Architektur in Miniatur: Das WHAT Museum

Die meisten von euch wissen es wahrscheinlich nicht, aber ich bin in einer architekturaffinen Familie aufgewachsen. So affin, dass mein Vater Architekt und meine Mutter Bauingenieurin ist. Und weil mein Vater mir immer gesagt hat, dass ich alles werden kann – aber bloß nicht Architekt, habe ich mir auch noch einen Bauingenieur geangelt.

Während seines Studiums hat der so einige Nächte damit verbracht, Modelle zu bauen. Wäre er ein großer Architekt geworden, hätten die es vielleicht ins WHAT Museum geschafft. WHAT steht für Warehouse of Art Terrada und ist 2020 in einem alten Lagerhaus in der Nähe des Bahnhofs Shinagawa eröffnet worden. Es widmet sich der Architektur.

Ein Lager für Architekturmodelle: Das Archi-Depot

Im Archi-Depot schlummern über 600 Architekturmodelle von bekannten japanischen und ausländischen Architekten. Einige davon sind ausgestellt. Nun muss ich zugeben, dass ich kein bauingenieurstechnisches Wissen durch Osmose erlangt habe, aber für mich waren die Modelle trotzdem spannend. Einerseits natürlich, weil es meist irgendwie interessante Gebäude sind. Andererseits kenne ich viele der vorgestellten Häuser schon in ihrer Originalgröße, weil die meisten von ihnen in Tokyo oder zumindest in Japan stehen. Außerdem ist es spannend zu sehen, wie unterschiedlich verschiedene Architekturstudios ihre Modelle bauen. Bei vielen taten mir die armen Mitarbeiter, die nächtelang mit Pinzetten Details zusammenkleben mussten, auf jeden Fall sehr leid.

Im Archi-Depot darf nicht fotografiert werden.

Es gibt ein Online-Archiv, auf dem man sich einige Modelle ansehen kann, aber in 3D entdeckt man natürlich noch viel mehr.

Wechselnde Ausstellungen: Sense of Structure – From Horyuji Temple to the Universe

Bis zum 25. August 2024 findet die Ausstellung “Sense of Structure – From Horyuji Temple to the Universe” statt, die sich mit Statik auseinandersetzt. Ein spannendes Thema, dem oft nicht die gebührende Aufmerksamkeit gezollt wird. Ohne Statiker würden viele Bauwerke einfach in sich zusammenfallen, Grund genug ihnen einmal das Rampenlicht zu überlassen.

In der Ausstellung werden verschiedene Kräfte, die auf Gebäude einwirken, anhand von Modellen erklärt. Einige Modelle darf man auch anfassen, um ein besseres Verständnis zu erlangen. Japan ist vor allem für Holzbauten bekannt. Der Hōryū-ji, der im Ausstellungstitel erwähnt wird, ist eine bereits im Jahre 607 fertiggestellte Holzkonstruktion. Ohne statische Berechnungen kann man keine 32 Meter hohe Pagode komplett aus Holz bauen. 😀

Mehr: Nara: Auf den Spuren der alten Hauptstadt.

Nachdem so verschiedene neue und alte Bauten vorgestellt werden, geht es um andere Anwendungsbereiche der Statik: z.B. wenn es darum geht, Zelte, Kleidung oder auch Mondbasen zu entwerfen.

In der neuen Ausstellung ab dem 1. Februar 2025 wird es übrigens um strukturanalytische Modelle gehen – also wieder darum, wie die Umwelt auf Gebäude einwirkt, und wie das im Entstehungsprozess berücksichtigt wird.


Mir hat der Besuch im WHAT Museum großen Spaß gemacht und ich glaube für meine Eltern war es auch einmal interessant, die Ansätze in anderen Ländern zu sehen. Anders als im Edo-Tokyo Open Air Architectural Museum geht es hier nicht um historische Bauten oder um das Leben in den Gebäuden, sondern um planerische Aspekte. Der Schwerpunkt ist also ein komplett anderer.

Mehr: Das Edo-Tokyo Open Air Architectural Museum.

Es lohnt sich deswegen vor allem für Leute, die sowieso schon architekturinteressiert sind.

WHAT Museum (Website)
東京都品川区東品川2-6-10
2-6-10 Higashi-Shinagawa, Shinagawa, Tokyo
Dienstag bis Sonntag von 11:00 – 18:00 Uhr geöffnet
Kombitickets für beide Ausstellungen kosten 2.000 ¥ (ca. 13 €) für Erwachsene, für Schüler und Studenten weniger

3 Gedanken zu „Architektur in Miniatur: Das WHAT Museum

  1. Holger Drechsler sagt:

    Es war wunderbar diese Modelle zu sehen. Schwer zu empfehlen. Ausserdem in der Sonderausstellung auch ein wenig zu den Holzverbindungen für die die japanische Tischler- und Zimmererzunft so berühmt ist. Um sich einen Eindruck von deren Genialität zu erhaschen suche man nach “The Art of Traditional Japanese Wood Joinery” Unglaublich, was man dort zu sehen bekommt.

  2. Tina Wander sagt:

    Nun muss ich zugeben, dass ich kein bauingenieurstechnisches Wissen durch Osmose erlangt habe […].

    Danke, ich habe herzlichst gelacht!

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