Stempelmeister.

Während man in Deutschland schon vor einiger Zeit auf die Unterschrift umgestiegen ist, kommt man allein damit oft nicht weiter. Für meinen Arbeitsvertrag bei einer japanischen Firma, für mein Konto, zum Heiraten und für alles anderweitig wichtige, brauche ich einen Namensstempel, 判子 (Hanko) oder 印鑑 (Inkan) genannt.

Die Stempel bekommt man, wenn man einen Allerweltsnamen hat, für wenig Geld an jeder Ecke. Die Zeichen sehen dort natürlich alle recht gleich aus, weswegen man damit (eigentlich) kein Konto eröffnen kann. Wir haben einen gewöhnlichen Familiennamen, versehen mit einer ungewöhnlichen Schreibweise, weswegen wir einen Stempel nicht einfach kaufen können, sondern ihn uns anfertigen lassen müssen.

Mein Stempel, den ich hier nicht hochladen werde, sieht auf den ersten Blick aus wie der von meinem Mann, aber dann sind doch doch zwei Striche anders. Das weiß ich, weil beide Stempel hier offen herumliegen, falls ein Paket kommen sollte und wir dem Lieferanten eine Lieferbestätigung unterzeichnen müssen. Das ginge auch per Unterschrift, aber wir sind faul.

Bei offiziellen Papieren wird auch einmal über durchgestrichene und ungültige Informationen gestempelt (obwohl es auch dafür spezielle Stempel gibt, falls man sich ein Extrazimmer nur für seine Stempel anschaffen möchte). Als ich beim Einwohneramt war, hat das einfach die Bearbeiterin übernommen, natürlich mit vorhergehender Frage. Wenn die Meisterdiebin sein sollte, und unseren Stempel kopiert, wird sie feststellen müssen, dass wir nicht so viel Geld haben, dass sich das auch nur im geringsten lohnen würde.

Gestempelt wird übrigens mit roter Tinte, womit es schon ziemlich offiziell aussieht. Wenn man aber neue Höhen der offiziellen Dokumentsunterzeichnung ansetzen möchte, braucht man einen größeren Stempel, 実印 (Jitsuin). Die Mutter des Göttergatten hat bei seiner Geburt einen solchen geschenkt bekommen, absolut verschnörkelt, unlesbar und eher an die chinesischen Stempel, die man immer mal sieht, erinnernd. Der ist auch bei der Stadt registriert, wir wissen nur noch nicht, wofür wir ihn jemals brauchen könnten.

Man kann sich auch als Ausländer einen Namensstempel anfertigen lassen, aber da mein Name in der japanischen Schreibweise mit sieben Zeichen sehr lang wurde, war der Stempel länglich und bei langem nicht so schön wie mein jetziger mit zwei Zeichen. In Deutschland setzt man dann ja auch eher auf die Unterschrift.

Vor langem, als ich mein Konto bei der Mitsubishi Tokyo UFJ eröffnete (rechts ein Bild von meiner Geldkarte), habe ich das übrigens, mit Hilfe meiner damaligen Chefin, per Unterschrift machen können. Das war 2008. Nun wollte ich den Konteninhabernamen von meinem Mädchennamen auf den neuen Namen ändern lassen – und konnte die alte Unterschrift nicht mehr reproduzieren.

Durch Arbeit im Einzelhandel (wo viele Sachen schnell unterschrieben werden müssen), generelles Älterwerden, Namenswechsel und ein schlechtes Gedächtnis, hat das einige Zeit gedauert.

Bankmitarbeiterin: Unterschreiben Sie bitte hier.

Ich unterschreibe.

Bankmitarbeiterin: Das sieht nicht so aus, wie die alte Unterschrift.

Ich versuche es noch einmal.

Bankmitarbeiterin (zeigt mir meine alte Unterschrift): Eigentlich sollte das so aussehen.

Ich versuche es ein letztes Mal und erhalte ihren Segen.

Und deswegen dann doch lieber mit Stempel.

Schlaf.

Letztens war ich abends mit dem Göttergatten im Café.

Göttergatte: Ich glaube, wir schlafen zu lang.

Ich: Eh? Ich finde acht Stunden ziemlich gut.

Göttergatte: Als ich noch studiert habe, habe ich immer nur viereinhalb Stunden geschlafen.

Ich: Wir können ja mal versuchen, weniger zu schlafen.

Seitdem verringern wir die Schlafstunden, um die perfekte Zeit zu finden. Nach sechseinhalb Stunden bin ich ziemlich gerädert. Mein Rücken und mein Kopf schmerzen, wahrscheinlich wird das beim Einschlafen auseinander-, und erst nach sieben Schlafstunden wieder zusammengebaut. Am Montag hatte ich eine dicke, fette Migräne, was sich total gut macht, wenn man auf Arbeit von mindestens zehn kleinen Kindern umgeben ist. Der kleinste Junge hat derzeit das Schreien für sich entdeckt. Ich wollte einfach nur in einen dunklen Raum, damit ich nicht sehen muss, wie mein Kopf explodiert.

Weil die Arbeitsstelle meines Mannes weit entfernt ist, stehen wir übrigens jeden Morgen um fünf Uhr auf. Dann bleiben mir noch drei Stunden, bis ich aus dem Haus muss. Zeit, die ich eigentlich mit sinnvollen Dingen füllen sollte. Ich könnte lernen, oder lesen, oder den Arbeitstag vorbereiten, aber nein, ich surfe, esse noch mal was, und verspreche mir selbst, dass ich dafür in der Bahn lernen werde. Klar.

Freunde.

Es war damals, als ich 2008 nach Japan gekommen bin, genauso schwierig Freunde zu finden, wie jetzt. Damals hatte ich das Glück, dass eine Bekannte in Tokyo einen Sprachkurs belegt hat, und ich viele Sprachschüler kennengelernt habe. Da war ich also, in Japan, umgeben von vielen Schweden*, und sprach Englisch.

* Die Schweden haben ein Programm, bei dem sie vom Staat Geld leihen können, wenn sie im Ausland eine Schule besuchen.

Auf Arbeit wurde Deutsch und Japanisch gesprochen, und mein Japanisch verbesserte sich kaum. Japanische Freunde habe ich auch nicht gefunden, vielleicht hatte ich einfach Pech oder zu wenige Möglichkeiten jemanden kennen zu lernen. Fremde ansprechen kommt in Japan noch komischer, als in Deutschland, vor allem wenn man Ausländer ist.

Dann wechselte ich den Beruf, und plötzlich wurde zwar ausschließlich Japanisch und Chinesisch gesprochen, aber ich war von älteren japanischen Damen und marginal jüngeren Chinesinnen umgeben. Die machten sich als Freunde nicht all zu gut, und mein Japanisch verbesserte sich zwar, war aber noch immer relativ schlecht.

In diesem Jahr habe ich auch im weiteren Verlauf keine Freundschaften mit Japanern geschlossen, außer mit dem einen, mit dem ich jetzt verheiratet bin. Das Problem ist, dass man als minder qualifizierter Ausländer oft an Jobs kommt, in denen viele andere Ausländer arbeiten, was nicht besonders hilft, wenn man Japaner treffen will.

Dieses Mal habe ich im Vorfeld verschiedene Leute gefragt, ob sie nicht jemanden in Tokyo kennen, und treffe mich unregelmäßig mit diesen, mir vorgestellten, Japanern. Mit einer wird das glaube ich noch was ganz Gr0ßes, aber sie hat kaum frei. Der nächste Schritt wäre, andere Leute kennen zu lernen, über diese Leute, aber das dauert noch ein wenig. Ihr werdet sehen, in zehn Jahren, da habe ich mindestens fünf Freunde!

Zusammenfassend wäre zu sagen, dass ich es nicht leicht fand oder finde, Freunde zu finden. Das ist aber auch nicht unbedingt meine Spezialität und war es noch nie, deswegen geht es anderen da sicher ganz anders.

Meine schöne, weiße Haut.

Durch den Sommer bin ich dunkler geworden. Da ich für gewöhnlich bekleidet durch die Stadt laufe, beschränken sich die dunklen Stellen auf alles, was nicht vom Stoff bedeckt war. Meine Oberarme und Schultern sind hell, und ich habe dunkle Haut in T-Shirt-Ausschnitt-Größe. Bei meinem Mann ist das alles noch etwas heftiger, er arbeitet auf der Baustelle unter der Sonne.

In Japan gibt es das Ideal vom 美白, dem “schönen Weiß”. Der japanische Wikipedia-Artikel heißt in der übersetzten, englischen Version interessanterweise “Whiteness in Japanese culture“. Abgesehen von Männern, Kindern, Jugendlichen und einigen wenigen Modestilen, ist weiße Haut absolut erwünscht. Ich wurde in Läden oft für meine wunderschöne weiße Haut bewundert (meine Standardantworten: “Ich bin Mitteleuropäerin.” und “Ich gehe einfach nicht so viel raus.”).

In Drogerien gibt es haufenweise Cremes und Sprays, die die Haut aufhellen sollen. Sogar Nivea stellt solche Cremes her. Interessanterweise werden die oft mit Fotos von blonden Westlerinnen beworben, übrigens genau wie Zahnkosmetik.

Ich bin sehr versucht, mir eine Aufhellungscreme zuzulegen, obwohl ich mich sonst immer über die Frauen, die im Sommer mit langen Handschuhen, Gesichtsvermummung und Sonnenschirm herumlaufen, lustig gemacht habe. Aber eine Creme, das ist ja fast nichts, und damit sieht man auch nicht so bescheuert aus. Bisher hält mich aber der Preis ab. Der Preis der Schönheit, hach.

(Übrigens habe ich vor längerer Zeit eine Sendung gesehen, wo Frauen in Asien gezeigt wurden, die durch Bleichcremes extreme Hautschäden davongetragen hatten. In Japan ist das wohl alles geprüft, und bei der Masse der Frauen, die die Sachen kaufen, vertraue ich darauf, dass ich auch nach der Anwendung noch Augenbrauen habe.)