Ins Grüne: Raus nach Tachikawa.

IMG_4034 (2) (Copy)Der Herbst hat Einzug gehalten. Zwischen sonnige, warme Tage drängeln sich immer mehr dunkle kalte. An einigen Tagen wehte uns schon ein eisiger Nordwind um die Ohren, das Laub wechselt langsam die Farben.

Am Freitag war ich mit einem unserer drei IT-Teams in Tachikawa (立川), welches zwar noch Teil von Tokyo ist, aber nicht zu den 23 Bezirken gehört.* Nach etwa einer Stunde Fahrt standen wir vorm Shōwa-Gedächtnispark (昭和記念公園), einem ehemaligen Militärstützpunkt der Amerikaner. Teile des Geländes werden von den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften verwendet, der Rest wurde als staatlicher Park anlässlich des 50. Jahrestags der Krönung des Kaisers eröffnet.

* Irgendwann muss ich einen Eintrag über die ganzen Begrifflichkeiten in und um Tokyo schreiben.

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Der Park ist für tokyoter Verhältnisse riesig und bietet vor allem für Kinder einiges. 🙂 Die vielen verschiedenen Spielplätze dürften jedes noch so aktive Kind in Richtung Erschöpfung begleiten. 😉 Außerdem kann man im Park Boot- und Fahrradfahren, es gibt Sportanlagen, einen japanischen Gärten, zwei große Felder mit Kosmeen, Bonsai-Bäume, und viel viel mehr. Man kann in dem Park sicher seinen ganzen Tag verbringen.

Dafür kostet er auch Eintritt: 410Yen (etwa 3€) für jeden Erwachsenen. Wir haben noch einmal 410Yen mehr bezahlt, weil wir Fahrräder ausgeliehen haben. Der Park hat einen 11km langen Radweg, separat von den Fußwegen, mit vielen Fahrradabstellplätzen, falls man sich etwas abseits ansehen möchte.

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Ich, normalerweise jeden Wochentag achteinhalb Stunden im 45. Stockwerk mit Blick über die Stadt an den Schreibtisch gekettet, kann mir wenig Besseres vorstellen als am Freitag Nachmittag durch einen großen Park zu radeln. Den Wind im Gesicht, die Sonne langsam untergehend. Das goldene Licht bricht durchs Laub, und man möchte die Zeit anhalten.

Menschen brauchen Natur. Wäre dem nicht so, würde keiner Parks anlegen und mit großem Aufwand instandhalten. Die deutsche Schrebergartenkultur überlebt nur, weil viele Leute sich scheinbar wenig besseres vorstellen können als all ihre Wochenenden auf den Knien beim Unkrautrupfen zu verbringen. 😉

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In der großen Stadt vergisst man das manchmal. Nicht, weil man sich nicht wenigstens in der Mittagspause oder am Wochenende ins Grüne setzen könnte, sondern weil es immer so viel anderes zu tun gibt. Der Park ist auch morgen noch da, irgendein anderes Event in der Metropole vielleicht nicht.

Ich nehme mir nach diesem Parkbesuch natürlich vor, wieder öfter auch Gärten zu besuchen. Ob das so klappt, oder ob sich wieder etwas dazwischenzwängt weiß ich noch nicht. Ich habe noch nicht einmal raus, wie man bei Vollzeit überhaupt etwas schafft. 😉

Die schwarzen Schafe der japanischen Arbeitswelt.

 

Ihr macht ständig Überstunden ohne Bezahlung? Ihr könnt euch nie freinehmen? Ständiger Druck? Leute arbeiten bis sie ausbrennen und kündigen? Anzeichen von PTSD? Dann seid ihr wahrscheinlich bei einer ブラック企業 (Burakku (black) Kigyô; schwarzen Firma) gelandet.

Mit dem Begriff bezeichnete man ursprünglich Firmen mit Beziehungen in die japanische Unterwelt, seit Ende der Bubble (バブル, ein Wirtschaftswunder zwischen 1986 und 1992 – das dann wie eine Seifenblase zerplatzte) bezeichnet es auch Firmen, die alles andere als sorgfältig mit ihren Mitarbeitern umgehen. Während der Bubble gab es viel Geld und schnelle Autos – aber auch großen Wettbewerb und unmenschliche Arbeitsbedingungen. Zuckerbrot und Peitsche im Großformat.

Schwarze Firmen setzen nur noch die Peitsche ein. Unbezahlte Überstunden (サービス残業; Sâbisu (Service) Zangyô), schlechte Bezahlung, Vorgesetzte, die keine Verantwortung übernehmen – und vor allem: Vorgesetzte, die während der Bubble in die Firma gekommen sind und meinen, die heutige Generation sei weich, wenn sie sich nicht komplett für die Arbeit verausgabt.

Damals haben wir noch viel härter gearbeitet, ich habe meine Familie damals die ganze Woche lang nicht gesehen.

Sprach’s zum neuen Mitarbeiter, der seinen Vater damals nur am Wochenende gesehen hat – wenn überhaupt. Die Generation, die mit effektiv alleinerziehenden Müttern aufgewachsen ist, hat oft andere Werte. Mein Mann will nicht nur in den öffentlichen Dienst wechseln, weil er der Gemeinschaft dienen will. Er will vor allem Vaterschaftsurlaub.

Dabei ist seine Firma nicht einmal schwarz, sondern höchstens dunkelgrau. Seine Überstunden werden immer bezahlt. Wenn er zu viele Überstunden macht*, muss er zum Firmenarzt, der zumindest halbherzig nach Anzeichen für Suizidgefahr sucht.

* Rekord: 160 in einem Monat. Inzwischen liegt er aber weit darunter.

Verantwortlich für die Überprüfung der Einhaltung des Arbeitsrechts ist das 厚生労働省 (Kôseirôdô-shô; Ministerium für Gesundheit, Arbeit und Soziales). Es überprüft seit 2013 Aufzeichnungen zu geleisteten Überstunden, etc., und plant in Zukunft die Namen von schwarzen Firmen zu veröffentlichen.** Aber natürlich sind die vom Ministerium nicht die ersten, die versuchen schwarze Firmen aufzulisten und an den Pranger zu stellen.

** Falls sie schon veröffentlicht wurden und ihr wisst, wo man sie findet, bitte kommentiert.

Die Leute vom ブラック企業大賞 (Burakku (black) Kigyô Taishô; großen Preis für schwarze Firmen – Untertitel: “Most Evil Corporation of the Year” Award) listen für 2014 die aus ihrer Sicht schlimmsten 11 Firmen, jeweils mit Begründung. Die Liste wird angeführt von der Firma 大庄 (Daisyo), die mehrere 居酒屋 (Izakaya; japanische Bars) unterhält. 2007 war ein 24-Jähriger nach nur vier Monaten mit durchschnittlich 276 Arbeitsstunden, das sind 65 Wochenstunden, an plötzlichem Herzversagen gestorben – 過労死 (Karôshi; Tod durch Überarbeiten). Das Gericht entschied, dass die Verantwortung bei Daisyo liegt. 2013 wurde den Eltern eine Entschädigung von 78.600.000Yen (ca. 582.420€) zugesprochen.

Wenn das Arbeitsministerium endlich seine Liste veröffentlicht, es stehen wohl 4000 Firmen in Japan unter Verdacht, wird es sich allerdings wohl auch selbst nennen müssen. Es gibt Berichte von Mitarbeitern, die für 180 Überstunden mit nur 30,000Yen (ca. 222€) enlohnt wurden. Das sind in etwa 167Yen oder 1,24€ pro Stunde. Das schwarze Schaf enttarnt andere schwarze Schafe? Auch spannend.

Es gibt in Japan natürlich auch Firmen, die ihren Mitarbeitern ein Privatleben zugestehen, und wo man sich auch einmal freinehmen kann. Aber die japanische Arbeitswelt ist anders, und daran wird sich erst wirklich etwas ändern, wenn die auf den oberen Rängen in den Ruhestand gegangen und von Jüngeren ersetzt werden. Immerhin wird bei der Firma meines Jahres nicht mehr jeden zweiten Tag, wie damals bei meinem Schwiegervater, zur 飲み会 (Nomikai; Trinkfeier) gerufen.

Leben in Japan ist zwar absolut nett, nur in einer japanischen Firma zu arbeiten will man eigentlich eher nicht.

P.S. Es gibt immer mal wieder sensationelle Meldungen über Japaner, die am Schreibtisch auf Arbeit schlafen können. Firmen, bei denen das möglich ist, haben Mitarbeiter, die pro Nacht nur vier Stunden schlafen können, weil der Rest von Arbeit bestimmt ist. In den meisten Firmen ist Schlafen am Arbeitsplatz dann doch nicht erlaubt.

Kleiderordnung in japanischen Büros.

IMGP3080Als ich in meiner neuen Firma angefangen habe, war klar: Ich arbeite nicht mehr im Kindergarten, weg also mit den T-Shirts und her mit Business-Klamotten. Die erste Woche trug ich tatsächlich Stoffhose und Bluse. Dann war klar: Ich kann mich auch ein wenig legerer anziehen. Inzwischen gehe ich durchaus auch in Jeans und T-Shirt zur Arbeit. Es interessiert einfach niemanden. Unsere Mitarbeiter im Wholesale tragen natürlich Anzug. Der gemeine 営業マン (Eigyô-man; Geschäftsmann) trägt immer Anzug, auch bei einem Sportartikelhersteller.

Es ist also nicht nur von der Firma selbst, sondern auch von der Position abhängig. Und zum Glück haben Frauen oft ein wenig mehr Freiheiten als Männer! 🙂

Laut einer Umfrage von MyNavi Women, einer Seite für berufstätige Frauen, tragen nur 8% der Befragten auf Arbeit Anzug, 31.8% きれいめカジュアル (Kireime Kajuaru (Casual); hübsches Casual). Was die damit wohl meinen?

  1. Knielange* Röcke, lange Hosen oder Capri-Hosen, ohne schreiende Muster oder viel Klimmbimm. Röcke sieht man in Japan generell sehr viel. (* nicht über 7cm überm Knie)
  2. Keine T-Shirts, keine tiefausgeschnittenen Tops*, keine dünnen Träger, keine kreischenden Farben oder Prints. Inzwischen sind ärmellose Oberteile in einigen Firmen in Ordnung, wenn man denn etwas zum Überziehen hat. (* in Japan ist’s im Zweifelsfall immer lieber mehr Bein als mehr Brust)
  3. Ballerinas, Pumps ohne zu hohen Absatz, keine Sandalen. Immer mit Strumpfhosen. Nackte Beine sind zu sexy.

IMG_3473Als ich letzte Woche im Outfit links zur Arbeit kam, meinte meine Mitarbeiterin, dass ich aussähe, als würde ich in einer normalen Firma arbeiten. 😉 Wahrscheinlich würde ich nur bei recht strengen Firmen mit dem Outfit Probleme bekommen. Bei dem rechten ist der Rock eindeutig nicht nur 7cm überm Knie…

Tatsächlich sind bei uns einige Leute immer im hübschen Casual, aber es ist nicht in unseren Vorschriften. Einer meiner Kollegen kommt zwar in Turnschuhen, die er dann aber auf Arbeit sofort gegen Latschen austauscht. Solang er ordentliche Schuhe hat, wenn er mit jemandem von einer anderen Firma spricht, ist alles gut.

Wenn große Tiere von der Firma aus Deutschland im Haus sind, ziehen sich die Manager und Abteilungsleiter etwas schicker an, aber das ist sicher überall so. 😉

Hmm, bei welchem deutschen Sportartikelhersteller arbeite ich wohl?

Hmm, bei welchem deutschen Sportartikelhersteller arbeite ich wohl?

In der Umfrage geben 34.6% an, dass sie tragen können was sie wollen – was natürlich so sicher nicht zu 100% stimmt. Auch in Japan sollte man vielleicht nicht im Schlafanzug und mit Flipflops auf Arbeit erscheinen. Ein gewisses Maß an, wenn schon nicht Professionalität, dann doch zumindest angemessenem Kleidungsverhalten, muss schon da sein.

Die restlichen 25.6% haben eine Uniform. Uniformen sind in vielen Berufen durchaus üblich, ob man in einer Zahnarztpraxis arbeitet, auf der Baustelle oder im Restaurant. Wenn mein Mann nicht im Büro sondern auf der Baustelle ist, trägt er eine wunderschöne blaue Uniform. Uniformen sind aber auch super nervig, weil man sie nicht auf dem Weg zur oder von der Arbeit tragen soll. Man muss sich also erst einmal umziehen.

Bei vielen Firmen werdet ihr eine Kleiderordnung vorfinden, ob niedergeschrieben oder nicht. Zum Bewerbungsgespräch geht es eigentlich immer im Anzug, außer ihr wollt nur バイト (Baito; Minijobs) machen. Danach kann man ja den eigenen Kleidungsstil graduell anpassen. Ihr solltet aber wahrscheinlich nicht direkt am ersten Tag in T-Shirt, Jeans und Turnschuhen antanzen, auch wenn in der Jobbeschreibung steht, dass ihr anziehen könnt was ihr wollt. 🙂

Ist das großartig anders als in Deutschland? Was habt ihr für Kleidungsvorschriften auf Arbeit?

Japan vs. Kambodscha: “Gehen wir und setzen uns in ein Restaurant?”

IMG_3369Vor einigen Wochen ging eine E-Mail durch’s Büro: “Wir haben Tickets für das Fußballspiel Japan gegen Kambodscha, wer will, wer will, wer hat noch nicht?” Nachdem ich leider letztes Mal keine Karten für Rugby abbekommen hatte, sollte es zumindest Fußball sein. Nachdem ich die Tickets gewonnen hatte fand ich auch recht schnell jemanden, der mit mir hingehen würde: Masami, die Assistentin einer anderen Abteilung.

Masami ist wie ich recht neu und über eine 派遣会社 (Haken-gaisha; Zeitarbeitsfirma) angestellt – es gibt also immer recht viel zu quatschen. 🙂

Am Spieltag war das Wetter sich offensichtlich unschlüssig – Auf Nieselregen folgte Sonnenschein folgte Platzregen. Leider regnete es während großer Teile des Spiels und die freien Sitzplätze (also ohne Sitzplatzreservierung) im 埼玉スタジアム (Saitama Stadium) haben kein Dach… Kurz nachdem wir Plätze gefunden hatten überlegten wir ernsthaft einfach wieder zu gehen. Schlechtes Wetter, und der Spielausgang war eh schon klar.

Zum Gück wurden wir dann aber von unseren Plätzen vertrieben* und mussten uns weiter vom Spielfeld weg hinsetzen. Dafür waren wir aber auch näher an der Wand für das Dach der Leute mit den teureren Tickets und wurden immerhin nicht mehr nass.

* Es hatte sie wohl jemand reserviert, aber so unoffensichtlich, dass wir dachten sie wären frei. In Japan ist nichts mit “Weggegangen Platz vergagen”, wenn auf dem Sitz irgendetwas liegt ist der reserviert.

Das Spiel selbst – nun ja, Kambodscha ist auf Platz 180 der FIFA-Weltrangliste. Auch wenn Japan nicht gerade hervorragend spielt sind sie haushoch überlegen. Der Großteil des Spiels fand auf der Seite mit Kambodschas Tor statt. Spaß macht es trotzdem immer zuzusehen, weil die Atmosphäre im Stadion hervorragend ist. 🙂

Nächstes Mal werde ich trotzdem wahrscheinlich nur bei der Ticketverlosung mitmachen, wenn Japan gegen jemanden spielt, der eine Chance hat – China, Korea, die Vereinigten Arabischen Emirate. Oder auch Nordkorea, gegen die haben sie letzten Monat 2 zu 1 verloren. Diese Information hat bei einer anderen Kollegin übrigens Lachkrämpfe ausgelöst.

Wir sind so schwach, dass wir gegen Nordkorea verlieren?! Das kann ja was werden.

Dann vielleicht nächstes Mal doch lieber Rugby. Beim Baseball war ich auch noch nicht…