Ein Miniausflug nach Fukushima

Japan besteht aus 47 Präfekturen, von denen ich die meisten in den letzten Jahren besucht habe. Zur Vervollständigung fehlen nur noch vereinzelte eher unbekannte Präfekturen (Miyazaki, Saga, Tottori, Wakayama, Shiga) – und der Großteil des Nordostens Japans.

Letztens hatten wir einen kindfreien Sonntag und beschlossen, direkt morgens zur Präfektur Fukushima zu fahren. Ja, die mit dem Tsunami und dem Atomkraftwerk. Die standen allerdings nicht auf unserem Plan.

Eine kleine Vorwarnung: Ich empfehle es niemandem, am Morgen aus der Nähe von Tokyo bis nach Fukushima und am Abend wieder zurück zu fahren. Das wird der Präfektur absolut nicht gerecht. Aber manche Dinge will man einfach machen, obwohl man um ihre Unsinnigkeit weiß.

Wir hatten uns ein paar Orte ausgeguckt, die wir sehen wollten – und das war’s dann auch. Hier also ein sehr kurzer Fukushima-Reisebericht. 😀

Vulkanische Seen: Goshiki-Numa (五色沼)

Die vulkanische Seenlandschaft Goshiki-Numa entstand, als 1888 der Berg Bandai (磐梯山) ausbrach und die gesamte Landschaft neu arrangierte. Durch die Eruption wurden Mineralien in die entstandenen Seen eingelagert, dank denen die fünf Seen nun in fünf verschiedenen Farben leuchten.

Besonders im Herbst sollen die Farben kräftig sein – wir waren bereits Anfang September dort und damit zu früh dran. Außerdem war es die meiste Zeit bewölkt und grau, was dem Schauspiel sicher nicht zuträglich war.

Um die Seen führt ein Wanderweg, uns fehlte an dem Tag aber die Motivation. Zumal überall in Fukushima vor Bären gewarnt wird, und als Bärenfutter wollten wir nun wirklich nicht enden. So unmotiviertes Bärenfutter wäre den Bären gegenüber ja auch irgendwie unhöflich.

Lokale Spezialitäten: Die Inawashiro Bier-Brauerei (猪苗代地ビール館)

Mein Mann liebt Bier. Außerdem ist er der einzige von uns beiden, der Autofahren kann, und musste deswegen auf diesem unbedachten Ausflug besonders lieb behandelt werden. Als ich auf der Karte auf unserem Weg zum nächsten Ziel eine Bierbrauerei entdeckte, war der Plan also klar.

Auf der anderen Straßenseite befindet sich auch ein Museum für den Virologen Noguchi Hideyo (野口英世), der unsere alten 1000-Yen-Scheine ziert. Aber wer hat schon Zeit für Medizingeschichte? Wir zumindest an diesem Tag nicht.

Eine einzigartige Halle: Die Sazae-dō in Aizu (会津さざえ堂)

Mein eigentliches Ziel des Ausflugs war es, ein Gebäude endlich im Original zu sehen, das ich bisher nur als Modell kannte. Das hatte ich letztes Jahr in der Statik-Ausstellung des WHAT-Architektur-Museums in Tokyo gesehen.

Mehr: Architektur in Miniatur: Das WHAT Museum

Die Sazae-dō (Turbanmuschel-Halle) befindet sich am Hang eines Bergs in Aizu-Wakamatsu (会津若松), der viertgrößten Stadt Fukushimas. Das wichtige Kulturerbe Japans, das 1796 erbaut wurde (und damit älter ist, als die Seenformation, an der wir vorher waren), sieht von außen ein wenig schräg aus. Wortwörtlich.

In dem Turm führt eine spiralförmige Treppe bis nach oben – und auch wieder nach unten. Man muss an keinem Punkt umdrehen und man begegnet auch keinem Gegenverkehr. Ursprünglich beherbergte das Gebäude 33 Kannon-Statuen. Kannon ist die buddhistische Göttin der Barmherzigkeit, die in Japan seit jeher verehrt wird.

Um die Menschen effizient an allen Statuen vorbeizuführen, wurde diese besondere Konstruktion erdacht.

Sollte man extra für das Sazae-dō nach Fukushima fahren? Nein, aber wenn man in der Nähe ist, sollte man es auf jeden Fall mitnehmen. Apropos Mitnehmen: Die Awamanjū (粟餅), Reiskuchen mit Hirse, die gleich in der Nähe verkauft werden, sollte man sich auch nicht entgehen lassen. Vor allem nicht die frischen. Große Empfehlung!

Die Kranichburg: Tsurugajō (鶴ヶ城)

Die Zeit wurde uns langsam knapp und das Navi unseres Autos hatte uns schon mehrmals in die Irre geführt, weswegen wir kein Risiko aufnahmen und lieber zur nahegelegenen Burg fuhren.

Die Kranichburg Tsurugajō – auf Japanisch auch einfach nach dem Standort Wakamatsu-Burg (若松城 Wakamatsujō) – wurde im Boshin-Krieg, dem Bürgerkrieg, der der Meiji-Restauration vorausging, stark beschädigt und schließlich von der neuen Regierung abgerissen. Das Burggebäude, das man heute besichtigen kann, besteht erst seit 1965. Das ist eher die Regel als die Ausnahme, die meisten heutzutage bestehenden japanischen Burgen befinden sich nicht im Originalzustand.

Am Tag unseres Besuchs fand auf dem Gelände ein kleines Burgfest stand. Insgesamt war es sehr adrett und vor allem bei weitem nicht so überlaufen, wie solche Veranstaltungen bei uns im Großraum Tokyo.


Und das war es auch schon. Fukushima hat noch viel mehr zu bieten, vor allem wenn man gern wandert, aber wir mussten nach Hause.

Für die nächsten verbleibenden Präfekturen im Norden – Akita und Yamagata – nehmen wir uns aber mehr Zeit. Aber wer weiß, wann wir dazu kommen: Es gibt in Japan einfach viel zu viele Orte, die ich noch sehen möchte.

Ein Gedanke zu „Ein Miniausflug nach Fukushima

  1. Holger Drechsler sagt:

    “…und die gesamte Landschaft neu arrangierte.” – Erinnerte mich sofort an den Planetendesigner Slartibartfast aus “Per Anhalter duch die Galaxis”, der für das Formen der norwegischen Fjorde einen Preis erhalten hatte.

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