Einmal vorspulen, bitte.

Ich bin im Moment ein wenig überwältigt. Was mache ich, wenn ich überwältigt bin? Stunden auf YouTube verbringen, was sonst. Sehr konstruktiv.

Und zwar fangen wir jetzt ganz ernsthaft mit diesem ganzen gutbürgerlichen Erwachsenenkrams an: Hausbau. Demnächst lege ich mir dann wahrscheinlich eine Kolonie Gartenzwerge zu, oder Spitzendeckchen.

So ein Haus ist natürlich dann doch etwas Anderes als sein Handy zu wechseln. Nicht nur sollte das Eigenheim möglichst länger als zwei Jahre aktuell sein, preislich spielt es dann doch in einer ganz anderen Liga.

Weil Landpreise wo wir wohnen nicht zumutbar sind, werden wir wahrscheinlich das Elternhaus meines Mannes abreißen lassen, um dann im neuen Haus gemeinsam mit den Schwiegereltern zu leben. Das ist zwar auch nur gepachtet, aber wenn der Besitzer sich dazu durchringen könnte es zu verkaufen, würden wir es zum schnuckeligen Vorteilspreis von nur etwa 20 Millionen Yen (ca. 150.000€) bekommen. Der Grundstückspreis beträgt hier übrigens durchschnittlich etwa 1,010,000 Yen (ca. 7.537€) pro 坪 (tsubo), das sind in etwa 2.277€ pro Quadratmeter. Das Grundstück, auf dem die Schwiegereltern leben, hat fast 50 tsubo (165,5qm). Wer zu faul zum Nachrechnen ist: Es wären etwas weniger als 377.000€. Ein Haus ist da noch gar nicht bei.

Aber moment, tsubo und Grundstückspreise sind euch total egal, aber mit den Schwiegereltern?! Nur im selben Haus. Alle Parteien bestehen darauf, dass die Wohnungen voneinander getrennt und abschließbar sind. Zusammen zu wohnen ist finanziell günstiger, und auch praktischer. Denn wozu brauchen wir ein Haus? Um einen Erben/eine Erbin* willkommen zu heißen. Natürlich kann man das wunderbar in Mietwohnungen, aber Eigentum wäre ganz nett. Eigentumswohnungen entstehen hier an allen Ecken, aber dann ist man quasi ewig an möglicherweise schreckliche Nachbarn gebunden und muss Rücksicht nehmen. Großeltern sind da dann doch etwas milder, wenn der Spross durch die Wohnung hopst. Nachts um drei. In Schuhen aus Stahl. Außerdem mag ich sie wirklich gern. Ich habe riesiges Glück mit meinen Schwiegereltern.

* Meine japanische Familie ist so ausgehungert nach Nachkommen, denen ist’s egal ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Wirklich.

Das alles hat natürlich auch damit zu tun, dass ich eine andere Arbeit suche. Nicht nur, weil das Großprojekt Eigenheim irgendwie finanziert werden muss, sondern auch um meine beruflichen Möglichkeiten nach der Geburt des Kindes zu vergrößern. Im Moment bin ich 25 Jahre alt, Permanent Resident, spreche drei Sprachen und kann Überstunden machen, habe aber keine Erfahrung. Wenn wir ein Kind haben… habe ich ein Kind. Was ein schrecklicher Turn-Off für japanische Arbeitgeber. WIr leben hier nämlich in den 60ern. Also muss ich innerhalb der nächsten zwei Jahre, so unser Zeitplan, Erfahrung sammeln. Druck? Was für Druck? 😀

Einmal vorspulen bitte, bis zum schönen Teil. Wer braucht die nächsten zwei Jahre schon?

Zum Glück habe ich einen Blog, mit dem ich so anstrengende Sachen wie Bewerbungschreiben vor mich hinschieben kann! Danke dafür. 😉

Jobwechsel-Event für Frauen.

Bekanntermaßen suche ich derzeit ja nach einer neuen Arbeit*. Weil Internetwerbung sich auch immer danach richtet, nach was man denn grad sonst so sucht, wurde mir das 女性の転職イベント (Josei no Tenshoku Event; Jobwechsel-Event für Frauen), ausgerichtet von dem Portal 女の転職 (Onna no Tenshoku; Jobwechsel für Frauen), empfohlen.

* Ist das bekannt? Sollte ich drüber schreiben warum und weshalb?

Es war kostenlos, ich bekam dank Vorregistrierung einen Goodie Bag, und Zeit hatte ich sowieso. Außerdem erhoffte ich mir, dass ich meinen Kopf langsam mal darauf drillen könnte, dass ich mich echt um die Jobsuche kümmern sollte, statt, sagen wir, nur so als Beispiel, ohne direkten Bezug zur Realität, alle Folgen des elften Doctors noch einmal zu sehen.

Das Event fand im neunten Stock des 渋谷ヒカリエ (Shibuya Hikarie), einem Kaufhaus, statt. Bevor man die Halle betreten konnte, musste man einen Zettel mit seinen Daten und Arbeitserfahrung ausfüllen. Dank der Magie des Blaupapiers hatte man dann mehrere Durchschläge, die man möglichen Arbeitgebern geben konnte. Im Notfall konnte man kostenlos Kopien machen. 🙂 Außerdem wurden wir gebeten uns Aufkleber mit unseren Arbeitsfelder aufzukleben, etwa 事務・企画 (jimu/kikaku; Büroarbeit/Planung) oder 営業 (eigyô; Vertrieb). Meiner war 専門 (senmon; Spezialist), weil alles mit Sprachen da reinfällt.

In der Halle selbst durfte man leider keine Fotos machen. Es war aber recht klein.

Leider gab es kaum Firmen, die mir zugesagt hätten, aber das war auch kaum anders zu erwarten. Ich habe trotzdem bei zwei Firmen direkt mit Leuten gesprochen, einmal bei Apple und einmal bei einer Firma, die Privattouren für Touristen anbietet, leider braucht man einen Führerschein, und mir zwei Vorträge angehört, bei Uniqlo und Estee Lauder. Zum Schluss gab es jeweils einen Aufkleber, bei zweien konnte man an der Tombola teilnehmen, bei drei bekam man ein kostenloses Getränk, bei fünf eine kostenlose Massage. Fand ich an sich nicht schlecht.

Außerdem betrachten Frauen Arbeitgeber nach anderen Gesichtspunkten als Männer: Bekomme ich Mutterschaftsurlaub? Ist mein Job danach noch da? Wie viele Überstunden fallen an? Alles Sachen, über die man sich in Japan Gedanken machen muss.

Zu verschiedenen Themen gab es auch Vorträge, leider musste man sich ewig anstellen um reinzukommen und ich konnte mir keinen ansehen.

IMG_0802Letztendlich ist für mich außer Kopfschmerzen nichts dabei herausgekommen, aber immerhin bin ich hingegangen. 🙂 (Außerdem habe ich eine Firma auf Schreibfehler in ihrem Englisch hingewiesen… stellt mich ein, und es wird euch nie wieder passieren!)

Im Goodie Bag waren übriges Probepackungen für silikonfreies Shampoo und Spülung, ein Porenreiniger der normalerweise 5,000yen (ca. 38€) kostet, eine Maske und ein Gutschein für 60 Minuten Gesichtsmassage im Wert von noch einmal 4,968Yen (ca. 38€). Dinge, die ich mir sonst eher nicht leiste. 😉

Es war also kein durchschlagender Erfolg, aber dafür dass ich mir nichts erhofft hatte… 🙂

Alle Jahre wieder: 忘年会.

忘年会 (Bônenkai(s)), die großen Feiern um das Jahr zu vergessen, sind wieder da. Während es mich im ersten Jahr nach der Hochzeit noch ziemlich aufgeregt hat, dass mein Mann trinken gehen muss, habe ich inzwischen resigniert.

Letzten Donnerstag war es bei ihm so weit, er kam nach der 2次会 (Ni-ji-kai)* nach Hause und übergab sich erst einmal. Was billiger Wein halt mit einem so macht. Auch am nächsten Morgen hing er über dem Kloschüssel, wollte aber partout nicht zu Hause bleiben, das sei schlecht für den Ruf. Wenn er meint, schließlich ist er kein Kind, das vor sich selbst beschützt werden muss.

* Es ist die Party nach der Party an einem anderen Ort. Und man kann hochzählen, es gibt also auch die 3次会 (San-ji-kai).

Meine Bônenkai war am Samstag, zwei Stunden 飲み放題 (Nomihôdai; All-You-Can-Drink) und Essen. Da ich in der Nacht von Freitag auf Samstag mit übelsten Magenschmerzen aufwachte und es mir trotz des Kaufs eines neuen Paars Schuhe nicht unglaublich gut ging, bin ich aber nach diesen zwei Stunden schon abgehauen und habe den Rest des Abends in inniger Umarmung mit meiner Wärmflasche verbracht.

Habt ihr auf Arbeit (statt Bônenkai) Weihnachtsfeiern? Ist das auch nur eine Trinkveranstaltung, oder geht es etwas besinnlicher zu?

Fast in die Heimat.

In zwei Wochen fliege ich nach Deutschland. Das kommt für mich genauso überraschend, wie für euch, wurde es doch erst gestern entschieden.

Anfang des Monats habe ich für die Firma eines Bekannten meines Schwiegervaters* Übersetzungen angefertigt, einmal ins Deutsche und einmal ins Englische. Die Firma stellt optische Systeme für die verarbeitende Industrie her, und benötigte die Übersetzungen für die Messe Vision in Stuttgart.

* Ja, Vitamin B ist auch in Japan unglaublich wichtig.

Nun stellte die Firma aber fest, dass Übersetzungen zwar schön und gut sind, sie aber eigentlich auch vor Ort jemanden brauchen, der zumindest Deutsch und Japanisch spricht. Und deswegen bin ich in zwei Wochen in Deutschland.

Flüge und Unterkunft werden bezahlt, ein bisschen Taschengeld bekomme ich auch, und ich habe tatsächlich etwa zweieinhalb Tage, die ich in Berlin verbringen kann! 😀 Finanziell lohnt es sich für mich zwar absolut nicht, aber erstens ist es eine super Erfahrung und Referenz für zukünftige Jobs und zweitens wäre ich sonst wahrscheinlich erst in vielen Jahren mal wieder in Deutschland gewesen. 🙂

Derzeit bemühe ich mich, dass mein Wohnort im Pass auf “Japan” geändert wird, damit ich in Deutschland steuerfrei einkaufen gehen kann, und außerdem muss ich mir zumindest ein wenig Grundwissen zur Optik aneignen… Spaß und Freude. 😉

Es heißt leider, dass ich am 2. November nicht zum Shamisen im Rikugien gehen kann, auch unser geplanter Besuch des Tokyo Disneylands fällt flach, aber gut. Halt nächstes Mal.