Das echte japanische Neujahr: Neujahrs-TV!

Es ist wieder soweit.

Das Ende des Jahres steht vor der Tür.

Nun wisst ihr wahrscheinlich schon, was man in Japan zu Neujahr macht: Man isst Soba-Nudeln (年越しそば Toshikoshisoba), geht am 1. Januar zum Schrein oder Tempel (初詣 Hatsumōde) und schlägt sich sonst den Bauch voll.

Ich liebe diesen gemächlichen und vor allem leisen Jahreswechsel in Japan. Was ich auch liebe: Das Neujahrsfernsehen.

Während ich sonst nur sehr wenig TV gucke, gehört Fernsehgucken für mich fest zum Neujahrsprogramm. Eigentlich möchte ich euch schon seit Jahren vorstellen, was ihr verpasst, denke aber immer erst kurz vor knapp daran und habe dann im Jahresendwirbel keine Energie dafür. Dieses Jahr aber!

Großartig inkohärent: NHK紅白歌合戦 (NHK Kōhaku Uta-Gassen)

31. Dezember, 19:20 – 23:45, NHK

Seit über 75 Jahren ist die meist einfach zu “Kōhaku” abgekürzte Musiksendung fester Bestandteil des Jahresendes.

In ihr treten Künstler, die im jeweiligen Jahr populär waren, in zwei Gruppen aufgeteilt in einem Gesangswettbewerb gegeneinander an. Wie die Gewinner entschieden werden und wer sie sind ist eigentlich total egal. “Kōhaku” ist nicht nur abendfüllend, sondern bemüht sich als öffentlich-rechtliche Sendung auch, wirklich alle Zuschauer anzusprechen. Insgesamt fährt die Sendung jedes Jahr Quoten um die 30% ein.

Das schafft sie durch eine Mischung, die sonst wahrscheinlich nirgendwo auftritt: Schlagerkünstler neben Rappern neben Popsternchen, und zwischendrin singen alle zusammen mehr schlecht als recht Disneyklassiker, und dann gibt es einen Rekordversuch im japanischen Geschicklichkeitsspiel Kendama, und während eines Schlagers wird eine lange Domino-Effekt-Strecke umgelegt, und plötzlich stehen alle Popsternchen auf der Bühne und tanzen zu “Idol” von YOASOBI, und dann…

Ihr merkt, es ist chaotisch. Die Qualität schwankt zwischen “richtig gut” und “richtig laienhaft”. Ich liebe es. Meist werde ich vor Ende so schläfrig, dass ich die Sendung nicht bis zum Ende sehe, aber ich sehe es da, wie offensichtlich auch viele teilnehmende Künstler: Dabei sein ist alles.

Zum Mitraten und Lachen: 芸能人格付けチェック! (Geinōjin Kakutsuke Check!)

1. Januar, 17:00 – 21:00, TV Asahi

Mein zweiter Favorit, der bei uns auf keinen Fall fehlen darf, ist “Kakutsuke Check”. Das Prinzip ist einfach: Verschiedene Teams von berühmten Personen, meist Musikern und Schauspielern, treten in einem Wettkampf gegeneinander an, in dem sie in verschiedenen Kategorien erraten müssen, welche von zwei oder mehr Optionen die gehobenere ist.

Während sie alle als “Erstklassige Berühmtheiten” an den Start gehen, rutschen sie mit jeder falschen Antwort eine Stufe auf der Bekanntheitsleiter herab. In der niedrigsten Stufe werden sie nicht mehr auf dem Bildschirm gezeigt.

In einigen Kategorien kann man als Zuschauer nicht mitraten: Wenn z.B. sündhaft teurer Wein und Supermarktwein aus dem Tetrapak verkostet wird. Bei anderen schon: Dann werden Amateurtänzer mit professionellen Tänzern verglichen, oder Musiker spielen auf Anfängergeigen und auf einer Stradivarius.

Wer damals Visual Kei gehört hat, trifft bei “Kakutsuke Check” auch auf einen alten Bekannten: GACKT (nur echt in Großbuchstaben). Er ist jedes Jahr bei der Sendung dabei und gilt als unbesiegbar.


Es laufen natürlich noch viele andere Sendungen.

Adidas sponsert verschiedene Teams des “Ekiden”

Mit dem sehr beliebten “Hakone Ekiden” (東京箱根間往復大学駅伝競走 Tōkyō Hakone-kan Ōfuku Daigaku Ekiden Kyōsō) beginnt das Jahr sportlich. Hierbei handelt es sich um ein auf zwei Tage aufgeteiltes Staffelrennen auf 217,1 Kilometern zwischen Tokyo und Hakone, das von Teams verschiedener Universitäten bestritten wird.

Viele andere Formate senden zu Neujahr besonders lange Sendungen. Die beliebte Comedy-Sendung “Suiyōbi no Downtown” (水曜日のダウンタウン), in der Comedians verschiedene banale “Theorien” austesten, sendet um Neujahr herum z.B. immer mehrere Stunden lange Episoden. Die Theorie letztes Weihnachten: Ein Streich, bei dem man in einem Fernsehkrimi gefangen ist, bis man den Täter gefunden hat, ist echt anstrengend (犯人を見つけるまでミステリードラマの世界から抜け出せないドッキリ、めちゃしんどい説). Hier wurde ein Comedian unfreiwillig Teil eines Fernsehkrimis.


Faul fernzusehen passt perfekt zum langsamen, leisen japanischen Neujahr. Warum feiern gehen oder Feuerwerk zünden, wenn man sich auch einfach auf der Couch berieseln lassen kann? Zumal das Neujahrsessen sich ja auch nicht von alleine isst.

In diesem Sinne: Einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert