In Japan gibt es größere und kleinere Musik-Festivals. Eines der größten ist das Summer Sonic, das jeden Sommer in Chiba stattfindet. Ich wollte eigentlich schon länger teilnehmen, aber es ergab sich irgendwie nie. Dieses Jahr habe ich es endlich geschafft!
Das Besondere am Summer Sonic ist sein Veranstaltungsort: Es liegt nah am Bahnhof Kaihin Makuhari (海浜幕張), nur eine halbe Stunde vom Bahnhof Tokyo entfernt. Man braucht weder ein Auto, noch muss man ein Zelt aufschlagen. Perfekt für Leute wie mich! 🙂
Die Hauptbühne ist das ZOZO Marine Stadium, in das knapp 30.000 Menschen passen. Außerdem hervorragend im Sommer: Vier der fünf weiteren Bühnen befinden sich drinnen in den Messehallen der Makuhari Messe. Vor zu starker Hitze oder Regen kann man also bequem fliehen.
Normalerweise besteht das Lineup hauptsächlich aus westlichen und japanischen Künstlern. Dieses Jahr waren jedoch, wahrscheinlich aus finanziellen Gründen, viele koreanische Künstler dabei. Der Yen ist derzeit einfach so schwach, dass es schwer ist, sich Künstler zu leisten, die in Euro oder Dollar bezahlt werden müssen.
Tickets kosten zwischen 19.000 ¥ (ca. 120 €) für einen Tag und 36.000 ¥ (ca. 225 €) für beide Tage. Meine Freundin Hanna (@daydreamtokyo) und ich hatten Tickets für den zweiten Tag, Sonntag.
Ich lebe mit einem vierjährigen Energievampir zusammen, also war mein Motto für den Tag, es ruhig angehen zu lassen. Auf meinem ursprünglichen Plan standen nur zwei Künstler, die ich sehen wollte: Creepy Nuts und Natori.
Hanna und ich trafen uns um elf Uhr morgens am Bahnhof, holten unsere Bändchen ab und kauften (natürlich unglaublich überteuerstes) Mittagessen, bevor wir uns ein wenig umsahen. In einer Halle spielten Suiyōbi no Campanella (水曜日のカンパネラ), deren Bühnenshow zwar interessant war, aber die Musik riss uns nicht wirklich mit. Was uns ein wenig überraschte waren die vielen Kinder bei dem Konzert und auf dem Festival insgesamt! In einer der Hallen gab es sogar einen Spielbereich. Ich glaube, mein Sohn hätte nach etwa dreißig Minuten die Nase voll. 😀
Wir liefen die fünf Minuten zur Hauptbühne, sahen uns die letzten fünf Minuten der japanischen Rapperin Chanmina (ちゃんみな), die hochschwanger barfuß performte. Dann verbrachten wir die nächsten zwanzig Minuten in der Warteschlange für die Toiletten – ein echtes Festivalproblem, und das Summer Sonic war da leider keine Ausnahme.
Immerhin schafften wir es noch vor Creepy Nuts zurück in Stadion und sogar in die Nähe der Bühne.
Creepy Nuts sind ein Rapper-DJ-Duo aus Osaka. Sie sind zwar schon seit über zehn Jahren aktiv, den großen Durchbruch haben sie aber dieses Jahr mit dem Titel “Bling-Bang-Bang-Born” geschafft. Der wurde als Opening für den Anime Mashle verwendet und hält sich mit seiner Ohrwurmqualität und dem zugehörigen Tanz seit Monaten in den Top 10 der japanischen Charts. Sogar in die Top 10 der internationalen Charts hat es das Lied geschafft.
Der Auftritt hat riesigen Spaß gemacht, auch wenn wir in der prallen Sonne standen. Die beiden wissen einfach, wie man einem Publikum einheizt. Wenn ihr irgendwie einmal die Chance haben solltet: Guckt sie euch auf jeden Fall Live an!
Bei der Playlist nicht vom ersten Lied abschrecken lassen – das haut Live zwar total rein, ist aber nicht unbedingt easy listening für Menschen, die Creepy Nuts nicht kennen.
Während die anderen Besucher wieder aus dem Stadion herausströmten, drängten Hanna, ich und viele andere Frauen näher an die Bühne: Direkt auf Creepy Nuts folgte die achtköpfige koreanische Pop-Gruppe Ateez.
Ich höre keinen K-Pop, aber letztes Jahr habe ich gelernt, dass die Gruppen Live viel Spaß machen – auch wenn man sich ob des Geräuschpegels seitens der Fans manchmal die Ohren zuhalten muss.
Diesmal hatten die Jungs eine Band dabei, die der Menge noch zusätzlich angespornt hat. Zwischen den Liedern gab es offenbar vorbereitete aber sehr charmante japanische Ansprachen an die Fans und viel viel Fanservice. Letzteres ist keine Beschwerde.
Generell hatte ich das Gefühl, dass viele der K-Pop-Fans nur für ihre Band zum Summer Sonic gekommen sind. Die Rechnung sollte für die Veranstalter aufgegangen sein. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie das Line-Up nächstes Jahr aussehen wird, wenn der Yen sich hoffentlich etwas erholt hat.
Nachdem wir für zwei Konzerte plus die Umbaupause in der Hitze gestanden hatten, brauchten unsere müden Knochen eine kleine Auszeit. Wir gingen also zum Strand. Makuhari liegt direkt am Meer, es weht also immer wieder mal eine erfrischende Meeresbrise herüber.
An der Strandbühne kauften wir uns Essen und Trinken, setzten uns im Schatten in den Sand und hörten der japanischen Band never young beach zu. Deren entspannter Sound passte perfekt zur Location. Einfach mal ein wenig Durchatmen beim Festival. never young beach eignen sich sicher auch hervorragend als Hintergrundmusik für einen Roadtrip zum Meer.
Leider hat sich niemand die Mühe gemacht, ihre Tracklist beim Konzert zu erstellen, und ich kenne mich mit der Band nicht aus, deswegen einfach ihre beliebtesten Songs auf Spotify:
Nachdem wir noch kurz bei Greeta van Fleet reingeguckt hatten und beim Summer Sonic Merchandise-Stand feststellen mussten, dass alles Gute schon weg war, mussten wir uns für den nächsten Auftritt schon wieder sehr sputen. Hanna wollte die amerikanische Indie-Band AJR sehen.
AJR besteht aus drei Brüdern aus New York, die ursprünglich auf der Straße musiziert haben. Wahrscheinlich auch aus dieser Erfahrung heraus ist ihre Musik sehr konzerttauglich und animiert dazu einfach mitzutanzen und mitzusingen. Auch wenn man, wie ich, kein einziges Lied kennt, macht es riesigen Spaß und die Jungs haben auf der Bühne eine tolle Energie.
Auch hier kenne ich die Tracklist nicht, aber ihre Top 5 Tracks haben sie auf jeden Fall gespielt.
Nach einer kleinen Süßigkeitenpause schauten wir bei der japanischen Band Hitsuji Bungaku (羊文学) vorbei, aber um ehrlich zu sein kenne ich von denen nur das eine Ending des Anime Jujutsu Kaisen und ihre restliche Musik hatte es mir spontan nicht so sehr angetan.
Spontan liefen wir dann zu der Halle, in der die koreanische Girlband IVE spielen sollte. Diese war aber dermaßen überfüllt, dass es uns zu gefährlich vorkam und wir uns aus der Menge heraus in die Freiheit kämpften. Die Veranstalter hatten offenbar nicht mit so einem großen Ansturm gerechnet.
Hanna war von dem Tag schon komplett geplättet und fuhr nach Hause, ich sah mir noch ein letztes Konzert an: Natori (なとり).
Natori ist, wie inzwischen viele bekannte Künstler, ein Internetphänomen. Viele japanische Internetsänger zeigen ihre Gesichter nicht öffentlich, Natori wird in Videos immer von Illustrationen vertreten und auf allen Fotos ist sein Gesicht unkenntlich gemacht. Auf der Bühne wurde so beleuchtet, dass ich mir zwar sicher bin, dass Natori ein Gesicht hat – eine erkennungsdienstliche Skizze könnte ich aber nicht anfertigen.
Natoris Lied “Overdose” wurde allein auf TikTok 2,5 Milliarden Male abgespielt. Durch das Titellied des neuen Anime “Wind Breaker”, “Zettai Reido” (絶対零度) ist er noch einem breiteren Publikum bekannt geworden. Ich kannte ihn tatsächlich durch den Spotify-Algorhythmus. 😀
Live konnte er gut abliefern, würde ich mir noch einmal ansehen.
Und damit endete mein Festivaltag. Neben vielen schönen Erinnerungen nahm ich leider auch zwei geprellte Zehen (merkte ich erst am nächsten Morgen) und eine fette Erkältung (merkte ich am nächsten Mittwoch) mit, aber manchmal muss man halt Opfer bringen. 😀
Das Summer Sonic ist perfekt für alle, die zwar auf ein Festival gehen, aber trotzdem in einem kuscheligen Bett schlafen wollen. Das Commitment ist nicht so groß wie auf anderen Festivals, tolle Acts kann man trotzdem sehen. Ich werde sicher jedes Jahr wieder dabei sein!
Mehr: Essen, Musik und Entertainment: Ein Tag Korea auf der KCON.
Ah, schön, du bist wieder da 😀 dein Blog war über Tage nicht zu erreichenund zeigte nur eine Strato-Seite, ich hab mir schon Sorgen gemacht…
Oh das wusste ich gar nicht! Ist ja jetzt zum Glück wieder da. 🙂
Serh schöner Artikel, ich werde mich mal durch die Spotfy-links klicken.