Es ist Frühling.

frühling

Diesen Frühling war ich noch nicht anständig Kirschblütengucken. Klar, einige von euch haben sicher die Kirschblütenfotos auf meinem Instagram gesehen, aber das waren eher flüchtige Fotogelegenheiten. Richtiges Blumengucken (花見 Hanami) beeinhaltet eine blaue Plane zum Draufsitzen, Essen, Alkohol und gutes Wetter.

Nur irgendwie herrscht nur gutes Wetter, wenn ich drinnen arbeiten muss?! Dieses Wochenende ist es durchgängig bewölkt, wenn es nicht gar regnet. 🙁 Morgen ist eigentlich geplant um den Kaiserlichen Palastgarten zu laufen, weil es dort auch blüht, aber wenn es regnet wird das wohl ins Wasser fallen.

Es freut mich natürlich trotzdem, dass der Frühling endlich da ist! 😀 Es wird langsam aber sicher wärmer, wir haben unseren Kotatsu verstaut, und vielleicht können wir bald wieder Tennis spielen.*

* Mein Mann ist ein Weichei, deswegen haben wir im Winter nicht gespielt…

Der April ist in Japan übrigens der Monat, in dem sich alles ändert: Einschulungen, Umzüge, Jobwechsel, alles auf einen Haufen. Mein Mann war am Freitag bei seinem neuen Job, er ist jetzt Beamter. 🙂 Wir werden schauen, wie das so läuft, aber bisher scheinen Beamte ganz entspannt zu sein. Entspannter zumindest, als normale japanische Büroangestellte. An der großen Änderung, namentlich Umbau des Hauses meiner Schwiegereltern, basteln wir noch.

Wie schaut es bei euch aus, stehen dieses Jahr Veränderungen an? 🙂

Der Ausländerbonus.

ausländerbonus

Jeder Ausländer, der einige Zeit in Japan lebt, kennt ihn: Den Gaijin-Bonus*.

Ausländer, vor allem nicht-asiatische, werden oft als Außenseiter gesehen. Klar, vor allem die Leute in Tokyo sehen viel mehr Touristen und Expat-Blasen-Expats als Leute, die dauerhaft hier leben. Manchmal kann es verletztend sein, wenn man ein wenig wie ein Zootier behandelt wird. 🙁

* 外人 (Gaijin) ist ein saloppes Wort für “Ausländer”.

Der Gaijin-Bonus ist unsere kleine Entschädigung. 😉

Klar, manchmal ist es anstrengend in einem Laden jemanden zu finden, der nicht vor einem wegläuft. Andererseits: Wie entspannend ist es bitte, ohne angesprochen einkaufen zu gehen? Wenn ich mit meinem Mann schnatternd einkaufen gehe, haben wir schnell eine Verkäuferin an uns kleben, die versucht mir mein Portmonee wegzuhypnotisieren. Bin ich allein unterwegs habe ich Ruhe. 😀

Viele denken beim Wort “Gaijin-Bonus” an Leute, die sich nicht an die Regeln halten. Ich habe viele Leute getroffen, die einfach machen was sie wollen, weil die Japaner ja eh nichts sagen. Japaner sagen schon bei anderen Japanern nichts, sondern gucken nur – was soll da groß bei Ausländern passieren? Ich muss zugeben, dass ich das nicht besonders cool finde, wenn Leute meinen überall rauchen zu können, oder dass man nicht für Bahntickets zahlen müsste. Ich bin vielleicht einfach spießig.

Für mich reicht es, wenn ich Leute ignorieren kann. Letztens saß ich in der Bahn, als sich ein wirklich übel-riechender Mann neben mich setzte.

Er: 日本語わかりますか? (Nihongo wakarimasu ka?; Verstehen Sie Japanisch?)

Ich: No.

Und er verschwand. Fantastisch!

Außerdem werde ich nicht ganz so kritisch betrachtet. Wenn ich nicht dem japanischen Frauenideal entspreche, ist das auch egal. Fauxpas werden öfter mal übersehen. Natürlich ist mir das durchaus manchmal unangenehm, aber an sich ist es auch ziemlich entspannt. Manchmal ist er doch ganz gut, dieser Ausländerbonus.

In welchen Situationen hat sich das Ausländersein für euch ausgezahlt? 😀

(Wer wissen will, woher das Foto kommt: In den Wolken: Eine Besichtigung bei JAL.)

Projekt Haus: Es geht weiter.

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Seit letztem Jahr planen wir ein Haus zu bauen. Hier einmal die Ausgangssituation: Meine Schwiegereltern haben ein über 20 Jahre altes Zweifamilienhaus auf einem, bis letztem Jahr, gepachteten Grundstück in unserer Nähe. Ursprünglich wohnten sie dort mit den Eltern meines Schwiegervaters*, doch vor inzwischen über vier Jahren verstarb auch der zweite Elternteil. Seitdem steht das Erdgeschoss großteils leer.

* Sich um die Eltern zu kümmern ist in Japan die Sache des ältesten Sohns (長男 Chônan), weswegen einige Frauen keine ältesten Söhne heiraten wollen. Ich wusste natürlich von nichts.

Eigentlich hatten wir geplant das Haus abzureißen und ein neues zu bauen. Nachdem wir mit verschiedenen Firmen geredet hatten, stellte sich aber heraus, dass wir es uns nicht leisten können würden. Meine Schwiegereltern hatten einen Kredit aufgenommen um das Land endlich zu kaufen, und mein Mann wechselt derzeit den Job, weswegen sein Kreditrahmen sehr viel kleiner ist als ursprünglich angenommen.

Wir bauen also nicht neu, sondern um.

Das Problem: Die Baufirma von vor über 20 Jahren hat weder die Konstruktionspläne aufbewahrt, noch damals die Änderungen am Haus richtig bei der Stadt angemeldet. Das heißt, dass wir die meisten Wände stehen lassen müssen, schließlich wollen wir das Haus nicht zusammenstürzen lassen, und dass unsere Anbaupläne unter 10m² bleiben müssen.

Im Moment hat das Haus eine コの字型 (Ko no ji-gata; Form wie das Zeichen コ (ko)). Aus Gründen hat man damals auf einer Seite des länglichen Hauses in der Mitte Platz gelassen – genug Platz um das Layout nervig zu gestalten und das Haus auszukühlen. Genug Platz für ein weiteres Zimmer. Wir werden also im Erdgeschoss dort ein weiteres Zimmer bauen lassen, und wenn es finanziell möglich ist im Obergeschoss darüber eine große Terasse. Terassen ohne Überdachung zählen nicht in als Wohnraum und gehen daher nicht von unseren 10m² ab.

Das heißt aber auch, dass wir ins Erdgeschoss ziehen werden, denn wir werden das zusätzliche Zimmer irgendwann brauchen.

Außerdem ist das Haus derzeit so konzipiert, dass beide Familien denselben Eingang nutzen. Das wurde damals von der Mutter meines Schwiegervaters durchgesetzt, eigentlich hätten meine Schwiegereltern es lieber getrent gehabt. Ein Glück, wir nämlich auch. Es wird also ein zweiter Eingang angelegt werden.

Mit all diesen Wunschvorstellungen – zusätzliches Zimmer, Räume größer und weniger verwinkelt, komplette Trennung der Eingänge, aber bitte alles im Rahmen von nur 10m² Anbau, und die meisten Wände müssen stehenbleiben – gingen wir zu einer recht kleinen Unterfirma von 東京ガス (Tokyo Gas), die Umbauten macht. Die Leute sind unglaublich nett, die Planung machen ein Mann und eine Frau im Tandem, und gestern haben sie uns einen Plan vorgelegt, der an Genie grenzt. 🙂

Es gibt natürlich noch einige Fine-Tuning-Punkte, vor allem bei den Schwiegereltern, die es zwar total toll finden, dass wir zu ihnen ziehen, aber Veränderungen etwas skeptisch gegenüberstehen.

Richtig losgehen soll es übrigens im Oktober, damit wir im Januar einziehen können. Im Februar steht in unserer Mietwohnung nämlich die Vertragserneuerung an, was in Japan alle zwei Jahre eine Monatsmiete extra kostet…

Wünscht uns Glück, dass das alles ohne größere Probleme klappt! 🙂

(Die Rechte an den Plänen liegen nicht bei uns, weswegen ich sie hier nicht klar einbinden kann. Wenn ich Zeit habe, zeichne ich euch das mal grob ab. 😉 )

Vom roten Faden.

 

In Deutschland nicht allzu gebräuchlich, kennt man im englischsprachigen Raum den “Pinky Swear”. Um ein Versprechen zu besiegeln, verhakt man seinen kleinen Finger mit dem des Gegenübers.

Dieser Brauch kommt ursprünglich aus Japan, wo er 指切り (Yubikiri) heißt – Fingerabschneiden. Prostituierte schnitten wohl ihre kleinen Finger ab um ihrem Liebhaber zu beweisen, wie wichtig sie ihr Versprechen ihnen gegenüber nahmen. Ziemlich radikal. 😉

Heute schneidet sich kaum noch jemand den kleinen Finger ab, höchstens in der organisierten Kriminalität, trotzdem werden mit dem kleinen Finger Versprechen abgegeben. Er bleibt eben nur an der Hand befestigt.

Aber warum der kleine Finger?

Erst einmal, weil es verdammt schmerzt. Wer sich freiwillig den kleinen Finger abschneidet, meint es wahrscheinlich ernst – und sollte von einem Psychologen unter die Lupe genommen werden. Der kleine Finger ist aber auch sonst in Japan wichtig.

An ihm ist man zumindest in Japan über einen roten Faden mit seinem Schicksalsmenschen verbunden. 🙂 Es gibt alte chinesische Geschichten darüber, z.B. diese : Ein Junge trifft eines Abends einen alten Mann, der ihm sagt, er sei mit dem roten Schicksalsfaden mit seiner zukünftigen Frau verbunden und zeigt ihm das Mädchen. Das junge Mädchen ist dreckig, und der Junge hat kein Interesse an ihr und bewirft sie mit Steinen. Jahre später wird er mit einer Frau verheiratet, die seine Eltern für ihn ausgesucht haben. Als er sie das erste Mal sieht ist er sehr beeindruckt, sie ist eine der schönsten Frauen des Dorfes. Im Gesicht trägt sie eine Verzierung, um eine Narbe zu verstecken: Als sie jung war, warf ein Junge ihr Steine ins Gesicht.

… Sehr romantisch? In China wird der Schicksalsfaden übrigens scheinbar am Fuß befestigt. Warum das anders ist, weiß ich leider nicht.

Auf jeden Fall findet man deswegen in einigen Illustrationen und Fotos rote Fäden oder Schleifen an kleinen Fingern. Es gibt auch Ringe, deren Design daran orientiert ist. 🙂

In Deutschland würde man wahrscheinlich einfach vom “Schicksal” reden.

Glaubt ihr eigentlich an so etwas? 🙂