Verjüngungskur.

Normalerweise habe ich auf Arbeit meine Haare immer im Pferdeschwanz. Das hat einfach etwas damit zu tun, dass ich mit den Kindern, die an kleinen Tischen sitzen, male, bastle und teils auch esse*, und sichtversperrende Haare sind dort im Weg.

* Im Erkältungszeitraum von November bis April sitzen wir meist an einem anderen Tisch, weil wir nicht noch mehr Keime brauchen, als wir sowieso abbekommen.

Derzeit haben wir aber keinen regulären Unterricht, sondern die japanischen Erzieherinnen kümmern sich um das Meiste, und wir Ausländer sind nur als Unterstützung dabei. Eigentlich gehen wir jeden Tag in den Park 😉

Deswegen kam ich heute mal mit offenen Haaren zur Arbeit.

Japanische Mitarbeiterin 1: Hast du dir die Haare geschnitten?

Ich: Was? Nein.

Australischer Mitarbeiter: Hast du dir die Haare kürzer schneiden lassen?

Ich: Nein, ich habe sie nur mal offen.

Japanische Mitarbeiterin 2: Hast du dir die Haare schneiden lassen?

Ich: Nein. (alles lacht)

Japanische Mitarbeiterin 1: Das ist nur, weil sie ihre Haare offen trägt.

Japanische Mitarbeiterin 2: Du siehst plötzlich voll jung aus.

Alle japanischen Mitarbeiterinnen: Das ist, weil sie jung ist!

Ach ist das schön. Meine Haare habe ich übrigens hinten das letzte Mal im Januar (glaube ich) schneiden lassen, und will eigentlich wieder mehr Länge haben, aber diese aalglatten Fusseln wachsen einfach nicht.

In Japan werde ich sowieso immer älter geschätzt als ich bin (22 übrigens), mein Mann aber auch, von daher ist das eigentlich wurscht. Am Samstag wurde uns beiden aber seperat von verschiedenen Leuten gesagt, dass wir uns langsam Kinder anschaffen sollten. Mir von einer Freundin, weil das Kind sicher total süß wäre, und meinem Mann von einem Mitarbeiter, warum auch immer. Wir warten da lieber noch mal ein bisschen, obwohl ich die Nummer Eins im Beliebtheitsranking bei den Babies auf Arbeit bin – vor allem bei den Jungs.

Schnief, Hatschi!

In Japan frühlingt es derzeit sehr.

Letzte Woche fing ich dann an Geräusche von mir zu geben, die sich nach sterbenden Schweinchen anhörten – Nase verstopft, Schmerzen in den Augen. Da wird gejammert, wozu ist man denn verheiratet. Ursache: Heuschnupfen? Hausstaub?

Ich weiß es nicht, nehme aber trotzdem Tabletten, die mein Mann noch herumliegen hatte.

In meiner Klasse habe ich ein kleines Mädchen, dass Heuschnupfen hat, und teils mit roten Augen in den Kindergarten kommt. Dass alle Kinder immer verstopfte Nasen haben, ist sowieso klar, wir rennen eigentlich den ganzen Tag mit Taschentüchern hinter ihnen her. Rotznasenalarm, Frühling, Sommer, Herbst und Winter!

Erdbebenvorbereitungen.

In letzter Zeit rumpelt es wieder mehr. Hauptsächlich im 三陸沖 (Sanriku-Meer, vor Aomori, Iwate und Miyagi) und in 千葉県東方沖 (Meer östlich von Chiba-ken). Letzte Woche gab es in letzterem sogar ein Beben mit Stärke M6.3. Während inzwischen gesagt wurde, dass das noch Nachbeben vom großen Erdbeben letztes Jahr wären, beunruhigt uns die Lage natürlich schon, denn wir leben in Chiba, wären von einem Beben in Tokyo also direkt betroffen.

Auf der Suche nach einem neuen Duschkopf stolperten wir auch über Notfallnahrung, und eigentlich wollte ich das zum Anlass nehmen um mal zu zeigen, was wir hier für den Notfall haben, aber ich habe die Tüte unglaublich heldenhaft auf der Gepäckablage in der Bahn vergessen und musste sie gestern erst einmal vom Chiba-Bahnhof abholen. Hier geht ja nichts verloren, und wenn die Bahnmitarbeiter die Bahn absuchen müssen – das machen die.

Wir haben einen großen Notfallrucksack. Die gibt es online schon fertig gepackt zu kaufen und haben so gut wie alles drin, was man brauchen könnte: Wärmepads, Regenmäntel, Wasser, Fertignahrung, Radio, Handschuhe, Pflaster, Desinfizierungsmittel, usw. Das habe ich nicht alles aus dem Rucksack genommen für das Foto, so schön wie es jetzt dort reingestapelt ist, würde das nie wieder passen. Unsere Pässe und Bankhefte sind auch dort drin, falls wir uns im Fall der Fälle doch absetzen müssten.

Frisch gekauft: Anko Mochi, und zwei Sorten Reis, die man auch ohne warmes Wasser zubereiten kann und ein handbetriebenes Radio mit Licht und Handyladegerät. Das Radio kommt in meine Arbeitstasche, zu der Notfallkarte von Tokyo (die natürlich nicht bis zu meinem Arbeitsplatz reicht) und dem Pfefferspray.

Außerdem durfte ich mir nach dem letzten großen Beben einen ewig langen Vortrag meines Mannes über Erdbebenverhalten anhören, weiß also, dass es im Untergrund gar nicht mal so gefährlich wie auf der Oberfläche ist, wo in der Nähe Zufluchtsorte sind (und welche schon so alt sind, dass man sie besser nicht betreten sollte) und dass eine geteilte Katastrophe nicht heißt, dass alle Menschen nett sind.

Wann das große Beben kommt, weiß keiner. Sich deswegen jeden Tag verrückt zu machen bringt absolut gar nichts. Aber vorbereitet sind wir, wie wahrscheinlich ein Großteil der tokyoter Haushalte, bei denen sich viele erst nach dem Beben in Tôhoku Gedanken darüber, was sie im Notfall tun würden, gemacht haben.

Es ist einfach ein Risiko, mit dem man hier leben muss. So ein Risiko hat man an jedem Ort, an dem man lebt, und wenn es nicht von der Natur ausgeht, dann von den Mitmenschen. Ich meine dich, Berlin.*

* Was ich mir ganz dringend abgewöhnen muss: Den Tagesspiegel lesen, ohne in Berlin zu sein. Das macht ein wenig Angst.

Wie kleine Doktoren…

März ist das Ende des japanischen Schuljahres, und somit natürlich auch das Ende des Kindergartenjahres bei mir auf Arbeit. Die fünf Kinder aus der obersten Gruppe werden feierlich verabschiedet, mit Umhang, Hut, als wären sie schon mit der Uni fertig, und eigener Rede, damit die Eltern stolz sein können.

Ich weiß nicht, gab es sowas bei uns damals? Ich erinnere mich noch an die Schultüten, aber an eine richtige Abschlusfeier davor nicht. Von der bekomme ich diesmal auch nicht allzu viel mit, denn es wurde beschlossen, dass die kleinen Kinder zu sehr stören würden, weswegen sie in einem anderen Klassenraum bespaßt werden. Auch gut, mir eigentlich sogar lieber.

Irgendwann werden auch die kleinen Knirpse mal in die Grundschule gehen, aber davor haben sie noch viel Zeit, um von ihren Eltern verzogen zu werden. Das gilt natürlich nicht für alle Kinder, es sind wirklich auch tolle in meiner Klasse, aber es fällt immer auf, wenn einige Kinder zuhause offensichtlich gar nicht gefordert sind und von hinten bis vorne alles von Mama gemacht bekommen.

Aber dafür gibt es ja uns, wir bügeln das schon wieder aus, das mit der Sozialkompetenz.