Die liebe Zukunft.

Es gibt so ein paar Dinge, die mich nicht ruhig schlafen lassen. Ungewissheit gehört dazu.

Ich arbeite seit drei Jahren für eine Firma, die ich nicht mag. Angefangen bei komplett unterschiedlichen Arbeitsbedingungen für Muttersprachler und Nichtmuttersprachler*, über den absoluten Unwillen Geld zu investieren, die Unfähigkeit neue Mitarbeiter zu schulen und dann bei der Abwesenheit von Richtlinien noch immer nicht endend… Es macht keinen Spaß für diese Firma zu arbeiten.

* Muttersprachler arbeiten 8 Stunden pro Tag für ab 240,000Yen; Nichtmuttersprachler arbeiten 9 Stunden pro Tag plus einen Samstag im Monat für ab 210,000Yen und müssen für Feiertage Urlaubstage opfern. Und deswegen arbeite ich nicht Vollzeit.

Außerdem ist es nicht unbedingt meine Berufung Kindern Englisch beizubringen. Ich bin nicht gelernte Kindergärtnerin, ich habe nichts in der Richtung studiert, und langsam kristalisiert sich immer weiter heraus, dass ich etwas Anderes machen sollte. Dringend.

Der Zeitpunkt passt auch: Ich habe mein 永住権 (Eijûken; Ewiges Wohnrecht) in der Tasche, ich werde für immer hier bleiben, ich sollte also möglichst schon gestern angefangen haben nach einer Arbeit zu suchen, die ich wirklich langfristig machen möchte. Hier komme ich jetzt nicht mehr weg.

Das wäre natürlich schön und gut, wüsste ich, was das ist. Und würde es mir vor lauter unnötiger Sorge und Versagensanst nicht die Kehle zuschnüren, sobald ich im Internet nach Stellenangeboten suche. Auch wäre es hilfreich, würde ich mich nicht immer auf den Teil der Stellenausschreibung konzentrieren, auf den ich nicht zu 100 Prozent passe. Es ist für mich wirklich eine Tortur, zumal ich natürlich ganz genau weiß, wie irrational ich bin.

Mein Mann hat sich bereit erklärt mir zu helfen. Wo ich ein großes “Für diesen Job sind Sie leider nicht qualifiziert”-Schild sehe, findet er eine Möglichkeit meine bisherige Arbeitserfahrung so zu formulieren, dass es passt.

Dieses Thema beschäftigt mich derzeit auf jeden Fall ziemlich. Vielleicht schreibe ich auch über den ganzen Bewerbungszirkus. Mal schauen. 🙂

Ding Dong, the Witch is Dead.

Im Blog habt ihr es entweder gemerkt oder auch nicht so, aber ich bin im Moment ziemlich angespannt. Der Grund der Anspannung hat natürlich einen Namen, hier nenne ich ihn einfach Jeremy.

Jeremy ist Kanadier, lebt seit vier Jahren in Japan und war der Lehrer für die 4-bis-6-Jährigen* und durch eine unglückliche Folge von Geschehnissen auch Manager des Kindergartens in dem ich arbeite. “War”, weil er gefeuert wurde. Dazu muss man vielleicht wissen, dass meine Firma niemanden feuert. Ich arbeite seit vier Jahren dort und habe einige Lehrer gesehen, die wirklich mit Null Lust bei der Sache waren und nur Ärger verursacht haben, aber es wurde nie jemand gefeuert.

* Wir haben in der neuen Schule so wenige Kinder, dass diese eigentlich zwei Altersgruppen zusammen unterrichtet werden.

Letztendlich hat mich an Jeremy eigentlich alles aufgeregt, aber es fing damit an, dass er Manager wurde. Jeremy spricht kein Wort Japanisch, was sehr unpraktisch ist, wenn man japanische Mitarbeitern managen und außerdem auf die Probleme japanischer Eltern eingehen soll. Jeremy hat eine dermaßen herablassende und unfreundliche Art, dass er sehr schnell jeden vergraulte, der ihm hätte helfen können. Da fühlte er sich dann plötzlich betrogen, von der großen bösen Firma, die ihn quasi gezwungen hatte Manager zu werden, und von den bösen Mitarbeitern, die einfach nicht mithelfen wollten.

Als Manager komplett unbrauchbar hatte er aber ein riesiges Selbstbewusstsein, wenn es um den Englischunterricht ging. Da könne ihm keiner was, er wäre so toll, blablabla – die Kinder sprechen im Vergleich zu anderen Kindergärten derselben Kette weniger Englisch, halten sich nicht an Regeln und sind generell anstrengend. Sein großes ungerechtfertigtes Selbstbewusstsein ließ er natürlich bei jeder Gelegenheit raushängen, er sei schließlich ein total toller Hengst und wenn er nicht die Schule gerettet hätte…

Er fühlte sich also nicht genug gewertschätzt, was sich irgendwann darin ausdrückte, dass er einfach nicht zur Arbeit kam. Anfangs gab es noch eine halbherzige E-Mail, zum Schluss hin gar nichts mehr. Das fing letzten Monat an wirklich schlimm zu werden, als er zur Golden Week einfach zwei Tage nicht zur Arbeit kam um dann am dritten Tag ohne Erklärung oder Entschuldigung auftauchte. Wisst ihr was passiert, wenn ein Lehrer nicht kommt? Alle anderen müssen für ihn einspringen. Während Jeremy also zuhause faulenzt habe ich plötzlich zwei Klassen an der Backe und muss im Schulbus** mitfahren. Oftmals wurde ich auch Morgens angerufen, ob ich nicht früher zur Arbeit kommen könnte, weil ich am nächsten dran wohne. Wenn dann nicht einmal eine Entschuldigung oder irgendetwas kommt, ist das schon hart.

** Schulbusse für Kindergärten sind hier recht normal.

Im Mai hatte ich im Durchschnitt einmal die Woche das Vergnügen seine Kinder zu unterrichten, abgesehen davon, dass die lieber bei mir Unterricht hatten als bei ihm, war es einfach nur doof. Ich habe einen eigenen Lehrplan und Dinge die ich erledigen muss, es hat mir regelmäßig den Tag torpediert. Einen Freitag im Juni kam er dann mal wieder komplett ohne Anruf nicht zur Arbeit und als ich am nächsten Montag fragte, was da denn losgewesen sei kam nur “I had a bad day.” – Schechte Tage habe ich auch, aber ohne anzurufen einfach freizunehmen geht gar nicht. Sagte ich ihm so, aber am Freitag ist Sportunterricht, deswegen “honestly, I don’t think it’s a big deal”. Am Freitag war er schon von der Firma gewarnt worden, dass er bei der nächsten Abwesenheit oder Verspätung gefeuert werden würde, und das geschah dann auch, zum Monatsende hin.

Nun kam er aber einige Male einfach nicht, weil er anscheinend unfähig ist Bewerbungsgespräche auf eine Uhrzeit nach der Arbeit zu legen. Diese Woche war er am Montag und Dienstag auf Arbeit, am Mittwoch dann nach einem Bewerbungsgespräch für drei Stunden, doch weder gestern noch heute schaffte er es in den Kindergarten. Gestern Nachmittag kam eine E-Mail, er habe hohes Fieber und hätte versucht um halb acht anzurufen, aber niemand sei rangegangen. Erstens können wir jeden eingegangenen Anruf im Nachhinein nachvollziehen und dort war kein verpasster Anruf verzeichnet und zweitens war ich an dem Tag ab sieben Uhr 20 auf Arbeit. Das Telefon hat an dem Morgen nicht ein einziges Mal geklingelt. Abgesehen davon sollte man vielleicht einfach noch einmal später anrufen, wenn’s das erste Mal nicht klappt.

So bekam er heute laut der Firma eine E-Mail, dass er bitte nicht mehr kommen solle. Wir haben einen neuen Lehrer, soweit scheint der wirklich gut zu sein, und eigentlich wollen alle nur mit dem Kapitel Jeremy abschließen. Ein bisschen Bammel habe ich, dass er am Montag vorbeischaut und so tut als wäre nichts gewesen, aber ich freue mich auch schon auf die Zeit ohne ihn. Sämtliche Änderungen hat er nämlich von vornherein torpediert nur um dann einfach selbst ohne Rücksprache Dinge zu ändern. Das wird jetzt anders werden und vielleicht können wir uns dann endlich mal zurücklehnen und einfach nur unterrichten…

Warum ich gerne im Kindergarten arbeite.

Heute hatte ich ein Gespräch mit einem Mitarbeiter darüber, warum ich mich nicht mehr über die Firma, für die wir beide arbeiten, aufrege. Sie hat so ihre Probleme, vor allem, dass man immer versucht alles möglichst billig zu beschaffen ohne auf die Qualität zu achten. Warum ich trotzdem dort bleibe, hat auch, aber nicht nur etwas mit meiner Faulheit mir etwas Neues suchen zu tun.

Im Vergleich mit einem 英会話-Job (Eikaiwa; eine Bezeichnung für Sprachschulen für Englisch) habe ich einige Vorteile. Ob die für alle gelten, weiß ich nicht.

Was man nicht sieht: Den CD-Player, der das interessanteste Ding in der ganzen Welt darstellte.

Was man nicht sieht: Den CD-Player, der das interessanteste Ding in der ganzen Welt darstellte.

1. Die Arbeitszeiten

Ich arbeite Teilzeit, fünf Stunden pro Tag, manchmal etwas mehr, aber meist von 9:30 bis 14:30. Nachmittags habe ich also Zeit um etwas zu unternehmen. Würde ich Nachmittags arbeiten, wie es bei den meisten Eikaiwa-Schulen üblich ist, wäre mein Sozialleben noch eingeschränkter als ohnehin schon. Die Wochenenden habe ich auch, bis auf zwei, drei Ausnahmen im Jahr, frei. Das deckt sich mit meinem Mann, wenn er denn mal frei hat.

2. Die Kinder

Ich bin für genau eine Klasse zuständig, habe also immer dieselben Kinder. Manchmal freut einen das nicht so sehr, aber ich muss mich nicht ständig auf neue Kinder einstellen und die Kinder bauen sehr leicht eine Verbindung zu mir auf. Es ist eben ein recht normaler Kindergarten, nur mit einer Spezialisierung auf’s Englischlernen. Es gibt hier recht viele Kindergärten mit verschiedenen Schwerpunkten, der Sohn eines Kollegen geht in einen Kindergarten, der sehr viel mit den Kindern kocht und sehr großen Wert auf die Ernährung legt. Ich persönlich würde mein Kind in einen geben, wo es viel draußen in der Natur sein kann.

3. Der Arbeitsrhythmus

Ich muss nicht eine straffe Unterrichtstunde nach der anderen führen, sondern habe morgens eine halbe Stunde Zeit um mich vorzubereiten, dann eine halbe Stunden in denen mit allen Kindern auf Englisch und Japanisch gesungen wird und Bücher gelesen werden. Danach bereiten die Kinder sich auf den Tag vor, packen ihre Mittagssachen aus, gehen auf die Toilette und erst dann muss ich wirklich ran. Bei allen Aktivitäten bin ich natürlich dabei und plappere die Kinder auf Englisch voll, auch bei dem einstündigen Mittagessen, aber einen Tag in der Woche fahren wir in einen Park in der Gegend, einen Vormittag kommt ein Sportlehrer, insgesamt ist es also ziemlich entspannt und ich kann viel mit den Kindern spielen und Quatsch machen. Nervige Kinder kann ich aber nicht nach einer Lehreinheit (45 Minuten?) wieder an ihre Eltern abgeben. 🙁

Es ist natürlich manchmal echt anstrengend, aber mindestens einmal die Woche habe ich ein wirklich gutes Erlebnis. Wenn die Kinder etwas verstehen, wenn die Kinder wirklich 100% an einer Aufgabe interessiert sind, wenn die Kinder mir erzählen, wie toll sie mich finden, … hauptsächlich, wenn die Kinder mir erzählen, wie toll ich bin. 😉

Natürlich sind die Bedingungen in jedem Kindergarten anders und mein Job ist sicher nicht für alle perfekt, aber mir macht es meist Spaß 🙂 Deswegen versuche ich mich über Probleme nicht zu sehr aufzuregen, auch wenn es sehr frustrierend sein kann, wenn die Workbooks auch nach zwei Monaten noch nicht aufgetaucht sind. Kein Wunder, man hat sie schließlich mit dem günstigsten Versand bestellt…

Im Urlaubs-Modus.

Vorgestern war mein letzter Tag im alten Kindergarten. 🙂 Zweieinhalb Jahre habe ich dort gearbeitet und ich werde sicher noch oft an “meine” Kinder dort denken, aber zumindest am Donnerstag wurde ich nicht so richtig sentimental. Vielleicht war es dafür in letzter Zeit oft zu anstrengend, und ich werde sicher nicht alle Kinder und Eltern vermissen… 😉

Am Freitag war die Informationsveranstaltung für die Eltern im neuen Kindergarten, und soweit scheint alles gut. Die neuen Mitarbeiter sind nett, die japanischen sprechen größtenteils Englisch, die ausländischen sprechen größtenteils Japanisch und ich hoffe, dass ich mich da schnell einfügen werde.

Nach unserem Vietnamurlaub bringe ich erstmal お土産 (Omiyage; Mitbringsel) zum Bestechen mit, das wirkt immer. 😉

Ab morgen sind wir in im Urlaub, mit Strand und hoffentlich viel Sonne! In der Zwischenzeit wird der Blog brachliegen, weil ich es mit dem ganzen Stress um Schuljahresende, Jobwechsel und Visumsbeantragung nicht geschafft habe, etwas vorzutippen. Demnächst kommt das Tokyo ABC und natürlich ein wenig was über unseren Vietnamurlaub. Hoffentlich verschwindet unser Flugzeug nicht plötzlich spurlos. 😉

Bis dann!