzungen davon. War ja schließlich angeschnallt.

Das Problembewusstsein fehlt. Was soll denn schon passieren, ich fahre schließlich vernünftig. Da gibt es dann eben Fragen im Internet wie “Ist es jetzt gegen das Gesetz, wenn ich mein Kinder nicht anschnalle? Wie hoch ist die Strafe?” – Man sollte Kinder nicht aus Angst vor Strafzahlungen anschnallen, sondern weil sonst eine reelle Gefahr für ihr Leben besteht. Mir ist klar, wie nervig Kinder Anschnallgurte finden, und wie anstrengend das sein kann. Zähneputzen finden die meisten Kinder viel schlimmer, tun müssen sie es trotzdem.

Immerhin ist das erste Suchergebnis wenn man im japanischen Google nach シートベルト (Shîtoberuto; von “Seatbelt”) sucht, diese Seite von der japanischen Polizei. Leider ist die Seite super alt, und selbst die Informationsvideos muss man sich erst herunterladen um sie sehen zu können.

Ich werde also wahrscheinlich noch einige Male schockiert den Kopf schütteln…

Bin ich noch gut angepasster Ausländer oder schon Rassist?

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Meine Schwester und ich bei meiner Hochzeit.

Am Samstag fiel mir ein Kommentar unter dem Foto einer deutschen Bekannten auf Instagram auf.

“This is some culture appropriation shit.”

Was hatte meine Bekannte getan? Einen Kimono getragen. Einen sehr modernen, sehr coolen Kimono. Aber erst einmal ein bisschen Hintergrund.

Was ist Cultural Appropriation?

Der Begriff kommt aus Amerika, weswegen er am einfachsten an amerikanischen Beispielen zu erklären ist. Wenn in Amerika, mit der dominanten amerikanischen Kultur, ein Mitglied dieser dominanten Kultur Teile einer historisch unterdrückten Minderheitskultur (black culture, native American culture, …) kopiert, ohne die kulturelle Bedeutsamkeit des Kopierten zu verstehen oder die für Mitglieder der Minderheitskultur eng verknüpfte Unterdrückung erleben zu müssen, ist das Cultural Appropriation.

Wenn z.B. ein weißer Amerikaner ein Warbonnet (die Federhaube der nordamerikanischen Indianer) aus Spaß oder um cool zu wirken trägt, eignet er sich ein Objekt mit großem Stellenwert in der unterdrückten Herkunftskultur an, versteht den Stellenwert höchstwahrscheinlich nicht, und lebt nicht in der Gewissheit dass seine Vorfahren von den weißen Siedlern verdrängt und abgeschlachtet wurden und die Echos der Geschichte in die Gegenwart reichen.

Was brauchen wir also, um etwas als “Cultural Appropriation” zu bezeichnen?

Jemanden, der sich ein Element einer unterdrückten Minderheitskultur aneignet, und der dieses Objekt in seiner Signifikanz nicht versteht und/oder es gegen den Willen der Ursprungskultur übernimmt.

So weit so gut. Meine Bekannte und ich, wir leben in Japan. Wir haben japanische Familie, japanische Freunde – und wir begehen japanische Rituale. Nicht, weil wir Japan so unglaublich toll und exotisch finden würden, oder wir unbedingt Japanisch sein wollen, sondern weil es die Kultur unseres neuen Heimatlands ist. In anderen Worten: Es ist die dominante Kultur und wir, als Mitglieder der Minderheitskultur, passen uns an. Das ist nicht “Cultural Appropriation” sondern Assimilation.

Wir begehen viele dieser Rituale, weil es von uns erwartet wird und weil wir ein Teil nicht nur unseres neuen Landes sondern vor allem unserer japanischen Familie sein wollen. Stellt euch vor, wir würden die japanische Kultur nicht annehmen: Wie arrogant und ignorant wäre das denn? Und apropos “Elemente einer Kultur in ihrer Signifikanz nicht verstehen”: Wir lernen von denen, die es wissen müssen – Japanern in Japan. Eben jene Japaner in Japan freuen sich übrigens riesig, wenn Nicht-Japaner ihre Kultur so sehr wertschätzen, dass sie sie selbst ausüben (Siehe: Als Ausländer Yukata tragen.) Wir haben also sogar die Erlaubnis der dominanten Kultur.

Wenn wir als Deutsche in Japan Kimono tragen, tragen wir ihn nicht als Kostüm, sondern korrekt und als Ausdruck unserer Verbundenheit zu unserer zweiten Kultur*. Und aus dem Grund, aus dem Japaner Kimono tragen: Sie sind einfach wunderschön. 🙂 Wir tragen kein eigenartiges ein bisschen japanisches, ein bisschen chinesisches, sehr sexualisiertes Kleidungsstück wie Katy Perry bei einer Performance 2013. Das war übrigens in Amerika ein Skandal – während der Großteil der Japaner sich nicht daran gestört hat.

* “… unserer ersten Fremdkultur” analog zur “ersten Fremdsprache”?

Japaner brauchen niemanden, der sich an ihrer Stelle aufregt. Ich brauch niemanden, der mich als “kulturlosen Mayo-weißen Rassisten” bezeichnet, weil ich an der Kultur meines neuen Heimatlandes teilhabe. Vor allem nicht, wenn ich von Japanern haufenweise Komplimente bekomme, wenn ich Yukata oder Kimono trage. Deren Meinung ist mir nämlich, im Gegensatz zu der einer Amerikanerin aus dem Internet, wichtig. 🙂