Ich bin mangelhaft.

mangelhaft

Nachdem ich vier Tage in der Wohnung eingesperrt war, darf meine Grippeviren schließlich nicht einfach unter die Leute verteilen, durfte ich heute endlich raus! 😀

Mittagessen aßen wir in einem ラーメン (Râmen) Restaurant. Vielen ist sicher bekannt, dass man Nudeln in Japan schlürft. Das bringt den Geschmack besser heraus und zeigt dem Koch, dass es schmeckt.

In Deutschland schlürft man nicht, am besten macht man gar keine Geräusche beim Essen. Ich bin natürlich in Deutschland mit deutschen Eltern aufgewachsen, Schlürfen war also absolut verboten. Dummerweise heißt das, dass ich nicht schlürfen kann! 🙁 Ich bekomme nicht einmal die Nudeln ordentlich eingesogen.

Meinen Mann amüsiert das ungemein. Mein mangelhaftes Schlürfen ist für ihn in etwa so, als könnte ich mir die Schuhe nicht selbst zubinden. Japaner können alle schlürfen.

Lecker war es trotzdem. 🙂

Was sind eure Lieblings-Ramen?

Wie man in Japan wieder gesund wird.

Wer meinen beiden anderen öffentlichen Social Media-Kanälen (Facebook und Instagram) folgt, weiß, dass ich Grippe habe. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch konnte ich nur schlecht schlafen, am Mittwoch habe ich mich dann auf Arbeit geschleppt musste aber nach nur einigen wenigen Stunden aufgeben.

Eine Untersuchung beim Arzt ergab, dass ich Grippe bzw. Ifluenza habe. Seit diesem Ergebnis, bin ich in unserem Schlafzimmer unter Qurantäne. 🙁 Zum Glück geht es mir inzwischen wieder viel besser, ab Sonntag darf ich wieder mit der Außenwelt interagieren und am Montag geht es wieder auf Arbeit.

Aber was denken Japaner*, wie man gesund wird?

* Wie immer kann ich nur über Japaner, die ich kenne, schreiben.

Bloß nicht baden! Oder duschen!

Wenn ich krank bin, versucht mein Mann alles, um mich vom Duschen abzuhalten. Er meint er hat Angst, dass es meinen Körper überanstrengen würde. In Wirklichkeit kommt diese Wasserphobie aber daher, dass damals viele Leute in 銭湯 (Sentô; Badehäusern) gebadet haben. Erstens sollte man mit seinen Viren nicht dort baden gehen, wo auch viele andere baden, und zweitens verkühlt man sich auf dem Weg vom Badehaus nach Hause vielleicht doch. Auf dem sechs Meter langen Weg vom Bad ins Bett eher nicht. Bei hohem Fieber sollte man aber tatsächlich nicht baden.

Binde dir eine Lauchzwiebel um den Hals!

Das hat man mit mir zum Glück noch nie versucht, aber der Geruch von leicht gebratener Lauchzwiebel beruhigt wohl den Körper und lässt einen besser schlafen. Außerdem hilft es angeblich wirklich dabei Viren abzutöten.

Ingwer! Mehr Ingwer!

Als ich das erste Mal in Japan eine Erkältung hatte, habe ich in einem Restaurant gearbeitet. Die Chefin meinte, sie würde mir schnell etwas gegen Erkältung geben und brachte mir eine Tasse mit einem Heißgetränk. Nach dem ersten Schluck musste ich fast ausspucken: Ingwer! Nicht, dass ich etwas gegen Ingwer hätte, aber man hätte mich durchaus vorwarnen können. Ingwer erweitert die Blutgefäße und sorgt damit für eine bessere Durchblutung. 🙂

Sports Drinks trinken!

Sports Drinks sind Getränke, die darauf abzielen den Körper nach einem Training mit Wasser, Elektrolyten und Energie zu versorgen. Japaner schwören drauf, auch wenn das Zeug eigentlich voller Zucker und schrecklich ist. Sobald ich krank werde, versucht mein Mann mir Sports Drinks einzuflößen, ich wehre mich aber.

Was habt ihr so für Hausmittel? 🙂

Starbucks kennt mich nicht.

starbucks

Wenn man in Deutschland oder Amerika bei Starbucks ein Getränk bestellt, wird man nach seinem Namen gefragt. Der wird dann auf den Becher geschrieben und ausgerufen, sobald man seine kaffeehaltige Zuckerbombe am Schalter abholen kann.

In Japan wird das nicht gemacht. Manchmal wird ein “Thanks” oder “Have a nice day” auf den Becher geschrieben, aber meist nur der abgekürzte Getränkename. Es gibt zwei gute Gründe dafür und einen, der immer mal wieder angebracht wird, aber nicht legitim ist:

Nachnamenskultur

Japaner nennen sich beim Nachnamen. Auch wenn man sich vorstellt, sagt man meist nicht seinen vollen Namen, sondern nur seinen Nachnamen:

本間と申します。よろしくお願いいたします。 (Homma to môshimasu. Yoroshiku onegai itashimasu.; Ich heiße Homma, nett Sie kennenzulernen*.)

Wenn man also in einem Laden nach dem Namen gefragt wird, nennt man zuerst den Nachnamen. Es hätten also alle Starbucksbecher einen Nachnamen draufstehen – und vor allem bei den häufigeren Nachnamen (Satô, Suzuki, Takahashi, Tanaka, Watanabe) könnte das durchaus zu Verwirrung führen. Etwa zwei Millionen Japaner heißen mit Nachnamen Satô.

* “Yoroshiku onegai shimasu/itashimasu” bedeutet eigentlich etwas anderes, aber ist nicht 1:1 zu übersetzen.

Hier übrigens der Grund, der immer mal genannt wird: Japaner haben für ihren Namen Kanji, und weil man nie so ganz wissen könne wie jemand seinen Namen schreibt, würde man vorsichtshalber gar nichts schreiben. Es gibt in Japan Silbenschriften, die verwendet werden, wenn die Lesbarkeit im Vordergrund steht. Wenn man also nicht weiß, ob ein Watanabe sich 渡辺 oder 渡邊 oder 渡邉 schreibt, schreibt man einfach ワタナベ.

Privatsphäre

Japaner wollen auch einfach ihren Namen nicht rausrücken obwohl es eigentlich nicht nötig ist. Ein Gefühl, das jeder versteht, der Starbucks schon mal einen falschen Namen gegeben hat. 😉 Es wird in Japan also nicht nach “Watanabe, Watanabe!” gesucht, sondern nach dem “Kunden, der eine Soy Milk Latte bestellt hat!”.

Natürlich ist auch dieses System fehleranfällig. Letztens schnappte mir z.B. jemand mein Getränk weg, weil sie dachte, dass es ihres wäre.

Aber insgesamt gehe ich in letzter Zeit nicht wirklich oft zu Starbucks, außer es gibt irgendein Spezialgetränk, dass ich unbedingt trinken möchte. Es ist einfach viel zu teuer, und wir haben auf Arbeit unser eigenes Café.

Gebt ihr den Leuten bei Starbucks euren richtigen Namen? Und können die den schreiben?

Unterschiede auf Arbeit.

Arbeit

Mein Mann arbeitet für eine typisch japanische Firma. Ich arbeite für eine Firma, deren Zentrale sich in Deutschland befindet. Firmen wie meine nennt man 外資系企業 (Gaishikei Kigyô), normale japanische Firmen sind 内資系企業 (Naishikei Kigyô), das Wort hört man aber kaum. 😉 In ausländischen Firmen läuft einiges anders, was zu einigen Missverständnissen zwischen mir und meinem Mann geführt hat – er wirft mir vor, ich hätte keinen “gesunden Menschenverstand”, ich erkläre ihm, dass es in internationalen Firmen einfach manchmal etwas anders läuft. Aber was genau eigentlich?

(Bitte bedenken, dass ich nur von genau meiner und der Firma meines Mannes reden kann.)

Zur Firma meines Mannes: Große japanische Baufirma, er ist in der Planungsabteilung. Noch bis Ende März fest angestellt, dann geht es in den öffentlichen Dienst. 🙂

Zu meiner Firma: Großer deutscher Sportartikelhersteller, ich bin seit fast einem Jahr als Zeitarbeiter in der IT.

Arbeitszeiten, Überstunden und Urlaub

Natürlich muss in jeder Firma gearbeitet werden, und wenn viel los ist, bleibt man manchmal länger oder kommt früher. Der Unterschied bei meinem Mann: Es wird erwartet, dass man mindestens 30 Minuten vor Dienstbeginn da ist. Nicht, dass einem die Zeit irgendwie angerechnet werden würde… Bei uns zählt jede zusätzlich gearbeitete Minute als geleistete Arbeitszeit. Anders als bei meinem Mann haben wir nicht nur auf dem Papier Gleitzeit – wer früher kommt, kann früher nach Hause gehen.

Mein Mann: Du kannst doch nicht einfach früher nach Hause gehen!!

Ich: Doch. War ja auch früher da.

Außerdem muss es in meiner Firma für jeden festangestelten Mitarbeiter möglich sein einmal im Jahr zwei Wochen freizunehmen und die Hälfte des Jahresurlaubs muss fest verplant werden. Bei meinem Mann mussten wir oft zittern, ob er wirklich im gewünschten Zeitraum freinehmen könnte und für gleich zwei Wochen wäre das nie etwas geworden.

Natürlich hat auch in Japan jeder das Recht auf Urlaub, auch Erziehungsurlaub, aber oft werden Gründe gefunden, warum das eigentlich gar nicht geht. Meinem Mann wurde mitgeteilt, dass Leute, die Erziehungsurlaub nehmen, nicht gern befördert werden… In meiner Firma können zumindest Frauen bis zum dritten Geburtstag des Kindes jederzeit in die Firma zurückkehren*. Das klingt vielleicht für deutsche Verhältnisse nicht nach viel, aber in Japan gilt Erziehungsurlaub im Allgemeinen nur bis zum ersten Geburtstag des Kindes (außer es gibt ernsthafte Gründe ihn verlängern zu müssen). Wer der Arbeit länger fern bleibt ist oft seinen Job los.

* Die Situation für Männer kenne ich leider nicht.

Zwischenmenschliches

Bei meinem Mann geht es sehr förmlich zu, selbst in firmeninternen E-Mails spricht man sich mit 様 (sama)* an und redet auch sonst mit Vorgesetzten grundsätzlich 敬語 (Keigo) – und zwar nicht nur です・ます (desu, masu), sondern knallhart. Das ist natürlich an sich absolut legitim, wir sind hier schließlich in Japan und Höflichkeitssprache ist wichtig. Da in meiner Firma aber auch viel Englisch gesprochen wird, geht es bei uns etwas entspannter zu. In E-Mails schreibe ich さん (san)* und Keigo, gesprochen wird mit desu und masu. Natürlich gilt aber auch das nur firmenintern.

Ansonsten gibt es in meiner Firma kaum starre Grenzen, und weil wir nicht ständig miteinander trinken gehen müssen**, unternehmen wir auch so nach der Arbeit manchmal etwas. Der Druck ist einfach sehr viel geringer. Das wirkt sich meines Erachtens durchaus auch auf die Produktivität aus: Wenn irgendetwas nicht funktioniert, traut man sich, das Problem anzusprechen. In japanischen Firmen wirkt das oft mehr wie das Herumtanzen um den heißen Brei.

Und noch etwas – von Team Building-Veranstaltungen hatte mein Mann noch nie etwas gehört und Familien-Tage gibt es bei ihm auch nicht. 😉

Ich: Wir machen am Freitag Team Building.

Er: Team Building?

Ich: Wir unternehmen als Team etwas zusammen.

Er: Am Freitag? Dann wird es aber sicher spät.

Ich: Nein, wir gehen mittags los.

Er: ???

* -san und -sama sind Namenssuffixe, wobei -san wie das deutsche “Herr”/”Frau” funktioniert. -sama ist noch einmal höflicher.

** Wenn bei meinem Mann trinken angesagt ist, ist das nicht wirklich freiwillig – dabei muss er oft selbst bezahlen.

Sprache

Internationale Firmen sind per Definition international, heißt, sie haben oft mit dem Ausland zu tun. Das Ausland spricht kein Japanisch. 😉 Unsere Firmensprache ist eigentlich Englisch, aber tatsächlich finden die meisten internen Meetings auf Japanisch statt. Japaner und Englisch ist oft leider so eine Sache…* Das heißt aber auch, dass man als zwei- oder mehrsprachiger Ausländer gute Chancen hat. Und wenn man qualifiziert ist, kann man auch ohne Japanisch bei uns arbeiten.

* Übrigens absolut kein Problem in meiner Abteilung, die meisten sind zweisprachig, ob sie im Ausland aufgewachsen sind oder für die Uni im Ausland waren. In anderen Abteilungen sieht es anders aus.

(Nachdem ich eine englische Unterhaltung auf Japanisch wiedergegeben habe)

Er: Aber so kannst du doch nicht mit deinen Mitarbeitern reden!

Ich: Die Unterhaltung war auf Englisch, da gibt’s keine Höflichkeitsformen. 😀

In einer rein japanischen Firma ohne große Verbindungen ins Ausland ist natürlich meist alles auf Japanisch.

Jobsicherheit

Wer bei einer japanischen Firma arbeitet hat den Job meist noch immer für immer sicher – auch wenn er kein wertvoller Mitarbeiter ist, wird er durchgeschleppt. Zum großen Boss reicht es dann natürlich nicht, aber immerhin sitzt man nicht auf der Straße.

Bei internationalen Firmen ist man schneller wieder draußen. Vor allem bei US-amerikanischen Firmen wird gesagt, dass man sich keinen Fehltritt erlauben darf. In meiner Firma ist das nicht ganz so angespannt, aber auf der faulen Haut zu liegen geht auch nicht.

 

Letztendlich ist für mich das arbeiten in einer internationalen Firma sehr viel entspannter. Der Umgang ist zwar förmlicher als in Deutschland, aber längst nicht so steif wie in einer typisch japanischen Firma. Nun hinkt der Bausektor in Japan was Work-Life-Balance usw. angeht durchaus hinterher, während meine Firma zwar vielleicht nicht zu 100% perfekt ist, aber sich doch wirklich bemüht. Es gibt sicher auch japanische Firmen, in denen es ganz entspannt zugeht, und ausländische, die die Hölle sind. 🙂

Was habt ihr für Erfahrungen gemacht?