Als was arbeite ich eigentlich genau?

Nachdem die Frage in meinem letzten Eintrag aufkam, dachte ich mir, dass ich das vielleicht doch mal erklären sollte.

Japaner sind nicht dafür bekannt, besonders gutes Englisch zu sprechen, und weil viele Eltern das als Problem erkannt haben, schicken sie ihre Kinder in sogenannte 英会話教室 (Eikaiwa-Kyôshitsu; Lernzimmer für englische Kommunikation). Dort sollen sie von Muttersprachlern die Sprache beigebracht bekommen, meist mit einer oder zwei Wochenstunden. In so einem Verein unterrichte ich nicht. Das habe ich kurzzeitig gemacht und fand es furchtbar anstrengend und hatte keinen Spaß dabei.

Köpfe zusammenstecken beim Insektengucken.

Ich arbeite in einem internationalen Kindergarten, das heißt, dass die Kinder von zehn bis 14 Uhr auf Englisch unterrichtet und bespaßt werden. Wir haben je nach Alter vier unterschiedliche Klassen, die auf Englisch unterrichtet werden, mit vier verschiedenen Lehrern (drei Muttersprachlern und mir); außerdem eine japanische Klasse für die ganz kleinen Kinder.

Vor allem in meiner Klasse, mit den Zwei- bis Dreijährigen, geht es weniger ums stumpfe Pauken, als darum, Spaß an der Sprache zu finden und Englisch zu verstehen und sprechen zu wollen. Ich rede die meiste Zeit auf Englisch, wenn es etwas gibt, dass die Kinder unbedingt verstehen müssen, auch auf Japanisch, aber das ist sehr selten. Meine japanische Mitlehrerin redet mit den Kindern auf Englisch und Japanisch und mit mir auf Englisch (wenn die Kinder in der Nähe sind). Meine derzeit 17 kleinen Monster hören also jeden Tag vier Stunden lang Englisch und der ganze Ablauf erfolgt in der (Fremd-)Sprache.

Es gibt Dinge, die wir jeden Tag wiederholen (ABC, Zahlen, Wetter und Phonics (Laute)), und Phrasen, die wir immer wieder verwenden, aber ich versuche natürlich den Kindern auch immer wieder Neues beizubringen. Das klappt soweit auch ganz gut, ich bekomme nur immer wieder neue Zweijährige in die Klasse, die natürlich noch nicht so weit sind und das gesamte Tempo herunterziehen. Die meisten Kinder verstehen sehr gut was ich will, ich versuche mich auch so einfach wie möglich auszudrücken, und haben Spaß am Lernen. Der ABC-Song ist auch reinster Rock’n’Roll. 😉

Außerdem bringen wir ihnen ganz grundlegende Dinge bei, zum Beispiel sich ordentlich die Hände zu waschen, sich selbst anzuziehen, ordentlich aufzuräumen, Tischmanieren (soweit es geht), und generell friedliches Beieinandersein. In meiner Klasse wird ihnen noch nicht das Schreiben beigebracht, wir bereiten sie aber darauf vor. Eigentlich ist das unsere Hauptaufgabe: Die Kinder auf die nächste Klasse, in der’s ans Eingemacht geht, vorbereiten. Meist macht es Spaß, manchmal ist es aber auch eine Woche durchgehend nur anstrengend.

Anders als meine ausländischen Mitarbeiter arbeite ich nicht Vollzeit, sondern nur fünf Stunden am Tag, da ich als Nichtmuttersprachlerin schrecklich bezahlt werden würde. So ist es ein überdurchschnittlich gut bezahlter Job, zumal ich jeden Tag die gleichen Arbeitszeiten habe und mit den gleichen Kindern zu tun habe. Um es in Zahlen zu fassen* verdiene ich in einem durchschnittlichen Monat ca. 1450€ und bekomme das Geld für meine unglaublich teure Monatskarte (fast 300€) erstattet.

Eine Ausbildung in die Richtung habe ich übrigens nicht, meine Mitlehrerin schon.

* Damit hat man spannenderweise in Japan auch ein viel kleineres Problem als in Deutschland.

Elterngespräche.

Im Moment finden auf Arbeit Elterngespräche statt. Ich habe selbst keine Kinder und weiß nicht, ob es für die Eltern ganz wichtig ist, aber mir wäre es bei den meisten Kindern lieber, ich könnte ihnen einfach etwas Kleines ins Muttiheft kritzeln und nur die, wo wirklich mal mit den Eltern gesprochen werden sollte, einladen.

Meine jetzige Gruppe ist nämlich ziemlich toll. Natürlich super anstrengend, aber hey, welche 17-köpfige Gruppe von Zwei- bis Dreijährigen ist das nicht? Aber sie lernen schnell, benutzen Englisch tatsächlich auch von sich aus* und streiten kaum. Sehr entspannt, und die Kinder, die noch nicht ganz auf der Höhe sind, sind meist einfach noch zu jung und werden das Level in ein paar Monaten auch erreicht haben.

Solche Gespräche sind also nach fünf Minuten eigentlich vorbei, irgendwie versuchen wir aber mindestens 20 Minuten zu füllen, damit die Eltern nicht für nichts gekommen sind, und die Gespräche verlaufen im Kreis. Etwas nervig, zumal es bei den Kleinen dann hauptsächlich um ihr Toilettenverhalten geht.

Der Großteil der Gespräche ist jetzt aber vorbei. Am Mittwoch “durfte” ich bis 19 Uhr auf Arbeit sein, um vier Gespräche nach 17 Uhr abzuwickeln, aber auch das haben wir (meine japanische Mitlehrerin und ich) überlebt und nächsten Donnerstag sind dann endlich alle Termine abgearbeitet. Freiheit!

* Die Sätze, die zustande kommen, sind natürlich absolut unvollständig oder mit Japanisch versetzt, aber damit habe ich kein Problem. Das klingt dann so:

Claudia, yellow flowerがたくさんあるよ! (Claudia, da sind viele gelbe Blumen!)

Claudia, YuutoがPunchingしてる! (Claudia, Yuuto schlägt!)

Verheiratet allein.

Die eher uninspirierten Beiträge der letzten Tage sind das Ergebnis meiner absoluten Energielosigkeit. Das ist nicht mehr nur einfach Natsu-Bate, sondern Erschöpfung.

Mein Mann ist in letzter Zeit nicht mehr viel zuhause. Auf der Baustelle, die er beaufsichtigt, läuft seit Monaten so alles schief, was schiefgehen kann, und jetzt versucht man das in den letzten Zügen auszubügeln. Das heißt, dass mein Mann bis spät abends auf Arbeit ist, kurz vor Mitternacht nach Hause kommt und um sechs Uhr wieder aufsteht um zur Arbeit zu gehen. In seiner derzeitigen Position muss er nämlich der erste auf der Baustelle sein. Er ist am Tag also nur circa sechs Stunden zuhause, in denen schläft er. Dieses Wochenende ist das zweite, dass er durcharbeitet. Freie Samstag gibt es auch sonst nur spärlich.

Es ist also im Moment, als würde ich alleine hier wohnen und jemandes Wäsche mitwaschen. Nach fast zwei Jahren Fernbeziehung klingt das vielleicht etwas doof, aber ich will meine Wochenenden nicht allein verbringen müssen. Ohne meinen Mann machen Wochenenden keinen Spaß, ich kann mich nicht wirklich erholen und fühle mich eher, als wäre ich krank und müsste unter der Woche einen Tag zuhause bleiben.

Das wird demnächst hoffentlich wieder besser, aber solang man meinen Mann mit Absicht* auf schwere Baustellen schickt, wird es immer eine Zeit geben, die so ist wie jetzt. Doof.

* Man hält ihn wohl für einen sehr guten Mitarbeiter und versucht das auszunutzen.

Dazu kommt natürlich, dass ich im Moment tatsächlich etwas kränkele, die Kinder auf Arbeit sich entschieden haben total durchzudrehen und ich ab Dienstag Elterngespräche halten darf. Bin ich froh, wenn ich da wieder raus bin.

Käfer-Attacke.

Nur eine kurze Beobachtung, ich bin nämlich sehr beschäftigt müde.

In meiner aus 16 Kindern bestehenden Gruppe gibt es keinen Konsens und keine mir verständliche Logik darüber, was ein gruseliges Insekt ist und was nicht. Zum Sommeranfang gab es im Kindergarten-Garten Rollasseln und anderes Geviech, die waren total super und nach ihnen wurde sogar gesucht, um sie einzufangen. Ameisen kann man auch super beobachten und ihr Haus zerstören, bevor Claudia ihnen das verbietet*. Tote Zikaden (monströse Viecher!) kann man mir auch mal als Geschenk vorbeibringen.

Sobald man aber drinnen ist, und sich eine kleine Fliege durchs Zimmer stiehlt, geht das Geschrei los. “虫!虫!” (“Mushi! Mushi!” “Insekt! Insekt!”**) aus allen Mündern und es ist kein vernünftiger Unterricht mehr zu machen, außer man lenkt die Kinder  geschickt ab und die Fliege zieht von dannen.

Seit einiger Zeit haben wir kleine Schmetterlinge im Garten, die ich mit den Kindern anschaue. Regel Nummer 1: Nicht anfassen, sonst fliegen sie weg. Da halten sich überraschenderweise auch alle dran. Wenn der Schmetterling aber gelangweilt ist und trotzdem weiterfliegt gibt es eine Aufregung, als würde er Blut saugen und sich auf der Suche nach einem Opfer befinden.

Merke: Viecher, die man aus dem Boden ausbuddeln muss sind okay. Riesige Ekelviecher eignen sich super für Geschenke. Fliegen und Schmetterlinge sind der fliegende Tod.

Und dann habe ich natürlich noch das eine Mädchen, das anfängt panisch zu schreien, sobald ein Insekt sie berührt, oder sie glaubt, berührt worden zu sein.

*Respekt vor Lebewesen usw. War natürlich als Kleinkind selbst nicht besser.

** An dieser Stelle möchte ich kurz darauf hinweisen, dass Japaner sich am Telefon nicht mit “Muschi Muschi” melden. War, als ich Teenager war, ein gängiger Irrglaube. Es heißt richtig “Moshimoshi”. “Mushi” wird auch nicht wie “Muschi” gesprochen. Damit wir das mal durchhaben.