In Japan flimmern jedes Jahr viele neue Serien über die Bildschirme. Als jemand, der tatsächlich noch nie einen Fernseher besessen hat, bin ich oft nicht auf dem neusten Stand, aber die Streamingdienste bieten mir die Möglichkeit, aufzuholen.
Dank einer stärkeren Partnerschaft zwischen Netflix und dem japanischen Fernsehsender TBS (Tokyo Broadcasting System) sind einige dieser Serien nun weltweit und auch mit deutschen Untertiteln verfügbar. Aus gegebenem Anlass stelle ich euch heute zwei Serien vor, die sich in Japan großer Beliebtheit erfreuen, obwohl sie nicht auf einem Anime oder Manga basieren.
アンナチュラル Unnatural (2018) (Netflix)
Buch: Nogi Akiko
Darsteller: Ishihara Satomi, Iura Arata, Kubota Masataka
Die Serie folgt Misumi Mikoto (Ishihara Satomi) und ihrem Team im UDI, der einzigen forensischen Einrichtung in Japan, die sich auf unerklärliche Todesfälle spezialisiert hat. Während sie diese Todesursachen erforschen, werden gleichzeitig die Hintergründe der Teammitglieder näher beleuchtet.
Der Mix aus eigenwilligen Charakteren und Fällen, die Missstände in Japan thematisieren, ist das Erfolgsrezept der Autorin und geht in Unnatural meist sehr gut auf. Neben den forensischen Rätseln werden die Charaktere – und damit auch die Zuschauer – immer wieder vor moralische und ethische Fragen gestellt. Dass die Geschichte an manchen Stellen nur mit typischer Fernsehlogik aufgeht, stört dabei kaum.
In dieser Krimiserie werden die ungleichen Polizisten Shima (Hoshino Gen) und Ibuki (Ayano Gō) zwangsweise zu einem Team, als sie in die neu gegründete Einheit MIU 404 versetzt werden. Ihre Aufgabe: Kriminalfälle innerhalb von 24 Stunden aufzuklären.
Ähnlich wie in Unnatural gibt es auch in MIU404 eine Reihe von eigenwilligen Charakteren und Fälle, in denen teils Gesellschaftskritik mitschwingt. Was MIU404 für mich besser gemacht hat, war vor allem die Chemie zwischen den beiden Hauptcharakteren. Mir hat es einfach riesigen Spaß gemacht den beiden dabei zuzusehen, wie sie einander anzicken, nur um letztendlich doch an einem Strang zu ziehen.
Die Titellieder beider Serien wurden von Yonezu Kenshi beigesteuert, vor allem Unnatural hat ihm zu größerer Bekanntheit verholfen. Als ein Film vom selben Drehbuchautorin-Regisseurin-Team angekündigt wurde, war schon klar, dass das Titellied wieder von ihm stammen würde – und somit war für mich klar, dass ich den Film im Kino sehen würde. Das ist der eingangs erwähnte “gegebene Anlass”. 😀
ラストマイル Last Mile (2024) (Trailer)
Buch: Nogi Akiko
Regie: Tsukahara Ayuko
Darsteller: Mitsushima Hikari, Okada Masaki, Dean Fujioka
Eine Bombe explodiert und schnell stellt sich heraus, dass sie sich in einem Paket des Online-Shopping-Giganten “Daily Fast” befunden haben muss. Das Paket stammt aus dem Logistikzentrum, in dem gerade Funato Elena (Mitsushima Hikari) die Leitung übernommen hat. Doch anstatt den Warenverkehr zu stoppen, beharrt die ehrgeizige Karrierefrau darauf, dass die Lieferungen trotz der Krise weitergehen – schließlich ist Black Friday. Es bleibt aber nicht bei einer Explosion…
Der Film behandelt ein sehr wichtiges Thema: Was uns die ständige Verfügbarkeit von allem gesellschaftlich kostet und wer dafür geopfert wird. Letztlich sind alle Mitarbeiter der Logistik im System gefangen – ob Elena selbst, die seit Jahren wegen des Stresses nicht mehr richtig schlafen kann, oder die Sub-Sub-Sub-Unternehmer die für ein verschwindend geringes Entgeld Pakete ausliefern. Dieses Thema, das viele von uns gern ausklammern, denn schließlich brauchen wir unsere bestellten Pakete dringend und am besten schon vorgestern, auf der großen Leinwand zu beleuchten ist gut und wichtig.
Leider hat der Film zwei große Schwächen.
Er wurde als Popcorn-Film beworben, der ein “Shared Universe” mit Unnatural und MIU404 bildet. Um den Erwartungen zu entsprechen, tauchen natürlich die markantesten dieser Charaktere in Last Mile auf. Für Fans sicherlich ein Highlight, aber es stört den Erzählfluss und lenkt von der eigentlichen Handlung ab.
Außerdem verbringt der Film zu wenig Zeit mit dem Tatmotiv. Die psychische Verfassung des Täters wird erst in den Credits näher erläutert – im Titellied von Yonezu Kenshi, “Garakuta – Junk”. Das war eindeutig verschenktes Potential. Schlecht ist der Film deswegen noch lange nicht, aber letztendlich hatte ich das Gefühl, dass ich dafür nicht unbedingt hätte ins Kino gehen müssen.
Es lohnt sich aber, die beiden Serien Unnatural und MIU404 vom Sofa aus zu gucken. Falls ihr Japanischlerner seid, empfehle ich besonders MIU404 – außer ihr hattet vor euer medizinisches Fachvokabular auf Vordermann zu bringen. Wenn ihr auf der Suche nach neuen Serien seid, die es in sich haben, schaut ruhig mal bei Netflix vorbei und gebt diesen Perlen eine Chance. Vielleicht entdeckt ihr ja auch euer nächstes Serien-Highlight!